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Rezensionen:Selbstmord im Dritten Reich (Gebundene Ausgabe)

Der Autor des vorliegenden Buches Dr. Christian Goeschel lehrt am Birkbeck College der Universität of London Neuere Europäische Geschichte.


Es geht ihm in seiner nach wissenschaftlichen Kriterien angelegten Arbeit darum, die Motive für Selbstmord während der NS-Zeit zu analysieren. Selbstmord, so der Autor, sei einerseits die privateste und unergründlichste Tat von uns Menschen aber andererseits lässt sie sich nur dann angemessen verstehen, sofern man Selbstmord simultan auf Mikro-, Makro- und Diskursebene untersucht. Deshalb hat Dr. Goeschel das Buch mit traditioneller Sozialgeschichte und Kulturgeschichte in Verbindung gebracht, sich dabei allerdings auf individuelle Schicksale und Lebensumstände fokussiert.

Während der Weimarer Zeit war Selbstmord das letzte Mittel, um persönliches Elend zu beenden. Dieses interpretierte man nicht selten im Zusammenhang mit der deutschen Niederlage von 1918, der Weltwirtschaftskrise und dem politischen als auch sozial generell instabilen System in der Weimarer Republik. Wie man erfährt, steigen in den Schlüsselmomenten der Wirtschaftskrise die Selbstmorde der betroffenen Gruppen sprunghaft an.


Das Buch präsentiert eine Vielzahl von Abschiedsbriefen und Dokumente der polizeilichen Ermittlung, wodurch man persönliche Hintergründe für Selbstmorde besser nachvollziehen kann.


Gezeigt wird, dass in der Nazi-Zeit die Selbstmordrate entgegen anders lautender Propaganda nicht sank und die Politik der Nazis einen direkten Einfluss auf die Selbstmorde hatte. In erster Linie nahmen sich Gegner des Regimes das Leben. In den Jahre 1933- 1934 wurden Folter und Mord durch fingierte Selbstmorde kaschiert.


Der Autor untersucht im Rahmen der Selbstmorde während der NS-Zeit sehr detailliert Selbstmorde unter dem Hakenkreuz (1933-1939), Selbstmorde deutscher Juden (1933-1945), Selbstmorde im Krieg (1939-1944) und schließlich jene aufgrund des Zusammenbruchs.


Es ist unmöglich, im Rahmen der Rezensionen auf die ergreifenden Einzelheiten näher einzugehen. Einfach nur empörend, auf welch niederträchtiger Art und Weise speziell die Rassenpolitik besonders Juden, soziale Außenseiter und Fremdarbeiter in den Selbstmord trieb. Dr. Goeschel unterstreicht, dass für viele, die die Nationalsozialisten zu Opfern machten, der Selbstmord zum letzten und einzigen Mittel wurde, die eigene Würde zu wahren, (vgl.: S. 262).

Ein sehr bedrückendes Buch.

Empfehlenswert.

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Rezensionen:Sein Leben war das traurigste der Welt: Friedrich II. und der Kampf mit seinem Vater (Gebundene Ausgabe)

Am 24. Januar 1712 wurde Friedrich der Große von Preußen geboren. Der stellvertretende Chefredakteur des Geschichtsmagazins "Damals" und Autor zahlreicher historischer und kulturhistorischer Bücher Uwe A. Oster legt mit "Sein Leben war das traurigste der Welt" ein Buch vor, das die schwierige Beziehung Friedrich II. mit seinem Vater thematisiert.

Jeder, der sich ein wenig mit der Geschichte Friedrichs II. befasst hat, wird sicher von den drakonischen Erziehungsmaßnahmen Friedrich Wilhelms I. in Hinblick auf seinen Sohn gehört haben.


Der Autor lotet in seinem Buch die Hintergründe hierfür aus und hebt gleich zu Beginn hervor, dass es kaum einen vergleichbaren Konflikt zwischen einem Herrscher und einem Thronfolger gab, wie zwischen diesem Vater und diesem Sohn.

Mir liegt es fern, nun den Inhalt des Buches hier wiederzugeben. Interessant natürlich sind die Erziehung und der Tagesablauf des Kronprinzen, der nur eine knapp bemessene Freizeit hatte, die auch noch Vorgaben enthielt.

Seine militärische Ausbildung begann schon im Kleinkindalter und seine Schwester Wilhelmine konstatierte: "Nicht die geringste Erholung war ihm vergönnt; die Musik, die Lektüre, die schönen Künste und Wissenschaften waren ebenso viele Verbrechen, welche ihm untersagt waren. Niemand wagte es mit ihm zu reden; kaum, dass er die Königin besuchen durfte. Sein Leben war das traurigste der Welt." (Zitat: S.34).

Man erfährt, wie hungrig Friedrich auf Bildung war und wie sehr sein Vater alles Schöngeistige ablehnte. Daraus entstand Konfliktstoff. Die Bibliothek des Kronprinzen umfasste 3775 Bände, von welchen der Soldatenkönig, sprich sein Vater, nichts wusste. Als der berühmte Fluchtversuch Friedrichs 1730 scheiterte, wurde die geheime Bibliothek entdeckt und in Amsterdam seitens seines Vaters meistbietend versteigert.

Friedrich Wilhelm I. soll ein Choleriker gewesen sin, der zu Gewaltausbrüchen neigte. Er prügelte seine Kinder weit über das gesellschaftlich akzeptierte Maß. Durch welche Kinderhöllen Friedrich gegangen ist, kann man dem Buch entnehmen. Nicht grundlos schreibt der Autor von "dem Fegefeuer von Wusterhausen" Dass dieser Kronprinz vor seinem Vater fliehen wollte, ist nur verständlich. Welche Folgen diese Flucht hatte, kann man im Buch auch ausführlich nachlesen.

Was geschieht mit einem jungen Mann seelisch, der zuschauen muss, wie sein Freund enthauptet wird? Wie sehr hasst ein solcher Mann den Menschen, der dafür verantwortlich ist? Über diese Fragen wird seit Generationen nachgedacht.

Mit viel Freude habe ich über Friedrichs Beziehung zu Voltaire und seine glücklichen Zeiten in Rheinsberg gelesen in den Jahren nach Kattes Hinrichtung und vor Friedrichs Krönung. Hier auch entstand Friedrichs "Antimachiavell", in dem er das Idealbild eines den moralischen Grundsätzen folgenden Fürsten beschreibt. Oster lässt nicht unerwähnt, dass dieser "Antimachivell" niemals ein Aufruf zum Pazifismus war.

Wie sehr sein Vater Friedrich II. letztlich prägte, zeigt sich, nach dem seiner Thronbesteigung als seine Truppen nach Schlesien marschierten und dort eine halbe Million Soldaten und noch einmal so viele Zivilisten ihr Leben verloren, (vgl.: S. 251).

Wer viel Härte erlebt, geht entweder daran zu Grunde oder wird selbst hart. Preußen lässt grüßen.

Empfehlenswert.
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Rezension:Zug um Zug (Gebundene Ausgabe)

Helmut Schmidt und Peer Steinbrück, fraglos mit die brillantesten Köpfe, die die SPD sich rühmen kann, in ihren Reihen einen exponierten Platz inne zu haben, treffen sich in dem vorliegenden Buch "Zug um Zug" , um aus der ihrer jeweils eigenen Sicht, hochaktuelle Themen aus Politik, Gesellschaft und sozialem Gemeinwesen dem geneigten Leser näher zu bringen.


Dabei vergessen sie nicht über das Funktionieren unserer Elite nachzudenken, über die Verantwortung dieser Funktionsträger zu diskutieren, um dann die Folgen bei entsprechendem Fehlverhalten aufzuzeigen.

Über Helmut Schmidt, dem Hanseat altehrwürdiger Schule möchte ich hier nur eins sagen, die Kenntnis seiner eindrucksvollen Vita muss ich nicht besonders erwähnen, die meisten Deutschen kennen sie.


Hervorheben möchte ich die Tatsache, dass er einer der ganz wenigen Persönlichkeiten der Bundesrepublik Deutschland ist, der über die Grenzen aller Parteien, aller Gesellschaftsschichten und aller intellektuellen Kontroversen höchsten Respekt genießt, ja geradezu geliebt und verehrt wird, eine Tatsache, die der äußerlich eher kühl wirkende Hamburger vermeintlich nur ungerne hört.

Zudem sehen die meisten Deutschen in ihm eine moralische Instanz, die glaubwürdige Werte des Miteinanders anmahnt, Werte, die in unserer heutigen Zeit längst verloren gegangen zu sein scheinen.

Als "Elder-Statesman" wird sein Rat weltweit geschätzt, nicht zuletzt durch seinen scharfen Verstand, seine brillanten Analysen und seine schonungslose Offenheit, die ihn nicht um den Brei reden lässt, sondern stets versucht den Kern des Problems darzustellen.

Auch Peer Steinbrück ist Hanseat, ein Hanseat der alten Schule, ebenfalls ein brillanter Kopf und schon deshalb Helmut Schmidt nicht unähnlich. Doch beide verbindet noch Vieles mehr. Ihr Studium der Volkswirtschaft, die gleichen politischen Ziele, die beide am besten in der SPD vertreten sehen, ihre mitunter nicht unproblematische Beziehung zu dieser Partei und jeweils eine selbstbewusste Persönlichkeit hat sie zu Freunden werden lassen, obschon sie aus unterschiedlichen Generationen stammen und völlig unterschiedliche Lebenserfahrungen gemacht haben.

Peer Steinbrück hat das wichtige Finanzministerium in der Finanzkrise 2008 inne gehabt und mit klugen Entscheidungen und schnellem Handeln bewiesen, dass er für jedes hohe Amt im Politikbetrieb der Bundesrepublik Deutschland befähigt ist, auch zum Amt des Bundeskanzlers, wo seine fundierten volkswirtschaftlichen Kenntnisse eine nicht zu unterschätzende Hilfe bei der Bewältigung der aktuellen Schuldenkrise sein könnte.
Das Gespräch dieser beiden überzeugten Sozialdemokraten schlägt von daher einen weiten Bogen, beginnend mit der globalen Veränderung der Machtverhältnisse, sowohl politisch als auch ökonomisch, wobei beide überzeugte Europäer sind und für sie das Allgemeinwohl von größter Bedeutung ist.
Dies ist die erste Aufgabe eines Politikers und deshalb würden sie vom Volk gewählt, so die beiden Herren. In krassem Gegensatz hierzu handeln die profitgierigen Investmentbanker und es wird allerhöchste Zeit, dass die demokratischen Regierungen diese Finanzjongleure wieder an die Leine legen, um sie in politische Rahmenbedingungen einzubinden, darin besteht absoluter Konsens zwischen Helmut Schmidt und Per Steinbrück. Jedoch nicht nur Kritik wird in diesem Buch angebracht, sondern es werden auch konstruktive Lösungsansätze zur Bewältigung der Krisen aufgezeigt, deren Umsetzung vielleicht schon nach der nächsten Bundestagswahl Realität werden könnte.
Dies ist ein wirklich lesenswertes Buch, zweier kluger Köpfe, das durch den unendlichen Erfahrungsschatz eines der bedeutendsten Politiker, aber auch eines hochgeschätzten Publizisten bereichert ist. Zukunftsperspektiven werden durch einen möglichen Kanzlerkandidaten dargelegt, wobei man beim Lesen nicht vergessen darf, für welche Partei das Herz der beiden Diskutanten schlägt.
Empfehlenswert.

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Rezensionen:Die 1950er Jahrgänge und ihre Soldatenväter (Gebundene Ausgabe)

Die Journalistin Sabine Bode hat mit "Nachkriegskinder- Die 1950er Jahrgänge und ihre Soldatenväter" ein Buch vorgelegt, das ich mit großem Interesse gelesen habe. Bode lotet in ihrer Arbeit die Erfahrungen die Jahrgänge 1946 bis 1960 mit ihren Eltern, hauptsächlich den Vätern aus.

Bevor ich mich mit dem Inhalt des Buchs befasst habe, las ich auf dem Buchdeckel die Sätze: "Doch in den Familien der Nachkriegskinder ging es engherzig zu. Die Unbeschwertheit von Kindern passte nicht in eine Gesellschaft, auf der Kriegserlebnisse und Erfahrungen von Gefangenschaft, Vertreibung und Schuld lasteten." Die beiden Sätze ließ ich zunächst auf mich wirken und begann über meine frühe Kindheit in den 1950er Jahren nachzudenken.

Mit meinen Eltern hatte ich viel Glück, denn sie schenkten mir viel Wärme und Geborgenheit. Durch die Kriegerlebnisse waren beide ganz gewiss traumatisiert und gerade deshalb schätzten sie es, wenn ich mit meinen kleinen Freunden und Freundinnen Leben ins Haus brachte. Mein Vater wurde von all meinen Freunden geliebt, weil er anders war als ihre Soldatenväter. Er prügelte nie und sprach mit Erwachsenen und Kindern stets sehr liebevoll, hatte Verständnis für die Nöte anderer. Bei einem solchen Vater wird man nicht zur Trotztochter.

Die Nazis und ihr Tun waren ihm zutiefst zuwider, meiner Mutter, die Tochter eines Sozialdemokraten, übrigens auch. Traumatisiert waren meine Eltern, weil mein Vater unmittelbar nach dem Krieg als kaum 19 jähriger die Nazi-Wahrheit in Bergen-Belsen mit Entsetzen vor Augen geführt bekam und meine Mutter im Osten als Vierzehnjährige dem Tod und Vergewaltigungen direkt ins Auge blicken musste.

Gnadenlose Erziehungsmethoden wie Bode sie anführt, habe ich gottlob in meinem Elternhaus nicht erlebt, aber bei Freundinnen und Freunden gesehen, die von ihren pervertierten Vätern halbtot geprügelt wurden, weil diese Kriegsväter durch den Krieg verroht waren. In meinen Augen waren es Ungeheuer.

Meine Freunde lebten in pausenloser Angst und Schrecken, berichteten Horrorgeschichten. Dass im Haus und im Garten meiner Eltern zumeist mehr als 10 Kinder spielten, weil sie sich dort frei bewegen konnten, freute mich, das Einzelkind, das auf diese Weise mit Wahlgeschwistern aufwuchs.

Bode schreibt in ihrem Buch von "parentifizierten Kindern". Das sind Kinder, die ihr ganzes Leben hindurch der Liebe ihrer Eltern hinterherlaufen, in der Hoffnung, doch noch ein wenig Zuneigung zu erringen, (vgl.: S.22). Solche Menschen kennen ich Zuhauf in meiner Generation. Das, was Bode diesbezüglich schreibt, stimmt.

Bode schreibt des Weiteren von den abwesenden Vätern, die von morgens 7 Uhr bis abends 7. Uhr arbeiteten und nie über die Zeit als sie Soldaten waren sprachen, offenen Gesprächen keinen Raum gaben. Ich kenne Menschen, die heute noch nicht wissen, was ihre Väter und Großväter im Krieg getrieben haben, weil sie nur mit deren Genehmigung oder der Genehmigung durch Berliner Testament erbberechtigter Mütter von staatlichen Stellen Auskunft erhalten. Sie leben also noch heute in Unklarheit. Meine Eltern berichteten schon früh über das, was sie im Krieg erlebt hatten und machten mich zur Pazifistin.

Bode schreibt von prügelnden Vätern, von Macho-Vätern. Vielleicht waren es genau diese Väter, die in der Töchtergeneration die Frauenbewegung auslösten.. Ich vermute es fast.

Neben Berichten von Kindern aus jenen Tagen, legt Bode auch immer wieder Interviews vor, die Lesern, die mit der Zeit und Problematik nicht vertraut sind, einen guten Einblick verschaffen.

Während ich lese, fragte ich mich immer wieder, weshalb in allen Gesellschaftsschichten, selbst im Bildungsbürgertum die Männer in der Regel solche verrohten Ungeheuer waren? War es das Töten im Krieg, das sie so hatte werden lassen? Oder war es die Gehirnwäsche durch die Nazis?

Bode lässt in ihrem Buch keine Facette aus, auch nicht die Kinderdressur in der Nachkriegszeit und nennt, wie bereits in einem anderen ihrer Bücher das Buch über Kinderdrill von Johanna Haarer, das viele Müttern als Ratgeber heranzogen.

Ich danke Gott, dass ich von solchen Eltern verschont geblieben bin, wie sie durch Bode immer wieder vorgestellt werden.

PS: Entschuldigen Sie meine eingeflochteten, persönlichen Erinnerungen, doch das Buch hat mit persönlich stark berührt und Erlebtes erneut wachgerufen, hauptsächlich die vielen Kinderschreie im Sommer bei geöffneten Fenstern im ganzen Ort. Einfach furchtbar.

Empfehlenswert, weil sehr erhellend.

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