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Rezension Peter J. König: SAHRA WAGENKNECHT:FREIHEIT STATT KAPITALISMUS

Über vergessene Ideale, die Eurokrise und unsere Zukunft

Eins vorweg, die Autorin Sahra Wagenknecht hat mit großer Akribie eine Fülle von Materialien in Form von Aufsätzen, philosophischen Abhandlungen, Statistiken und Unmenge weiterer Sekundärliteratur, nicht zuletzt aus dem Bereich der Volkswirtschaft herangezogen, um die Thesen ihres neuen Buches „Freiheit statt Kapitalismus“ auf ein festes Fundament zu stellen. 

Um zu verstehen, warum Frau Wagenknecht sich ausgerechnet mit dieser zugegebenermaßen nicht unkomplizierten Thematik einlässt, muss man ihre Vita heranziehen. Geboren 1969 in Jena hat sie ihre Schulausbildung noch zu Zeiten der DDR absolviert. Als überzeugte Kommunistin musste sie erleben, wie ihr Staatsideal von den Menschen in der DDR abgeschüttelt worden ist, in Form der ersten friedlichen Revolution auf deutschem Boden. Als Mitglied der PDS, der Nachfolgeorganisation der SED wurde sie einem breiteren Publikum in ganz Deutschland bekannt, da sie das Gesicht der kommunistischen Plattform wurde, zweifellos das Attraktivste, sowohl intellektuell als auch visuell, was diese Gruppierung innerhalb der PDS vorzeigen konnte. Sie vertrat als Mitglied der Partei „Die Linke“ diese von 2004 bis 2009 im Europaparlament, worauf nahtlos die Mitgliedschaft im Bundestag folgte. Seit 2010 ist sie stellvertretende Parteivorsitzende, seit 2011 Vize-Vorsitzende ihrer Fraktion. 


Nach Kenntnisnahme ihres politischen Werdeganges sollte man annehmen, dass, und jetzt steigen wir in den vorliegenden Text ein, sie noch einmal alles dransetzt, den Kapitalismus ideologisch niederzuringen, dem ist aber nicht so. Ihr Buchtitel „Freiheit oder Kapitalismus“ drückt aus, dass der Kapitalismus, speziell in der heutigen Form des Neoliberalismus, Freiheit und sie meint damit die Freiheit aller Bürger, nicht mehr gewährleistet. Das gilt es zu beweisen, und das ist auch der Grund warum die Autorin diese Fülle von argumentativer Zweitliteratur heranzieht, in keinem Augenblick soll der Verdacht aufkommen, hier sei etwa die ideologische Keule am Werk. Tatsächlich ist dies Sahra Wagenknecht auch gelungen, denn es ist davon auszugehen, dass die sachlichen Argumentationen jeder Überprüfung standhält, an den von ihr vorgetragenen Fakten ist objektiv nicht zu rütteln, denn da geht sie auf Nummer sicher. 

Alle Krisen die den Kapitalismus befallen haben, und es gibt tatsächlich viele davon, werden von der Autorin ins Feld geführt. Grundsätzlich hat für Frau Wagenknecht das Kapital dem Menschen zu dienen, es soll dazu genutzt werden, permanent die Lebensbedingungen zu verbessern, neue allgemein zugängliche Ressourcen hervorzubringen, Arbeitsplätze zu schaffen und auf Dauer zu erhalten, damit den Lebensstandard der Bürger zu verbessern, mit einem Wort innovativ die Zukunft zu gestalten. All dieses leistet nach der Autorin das Kapital sowieso nicht, solange es derart ungleich auf unserem Planeten verteilt ist, wie es die volkswirtschaftlichen Statistiken ausweisen. 

Geld und damit auch die Macht konzentriert sich beschleunigt immer mehr auf eine kleine Minderheit und diese Minderheit ist einzig daran interessiert, auf jede Art von Casinokapitalismus noch mehr anzuhäufen und wie es dem Rest der Menschheit geht, spielt dabei keine Rolle. Die Folgen erleben wir immer drastischer, so Frau Wagenknecht. Sozialer Absturz durch Arbeitslosigkeit, Arbeitsverhältnisse die den Selbsterhalt nicht gewährleisten, Innovationsstau bedingt durch industrielle Groß-Strukturen, alles Folgen durch den ausufernden Kapitalismus. Bankenkrise, Eurokrise, Schuldenkrise münden in die Krise der Demokratie und lösen damit eine akute Gefahr der persönlichen Freiheit aus. Beispiele dazu führt die Autorin zuhauf an.

Soweit so gut, hier scheint mir das Buch sattelfest zu sein, weil in allen Belangen nachprüfbar. Aber welche Lehren zieht die Autorin daraus? Die generelle Enteignung ist für sie tabu, kein Rückfall auf die kommunistische Plattform. Trotzdem soll ab einer gewissen Größenordnung durch entsprechende Besteuerung staatlicher Zugriff und damit staatliche Lenkung zum Wohle der Allgemeinheit möglich sein. Sahra Wagenknecht will es im Sinne der Sozialen-Marktwirtschaft a la Ludwig Erhard verstanden wissen. Über allem steht allerdings die Frage, wie viel Freiheit bleibt zum Schluss dem Einzelnen bei der Entfaltung seiner wirtschaftlichen Aktivität, und wer bestimmt was möglich für ihn ist und wo die Interessen der Allgemeinheit beschädigt werden?  Die Autorin hat da eine klare Vorstellung, ob der Leser ihr folgt, muss er selbst entscheiden.

Man muss weder ein Linker sein, noch sich in diesem Dunstkreis aufhalten, um sich dieses Buch vorzunehmen. Es genügt allein politisch interessiert zu sein, dann sollte man das Buch von Sahra Wagenknecht unbedingt lesen. Man braucht auch keine Angst zu haben, dass man nach der Lektüre als gewendet wieder auftaucht, dazu besteht überhaupt kein Anlass. Fakt ist, dass Frau Wagenknecht ein hervorragend recherchiertes Buch vorgelegt hat, dessen Inhalt große Nachdenklichkeit aufkommen lässt, auch wenn man mit ihren Lösungen nicht einverstanden ist. In einem Punkt sind sich sowohl Experten wie Laien mit der Autorin einig, der Turbokapitalismus neuster Prägung steht mit keiner Art von Freiheit im Einklang.

Empfehlenswert. 

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Rezensionen:Wir lassen sie verhungern -: Die Massenvernichtung in der Dritten Welt (Gebundene Ausgabe)

"Die vielen hundert Millionen Menschen, die sich der Vernichtung durch Hunger ausgeliefert sehen, sind auf unsere rückhaltlose, Solidarität angewiesen."

Prof. Dr. Jean Ziegler hat ein Buch geschrieben, das zur Pflichtlektüre für alle Spekulanten auf den Finanzmärkten, aber auch für alle Politiker und Wirtschaftslenker werden sollte.

Jährlich sterben mehrere zehn Millionen Männer, Frauen und Kinder am Hungertod. Alle fünf Sekunden muss ein Kind unter 10 Jahren aufgrund von Hunger sein Leben lassen, trotz des grenzenlosen Überflusses, der auf unserer Erde produziert wird. Wie der Autor hervorhebt, könnte derzeit die Weltlandwirtschaft ohne Probleme zwölf Milliarden Menschen ernähren, demnach das doppelte der derzeitigen Weltbevölkerung. Die Situation wäre also abwendbar. Der Schlussfolgerung des Autors aufgrund dieser Gegebenheiten "Ein Kind das an Hunger stirbt, wird ermordet" kann man nicht widersprechen, (vgl.: S.15). 

Jean Ziegler hält fest, dass der Massenvernichtung seitens der öffentlichen Meinung des Westens mit eisiger Gleichgültigkeit begegnet wird, obschon bereits 1946 seitens der UNO ein erster weltweiter Feldzug gegen den Hunger unternommen worden ist. Dieser war die Folge der kollektiven Leidenserfahrung der hungernden europäischen Völker. Der Autor schreibt, dass Hitler, bevor er mit der systematischen Vernichtung der Juden und Zigeuner begann, einen Hungerplan entwickelt hatte, mittels dem er bezweckte, eine möglichst große Zahl von Häftlingen zu beseitigen, (vgl.: S.16).

 Für Jean Ziegler ist Hunger ein organisiertes Verbrechen. Wie seine Recherchen ergeben haben, ist das Recht auf Nahrung dasjenige, welches auf unserem Planeten offenbar am häufigsten, am zynischsten und am brutalsten verletzt wird, (vgl.: S.25). Laut FAO (Food and Agriculture Organization) waren 925 Millionen Menschen im Jahre 2010 schwerst unterernährt und es litten auf unserer Erde nahezu eine Milliarde Menschen an Hunger, (vgl.: S. 26). Darin hat sich offenbar kaum etwas geändert.

 Der Autor lässt nicht unerwähnt, dass der Hungertod qualvoll ist. Der Todeskampf soll lang andauern und große Schmerzen bereiten. Er führt zu einer allmählichen Zerstörung des Körpers und der Psyche. Der körperlichen Verfall wird begleitet von einem panischen Gefühl der Einsamkeit und Verlassenheit, (vgl.S.26) Unterernährung zieht Hungerkrankheiten wie Noma, Kwashior etc. nach sich. Darüber schreibt der Autor auch Wissenswertes. Er informiert des Weiteren über die Ursachen des strukturellen Hungers, aber auch über dessen Folgen. Man liest von der Gewalt, die Bauern in Ländern wie Schwarzafrika, Indien; Bolivien, Peru, Ecuador etc. durch einheimische Wucherer und ungerechte Landverteilung angetan wird, von der armen Stadtbevölkerung in Drittländern und von der erdumspannenden Macht der transkontinentalen Agrarkonzerne und den Hedgefonds, der Fonds, die auf Nahrungsmittelpreise spekulieren. 

 Ausführlich berichtet Jean Ziegler von Mangelerkrankungen, die im Gegensatz zur Unterernährung nicht durch Kalorienmangel, sondern durch einen Mangel an Mikronährstoffen begründet sind. Bei Vitamin A-Mangel hat dies zur Folge, dass jedes Jahr 13 Millionen Menschen erblinden, (vgl.: S.51).

 Jean Ziegler schreibt von Dauerkrisen weltweit bei denen struktureller und konjunktureller Hunger zusammenwirken. In Ländern wie Afghanistan, Somalia und dem Sudan leben die Menschen bereits seit den 80er Jahren in Dauerkrisen und insgesamt erfüllen derzeit 21 Länder die Kriterien einer langwierigen Krise, (vgl.: S.54ff). Der Autor erwähnt die Gettos von Gaza und die Hungerflüchtlinge aus Nordkorea. In Schwarzafrika müssen dazu noch jährlich 265 000 Frauen und Hunderttausende Säuglinge wegen fehlender Schwangerschaftsvorsorge sterben, (vgl.: S.81). Hinzu kommt die Noma-Tragödie, die ich eingangs bereits erwähnt habe. Diese aufgrund von Ernährungsmangel entstehende Krankheit durchläuft drei aufeinander folgende Stadien und zerfrisst in der dritten Stufe das weiche Gewebe bei Kindern. "Lippen und Wangen verschwinden, klaffende Löcher tun sich auf. Die Augen hängen nach unten, da die Knochen der Augenhöhlen zerstört sind. Der Kiefer wird unbeweglich." (Zitat: S.85). Diese Krankheit, die in den armen Ländern auftritt, gab es auch in hoher Anzahl in Nazilagern, vor allem in Bergen-Belsen und Ausschwitz, (vgl.: S.89).

 Es führt zu weit im Rahmen der Rezension auf all die Fakten einzugehen, die Jean Ziegler auflistet und hier auch auf die ganz unglaublich abgründigen Geschehnisse während der Nazi-Zeit, in der das braune Gesindel darauf abzielte, bestimmte Bevölkerungsgruppen durch Hunger zu schwächen, bzw. zu vernichten. 

Der Autor berichtet über den leidenschaftlichen Soziologen Josué de Castros, bevor er sich mit den Feinden des Rechts auf Nahrung befasst. Diese sieht er derzeit in den transkontinentalen Privatkonzernen, die direkt oder indirekt den größten Teil des Welthandels kontrollieren, (vgl.: S.139). Die drei apokalyptischen Reiter des Hungers sind, wie er festhält, die Organisationen WTO, IWF und -in geringerem Maße- die Weltbank, (vgl.: S.157). Natürlich begründet der Autor auch, wieso er in ihnen die Täter dieses unbeschreiblichen, menschenunwürdigen Zustandes sieht. Er lässt die Spekulanten, die Manager der Hedge Fonds -, die Großbankiers und andere Raubritter des globalisierten Finanzkapitals, die aus Profitsucht und persönlichen Gewinnstreben das Weltfinanzsystem ruiniert und Vermögenswerte in Höhe von vielen Hundert Milliarden Euro vernichtet haben, nicht unerwähnt und ist der Ansicht, dass dieses Raubgesindel vor ein Tribunal für Verbrechen gegen die Menschlichkeit gestellt werden müsse, (vgl.: S.198).

Der Zusammenbruch der Finanzmärkte 2007/2008 hat lt. Ziegler die Existenz vieler Millionen Familien in Europa, Nordamerika und Japan vernichtet. 69 Millionen Menschen sind lt. Weltbank zusätzlich in das Elend des Hungers geraten. Trotz dieser Tatsache hat das Vermögen der Superreichen 2010 jenes Niveau überschritten, das ihr Reichtum drei Jahre vor dem Zusammenbruch der Finanzmärkte hatte, (vgl.: S.302).

Das Buch Prof. Dr. Zieglers hat mich erschüttert. Solange ein ein Teil der Menschheit nicht erkennt, dass das Mitgefühl und damit Solidarität, die höchste Tugend ist, in der man sich täglich üben sollte, sondern stattdessen der Gier frönt, wird sich an den grausamen Zuständen nichts ändern.

Empfehlenswert. 

Überall im Handel erhältlich.