Der Autor dieses Buches, Gerhart Baum, ist in diesen Tagen 90 Jahre alt geworden. Der einstige Bundesinnenminister (von 1978-1982) zählt zu den profiliertesten Verteidigern des Rechtsstaates und wurde 2021 für sein Engagement für Verständigung und Versöhnung mit dem Marion-Dönhoff-Preis ausgezeichnet.
Gerhart Baum berichtet in diesem Buch zunächst über sein Wirken für die Menschenrechte. Es sei die Mahnung "Nie wieder Diktatur", die ihn, das Kriegskind und den Halbwaisen, zur Politik gebracht habe.
Sein systematischer Einsatz für Menschenrechte habe 1992 begonnen als Hans-Dietrich Genscher ihn zum Leiter der Deutschen Delegation in der Menschenrechtskommission in Genf bestimmte, schreibt er und berichtet von seinem vielfältigen politisch-institutionellen Engagement auf diesem Gebiet, das er dann gemeinsam mit seiner Frau Renate Liesmann-Baum privat fortsetzte und einer gemeinnützige Stiftung gründete, die als Schwerpunkt Menschenrechtsaktivitäten im Fokus hat. Alle zwei Jahre vergeben die beiden einen Menschenrechtspreis, der mit 10 000 € dotiert ist.
Damit jeder weiß, worum es in diesem Buch konkret geht, hat der Leser Gelegenheit auf den letzten Seiten die "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" nachzulesen.
Dies die Theorie. Doch wie sieht es mit Anspruch und Wirklichkeit zur Lage der Menschenrechte heute aus? Der Autor konstatiert, dass seit 2006 die Zahl der Demokratien kontinuierlich abnimmt. Der Angriffskrieg auf die Ukraine sei ein Anschlag auf die wertegebundene Weltordnung. Die Menschenrechtsbrüche nehmen allerorten zu. Somalia und Libyen, auch Afghanistan und natürlich Syrien werden erwähnt und resümierend festgehalten, dass der Rückfall ins Archaische erschütternd sei. Dem kann man nur zustimmen.
Gerhart Baum möchte mit seinem Buch die Erfahrungen, die er in vielen Jahren in UNO-Gremien und überall in der Welt gesammelt hat, weitergeben und tut dies auch auf beeindruckende Art.
Er schreibt zur Lage Russlands und wie dort jede Freiheitsregung unterdrückt wird, schreibt über Putin und dessen Machenschaften, schreibt auch über die Verhältnisse in China und fragt wieviel Freiheitswille in den Chinesen steckt. Nach seiner Ansicht wird es auf Dauer nicht funktionieren, wirtschaftlichen Erfolg bei gleichzeitigem Entzug bürgerlicher Freiheiten zu haben.
Dass die weltweiten Krisen und die daraus resultierende Migrationsbewegungen Europa vor nie dagewesenen Herausforderungen stellt, steht für ihn außer Frage und er weiß, dass unzählige Migranten in unwürdigen Lagern auf ihre Verfahren warten und dort das Selbstbild, das Europa von sich selbst als Hort der Freiheit und Menschenwürde zeichnet, erschüttert wird.
Unterstrichen wird, dass Menschenrechte kein "westliches Projekt" sind, sondern dass sie für die gesamte Menschheit gelten. Dabei müsse man sich bewusst machen, dass es Menschenrechtsverletzungen nicht nur in Kriegszeiten gibt. Heute setzen sich Millionen von Menschen in Bewegung, um sich vor Hunger und Not zu retten, bald schon werden Menschen vor den Folgen der Klimaerwärmung fliehen. Das gibt er zu bedenken.
Das deutsche Asylrecht sei in den letzten Jahren bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt und das Flüchtlingsproblem in der Europäischen Union sei nicht gelöst worden. Wer das Weltflüchtlingsproblem lindern möchte, müsse für die Menschenrechte vor Ort eintreten, für die bürgerlichen wie auch für die wirtschaftlichen und sozialen und ihnen zur Durchsetzung verhelfen. Da kann man nur zustimmen.
Gerhart Baum schreibt u.a. über die historischen Wurzeln der Menschenrechte und lässt Menschenrechtsverteidiger wie Pico della Mirandola, Thomas Morus, Erasmus von Rotterdam, Hugo Grotius aber auch Las Casas nicht unerwähnt. Diese Wurzeln sollte man kennen und sich der Aufgabe bewusst werden, die noch vor uns allen steht: Das Archaische zu überwinden.
Die Charta der Vereinten Nationen kommt zu Sprache, wonach Krieg nur noch in engen Grenzen der Selbstverteidigung erlaubt ist. Weiterhin schreibt der Autor über die Entwicklung des internationalen Rechts seit 1948 und über die Menschenrechtsinstitutionen Europas. Nicht unerwähnt bleiben die Menschenrechtsverletzungen vor Gericht. Die Nürnberger Prozesse kommen zur Sprache und auch das Handeln des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag.
Menschenrechtsverteidiger benötigten Unterstützung. Das gelte auch für Whistleblower. Gerhart Baum schreibt in diesem Zusammenhang, dass sich auch bei uns der Staat gerne allzu oft hinter angeblichen Staatsgeheimnissen verstecke und auf diese Weise die Informationsfreiheit beschränke.
Hörigkeit und Angst müssen überwunden werden, das fordert die Verantwortung unserer Demokratie gegenüber von uns allen, damit Menschenrechte nicht allerorten zur Disposition gestellt werden.
Maximal empfehlenswert
Helga König
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen