Wenn man das neue Buch von Ulrich Tilgner „Die Logik der Waffen“ gelesen hat, bleibt zunächst Verwirrung zurück, Verwirrung deshalb weil die Darstellung der Politik des Westens, speziell der Amerikaner durch die Meldungen, die wir fast täglich von offizieller Regierungsseite zu hören bekommen, so gar nichts mit der profunden Wahrnehmung dieses kenntnisreichen Journalisten zu tun hat. Glaubt man den amerikanischen Pressemitteilungen, dann ist ihre Politik in dem letzten Jahrzehnt erfolgreich verlaufen, dann wird ihr Kampf gegen den Terror bald ein befriedigendes Ende finden.
Mit dem baldigen Abzug der militärischen Truppen aus Afghanistan hat die Auseinandersetzung zwischen der westlichen Welt und dem islamistischen Terror der Taliban ein Ende gefunden, mit der Folge, dass die Afghanen eine Demokratie im klassischen Sinn selbst organisieren können und das Land eine neue politische und wirtschaftliche Stabilität hervorbringen wird, so die offizielle Lesart. Hier hat nicht nur der Autor erhebliche Zweifel.
Tilgner, ein ausgewiesener Kenner der Region, immerhin liegt sein journalistischer Focus seit über dreißig Jahren auf diesem Gebiet, da er für das Schweizer Fernsehen und das ZDF als Korrespondent dort gearbeitet hat und immer noch arbeitet, weiß in seinem Buch anderes zu berichten. Ein wesentlicher Verdienst dieses Buches liegt darin, dass der Autor auf Grund seiner unermüdlichen Recherche, die nicht in den Restaurants und Bars der großen Mediensammelpunkte, also den internationalen Hotels in Kabul, Bagdad, Teheran, Tripolis oder Damaskus stattgefunden hat, sondern ihn in die entlegensten Winkel zu den Einheimischen in diesen Ländern führte, um vor Ort nach den Ursachen zu forschen und dabei feststellen musste, dass die Wirklichkeit eine ganz andere ist. Dazu gehört Mut und eine gehörige Portion Selbstvertrauen, denn der Autor hat sich dabei auf gefährlichem Terrain bewegt.
Detailliert zeigt Ulrich Tilgner auf, wie sich mit den Jahren die militärische Strategie aber auch das finanzielle Engagement der westlichen Staaten in diesen Konfliktherden verändert hat, im Irak, in Afghanistan, in Libyen, praktisch in der gesamten Region. Am Beispiel des Iran wird deutlich, welcher Wandel die moderne Kriegsführung erlebt. Hat man den Irak noch konventionell angegriffen, so werden jetzt mittels des Internets Atomfabriken lahm gelegt. Im Jemen, in Pakistan und in Afghanistan ersetzen Drohnen, also unbemannte Flugkörper, die Aufgabe von Spionage- und Kampfflugzeugen. Alles dieses vermittelt das Buch en Detail und stellt erkennbar die großen Zusammenhänge her.
Wenn man liest, mit welchen Summen von Hunderten von Milliarden Dollar Afghanistan zugeschüttet worden ist, aber nur geringere Teile dieses Geldes zum Aufbau des Landes verwendet worden sind, weil der andere Teil in die korrupten Hände der politischen Eliten des Landes geflossen sind oder aber von der ausufernden Kriegsmaschinerie aufgefressen worden ist, dann können dem Leser massive Zweifel über den Sinn all dieser Aktionen kommen. Zudem muss man in diesem Zusammenhang nach dem Sinn westlicher Politik fragen.
Die wohl brisanteste Thematik, der sich der Autor annimmt, ist die Rolle Saudi-Arabiens, dem autoritären, islamischen Königreich auf der arabischen Halbinsel, mit großem Einfluss und superreich durch seine Ölvorkommen. Welche absurden Handlungsmuster dabei abgehen, wenn die Saudis die Taliban und andere Terrororganisationen mit Waffen unterstützen, die von den westlichen Staaten geliefert, anschließend von dem eigenen Militärbündnis besiegt werden soll, ist mit normaler Logik nicht mehr zu begreifen. Hier gibt das Buch die nötigen Informationen, es vermittelt auch bestens welche verschiedenen Machtinteressen in der Region aufeinander prallen, zumal nicht nur die Amerikaner sondern auch Russen und Chinesen größtes politisches Interesse am Orient haben.
An einer funktionierenden Demokratie ist den Potentaten am Persischen Golf und darüber hinaus überhaupt nicht gelegen, es wäre das Ende ihrer Macht. Was sie alles für diesen Machterhalt unternehmen, wird genau beschrieben. Im Einzelnen untersucht der Autor die Aufstände in Ägypten, Tunesien und im Jemen. Am Bürgerkrieg in Syrien wird deutlich wie explosiv die Lage im Nahen Osten ist. Mit der Arabellion sind die arabischen Staaten destabilisiert worden, die Folgen bisher nicht absehbar.
Ulrich Tilgner versteht es dem Leser eine aufhellende Analyse zu vermitteln und erlaubt abseits der offiziellen Darstellungen, die Zusammenhänge zu erkennen, um sich ein wirkliches Bild der Lage zu machen. Wer wissen möchte, was am östlichen Rand von Europa tatsächlich sich entwickelt hat und welche Schlüsse daraus zu ziehen sind, kommt an dem Buch „Die Logik der Waffen- Westliche Politik im Orient“ nicht vorbei.
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