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Rezension: Peter J. König: ANONYMOS------Digital Naiv- Warum die Piraten weder etwas von Politik noch vom Internet verstehen

Wer glaubt, dieses Buch des anonymen Verfassers, der als Politikwissenschaftler und Mitglied des Chaos Computer Clubs auch als fester Mitarbeiter einer der vier deutschen Piraten-Landtagsfraktionen tätig war, hätte sich nach dem erfolglosen Abschneiden bei der Bundestagswahl am 22.September überholt, der irrt gewaltig. 

Nicht nur, dass das Buch eine schonungslose Aufdeckung des Phänomens Piratenpartei dokumentiert, es zeigt auch wie es möglich ist, dass auf Anhieb ein zweistelliges Wahlergebnis erreicht werden kann, ohne das die Wähler auch nur annähernd eine Vorstellung haben, um welche Art von Partei es sich hierbei handelt.

Allein die Tatsache, dass die Basis allen Handelns das Internet zugrunde hat, scheint schon zu genügen, um die Politikverdrossenen für diese Bewegung einzunehmen. Versprochen wird von den führenden Parteimitgliedern ein basisdemokratischer Aufbruch, eine Überwindung althergebrachter Strukturen und damit einher gehend ein grundsätzlicher gesellschaftlicher Wandel.

Der Autor, ausgestattet mit dem entsprechenden Insiderwissen und der praktischen Erfahrung als hauptamtlicher Mitarbeiter einer Landtagsfraktion zeigt anhand vieler Beispiele auf, wie unvereinbar Anspruch und Wirklichkeit bei den Piraten ist. Dabei handelt es sich nicht etwa um handwerkliche Fehler einer parteilichen Neugründung, die ja noch verzeihlich wären, da  Korrektive sich durch laufende Erfahrungen von selbst einstellen, nein, der Verfasser erkennt fundamentale demokratische Defizite, wenn die Piraten mit der durch Internet organisierten Basisdemokratie wesentliche Elemente der Verfassung abschaffen wollen.

Mit diesen und anderen Forderungen zeigt sich, dass die Führungselite dieser Partei über die Grundwerte unseres Staates nur sehr mangelhaft informiert ist. Parlamentarisches Handeln ist den gewählten Vertretern der Piraten fremd, das demonstriert ihr Auftreten in den vier Landesparlamenten, denen sie zurzeit angehörig sind. Kenner bezeichnen sie als chaotische Spaß- Truppe, die keinerlei Vorstellung hat, wie ihre Ziele verwirklicht werden können. Der Autor nennt hier eine Fülle von Beispielen.

Als Wesentlich wird die Tatsache angesehen, dass alles politische Handeln durch das Internet stattfindet. Dies allein soll der Garant für eine schöne, neue, digitale Welt sein. Wie sie jedoch zustande kommt, das weiß keiner dieser selbsternannten Profipolitiker so genau. Ohne jemals in irgendeinem kommunalen Parlament tätig gewesen zu sein, wollen sie jetzt die Geschicke unseres Staates in die Hand nehmen, dabei sind sie nicht einmal in der Lage, miteinander einen menschenwürdigen Umgangston zu pflegen. Dass dies keine Gräuelpropaganda konkurrierender Parteien ist, zeigt die selbst auferlegte Transparenz mittels online-Übertragungen ihrer Sitzungen im Internet.

Wenn erst die Veröffentlichung dieses Buch nötig ist, tatsächliches Wissen über die Piraten in die Öffentlichkeit zu bringen, dann zeigt dies, dass es mit der Information der Wähler noch nicht so weit her sein kann, trotz Internetpräsenz. Zunächst aber sind der rasante Aufstieg und damit der Einzug in den Bundestag jäh gestoppt, nicht zuletzt durch die unerträglichen Führungsquerelen der führenden Parteimitglieder. Die nächsten Monate und Jahre werden zeigen, ob die Piraten aus ihren Erfahrungen lernen, dann werden sie auch zukünftig eine Rolle in der Politik spielen. Sollte dies jedoch nicht der Fall sein, dann werden sie eine Episode in der bundesrepublikanischen Politikgeschichte bleiben, die aber gezeigt hat, dass mit exotischen bühnenreifen Auftritten zumindest für eine Zeitlang eine beachtliche Zahl von Wählern mobilisiert werden kann. Nicht auszumalen wäre es, wenn straff organisierte Profis sich eines solchen Medienhyps bedienen, dann hätte unsere Demokratie ein echtes Problem. Warum dies so ist, dazu leistet dieses lesenswerte Buch einen erhellenden Beitrag.

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