Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier nimmt in diesem Buch Bezug auf die berühmte Rede, die Winston Churchill am 19. September 1946 an der Universität Zürich gehalten hat und in der dieser dafür plädierte, dass es ein beständiges Ziel sein müsse, die Vereinten Nationen aufzubauen und zu festigen. Churchills Denken ging damals so weit, die europäische Völkerfamilie in einer regionalen Organisation zusammenzufassen. Er schlug vor, diese, "Vereinigte Staaten von Europa" zu benennen.
Als 1. praktischen Schritt empfahl er die Gründung eines Europarates, auch wenn zu Beginn nicht alle Staaten betreten wollten oder könnten. Aufgabe der beigetretenen Staaten sei es, letztlich alle Staaten zusammenzuführen. Für Churchill stand fest, dass auf dieser Grundlage sich das Kriegsrisiko minimierte. Deutschland und Frankreich sollten nach seiner Vorstellung die Führung übernehmen, während Großbritannien, das britische Commonwealth, die USA und Sowjetrussland sich als Förderer und Freunde des neuen Europas erweisen sollten.
Die gesamte Rede ist zu Ende des vorliegenden Buches abgedruckt und dient zum besseren Verständnis von Steinmeiers brillantem Text.
Für den Außenminister sind die Jahre 1946 und 2016 Wegscheiden in Europa, weil wir damals wie heute mit viel Verunsicherung und Ungewissheit in die Zukunft blickten. Seit damals habe sich die Welt verändert, denn in jenen Tagen prägte die Blockkonfrontation das Denken, während heute Globalisierung, Vernetzung und Entgrenzung den Lebensalltag in Europa darstellten.
Wie Steinmeier betont, sind die Herausforderungen der Gegenwart gemessen an jenen von 1946 klein, allerdings sei die europäische Stimmung erschreckend kleinmütig geworden. Die Gründe hierfür nennt Steinmeier und fasst zusammen "Sezession statt Expansion, schwelende Krisen statt wachsende Stabilität – dies scheinen die europäischen Signaturen der Gegenwart zu sein."
Diese pessimistischen Betrachtungen müsse man ernst nehmen, weil sie die veränderte Stimmung der Bevölkerung wiederspiegelten.
Steinmeier Reflektionen zu Churchills Rede in der Folge, lohnt es sehr aufmerksam zu studieren, denn sie machen, wie eingangs bereits erwähnt, die Aktualität der damaligen Gedanken deutlich. Der deutsche Außenminister überdenkt nicht nur die historische Entwicklung nach 1946 und den Weg, der zur Krise führte, sondern stellt auch die Frage, welche Zukunft Europa haben soll und wie man sich aus der Krise herausbewegen könne. Dabei müsse Europa auch zeigen, dass es vereint sicherer sei. Eine gemeinsame Außenpolitik sei notwendig, die über das Sprechen mit einer Stimme hinausgehe. Steinmeier plädiert für die offene Gesellschaft, in der man Vorkehrungen für den schlimmsten Fall treffen müsse, anstelle den besten herbeizusehnen.
Damit dokumentiert er Realismus, der in einer Welt grenzenloser Gier kein Zeichen von Verzagtheit darstellt, sondern unfraglich ein Indiz für vorausschauendes Denken ist, auch wenn mir das Denken als Pazifistin Bauchschmerzen bereitet.
Sehr empfehlenswert
Helga König
Das Buch ist überall im Handel erhältlich
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