Harald Welzer ist Professor für Transformationsdesign an der Universität Flensburg und lehrt zudem an der Universität St. Gallen in der Schweiz. In seinem neuesten Werk "Die Smarte Diktatur" erschienen im S. Fischer Verlag, ist eine essentielle Frage, wie wir es in der modernen Gesellschaft mit unserer Fähigkeit halten, Probleme selbstständig zu lösen und ob der Mensch von heute überhaupt noch die Möglichkeit hat, diese eigenständig zu bewältigen.
Bereits in Welzers 2013 erschienenem, sehr erfolgreichen Buch "Selbst Denken", ebenfalls bei S. Fischer, ging es um die Frage, ob wir es auf Dauer schaffen im fortwährenden Konsumrausch als Menschheit zu überleben, oder ob es nicht Sinn macht, uns von dieser Spirale des sich stetig steigernden Konsums zu verabschieden, um so im Zuge einer neuen Nachhaltigkeit eine sinnvolle Zukunft zu ermöglichen.
Um überbordenden Konsum geht es Professor Welzer auch in seinem vorliegenden Werk, hinterfragt er doch, welche Rolle dabei die digitale Übernahme der Gesellschaft durch das Internet und die darin agierenden globalen Unternehmen spielen.
Als "Zukunfts-Denker" und realistischer "Gegenwarts-Forscher" hat Dr. Harald Welzer genau erkannt, dass diese Revolution nicht ohne entscheidende Folgen für uns alle werden wird, sind Google und Co. doch dabei einen absoluten Einfluss auf jegliche Entscheidungen der Nutzer zu nehmen, und durch personenbezogene Daten alle Wahlfreiheiten auszuschalten.
Im Bereich des Konsums wird so zielgerichtetes Kaufverhalten manipuliert, die Frage des Konsumenten nach der Notwendigkeit des Kaufes komplett ausgeschaltet. Damit ist der Manipulation Tür und Tor geöffnet. Aber es geht schon lange nicht mehr nur um Konsum, so Welzer, die Digitalisierung dringt in alle Lebensbereiche vor. Ziel ist es das gesamte menschliche Verhalten zu bestimmen, wenn sogenannte Apps dem User sagen, was er zu tun hat, damit er seine Lebensführung optimieren kann, sei es im Gesundheitswesen, im Sport, im Beruf oder in der Freizeit.
Durch gezieltes Sammeln von Daten, sei es bei Google, Amazon oder Facebook werden Profile erstellt, die minutiös das Verhalten der Nutzer registrieren, um so entsprechende Verhaltensvorgaben zu machen. Dabei wird ein uniformiertes Muster entworfen, denn bis ins Detail erhält der User nur solche Informationen und Vorschläge, die mit seinen eigenen identisch sind. Vielfalt, Alternativen und gar Verzicht, Fehlanzeige.
Professor Welzer weist darauf hin, dass es so zu einer schleichenden Entmündigung kommt, darüber hinaus sind Demokratie und Selbstbestimmung in höchstem Maß gefährdet. Und dies ist so gewollt, mutmaßt Welzer, glauben doch die Internet-Giganten, dass Entscheidungen, die sie für die Allgemeinheit fällen ein absolutes Mehr an Glück und Zufriedenheit für die Menschheit bringen. Demokratie ist unzulängliches Stückwerk auf das man im Zeitalter der Digitalisierung problemlos verzichten kann.
Hat in der analogen Welt ein solcher totaler Herrschaftsanspruch noch zu erbittertem Widerstand geführt, etwa durch Weltkriege und militärische Allianzen, wie etwa gegen den "IS", so ist der Angriff mit digitalen Mitteln auf unser Recht zur Selbstbestimmung problemlos möglich, ja geradezu erwünscht, wenn sich Milliarden von Menschen bereit erklären, ihre persönlichen Daten freiwillig herzugeben, damit diese anschließend zu ihrer Unfreiheit und Normierung zum Einsatz kommen.
Schließlich stellt Welzer die Frage nach dem Sinn dieser Unterwanderung, werden doch gezielt die Überlebensstrategien, die Menschen über zig-Jahrtausende entwickelt haben, systematisch abtrainiert, indem alle Entscheidungen den Apps überlassen werden, was notwendigerweise zu der Frage führt, was passiert eigentlich bei einem systembedingten Stromausfall oder bei Sabotage weltumspannender Energie-Anbieter?
Fatal sieht Professor Welzer die Tatsache, dass am Ende dieser verheerenden Entwicklung alle Macht in den Händen einiger weniger liegt, ohne dass diese sich deshalb rechtfertigen müssten, ganz im Gegenteil, sie werden für diese globale Machtübernahme gefeiert wie Pop-Stars, ähnlich wie dies jetzt schon bei Zuckerberg, Bezos und Schmidt der Fall ist.
Dem gilt es sich zu widersetzen, meint Welzer in seinem Buch "Die Smarte Diktatur" , wobei nichts dagegen spricht, die digitalen Möglichkeiten positiv zu nutzen, wenn sie dazu dienen, konkrete und sinnvolle Hilfe für die Menschen zu leisten.
Dem reinen Beschaffungsakt für Macht, Einfluss und astronomischen Gewinn mit Hilfe der Offenlegung aller noch so entscheidender Daten von uns allen erteilt der Professor für Transformationsdesign, Harald Welzer eine konsequente Absage. Hier lässt er sich nicht von der schönen, neuen Welt der digitalen Rundumversorgung blenden. Generell geht es ihm darum, die Errungenschaft der Demokratie zu erhalten und speziell darum, dass seine persönliche Sphäre geschützt bleibt, auch um seiner individuellen Entscheidungen wegen.
Dafür lohnt es sich zu kämpfen, hier ist Widerstand angesagt.
Sehr empfehlenswert
Peter J. König
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