Ulrich Wickert, einer der bekanntesten und beliebtesten deutschen Journalisten, der sich auch einen respektierten Namen als Autor von Kriminalromanen und zeitgenössischen Sachbüchern gemacht hat, versucht in seinem neuesten Werk: "Frankreich muss man lieben, um es zu verstehen" dem Leser dieses Land näherzubringen, das schon immer das Herz des ehemaligen Frankreich-Korrespondenten der ARD und Tagesthemen-Moderators gefangen genommen hatte.
Dass Wickert gerade zu diesem Zeitpunkt sich die Mühe dieses Buches gemacht hat, liegt ganz bestimmt daran, dass die Franzosen einen neuen Präsidenten gewählt haben und mit Emanuel Macron keinen aus den Reihen der etablierten Parteien der Sozialisten oder Republikaner und auch nicht des Front National, nein Frankreich hat sich für diesen jungen, charismatischen, doch parteilosen Kandidaten entschieden, der der "Grande Nation" wieder Glanz und Bedeutung in Europa und in der Welt bringen soll.
Dies ist der Zeitpunkt, den Ulrich Wickert mehr als angemessen findet, um speziell uns Deutschen dieses Frankreich näher zu bringen, das doch so ganz anders "tickt" wie wir. Um die französische Seele, seine Kultur und letztendlich seinen Anspruch zu verstehen, bemüht Wickert zunächst einen Rückblick in die Geschichte des Landes, natürlich mit der fundamentalen Veränderung durch die "Französische Revolution" und ihrer Folgen. Ebenso wird die wichtige Rolle der französischen Denker und Philosophen dabei hinterfragt, ohne die dieses alles verändernde Ereignis gar nicht hätte stattfinden können. Im Anschluss daran wird nach der Rolle der heutigen Intellektuellen des Landes geforscht, und welche Bedeutung sie überhaupt noch haben.
Es ist nicht von ungefähr, dass Macron im Vorfeld der Präsidentenwahl ein Buch herausgegeben hat, das den gleichen Titel trägt: "Revolution", in Anlehnung an dieses weltgeschichtliche Ereignis von 1789 und seinen Folgen. Und nichts anderes hat der neue Präsident Frankreichs sich vorgenommen. Er will das Land, Europa, aber auch seine Landsleute revolutionieren, alles erneuern, um sie so für die Globalisierung, die Digitalisierung und die drohenden Probleme in der Welt fit zu machen. Dass dies gerade in Frankreich nicht sehr einfach ist, dies zeigt Wickert hier deutlich, wenn er die Franzosen mit ihren Traditionen, ihren kulturellen Besonderheiten, ihren regionalen Wurzeln und ihrem zentralistischen Staat skizziert, um die Unterschiede zu uns herauszuarbeiten.
Er gibt Einblicke in das Verhalten französischer Präsidenten seit Charles de Gaulle bis hin zu Macron, ihr Leben und Wirken im Élysée- Palast, ihr präsidiales Auftreten, das auch nicht ihre Beziehungen zu ihren Maitressen verschweigt, die seit jeher immer eine nicht zu unterschätzende Bedeutung in der französischen Lebensart innehatten, eine Tradition, die ausgehend vom Adel, gerne nicht nur in der bourgeoisen Oberschicht übernommen wurde.
Man erfährt ebenso etwas über die besonderen Beziehungen, die einige französische Präsidenten zu deutschen Kanzlern pflegten. Dazu gewährt Ulrich Wickert auch immer wieder die Möglichkeit die Sozialisation der Franzosen kennenzulernen, wobei er einen besonderen Blick auf die Eliten wirft, die anders wie in Deutschland nicht primär auf Geld aufgebaut sind, sondern ihren harten Weg durch die besten Schulen und Universitäten des Landes zunächst suchen müssen, um all die Spitzenpositionen einzunehmen, die ihnen Privilegien, Geld und Ansehen bringen, ohne die in Frankreich kaum eine politische Karriere möglich ist.
Ulrich Wickert versteht es prächtig all diese Details, die die Franzosen doch so unterschiedlich von uns Deutschen charakterisieren, in einem spannenden, dabei sehr kurzweiligen Stil mitzuteilen, wobei er sehr vieles aus eigener Erfahrung belegt. Als Sohn eines Diplomaten, der zunächst auch in Paris zur Schule gegangen ist, hat er Frankreich von innen kennengelernt und dabei seine unsterbliche Liebe zu Land und Leuten entdeckt. Diese hat sich vertieft, als er als einer der wichtigsten Korrespondenten Deutschlands die Franzosen in allen Belangen begleitet hat. Und dies gilt nicht nur für die Politik, es gilt ebenso für die französische Küche, für viele glamouröse Ereignisse auf allen kulturellen Ebenen, aber auch von Skandalen und Intrigen wusste er zu berichten.
All diesen Fundus hat der ironische, welterfahrene Journalist, der auch noch einen zweiten Wohnsitz auf den Anhöhen oberhalb Nizzas in der Nähe von Vence besitzt, auf eine sehr erhellende Art niedergeschrieben, wobei er weder mit persönlichen Erfahrungen spart, noch darauf verzichtet, hier und da einen interessanten Tipp für erstklassige Restaurants oder verschwiegene Bistrots en passant zu verraten. Da blitzen seine profunden Kenntnisse auf und er versteht es glänzend diese in Szene zu setzen.
Ulrich Wickert ist hier ein großartiges Buch gelungen, mit dem er bei gleichgesinnten Freunden der Franzosen offene Türen aufstößt, und es sollte ihm hiermit auch gelingen, auch dem weniger frankophilen Leser sehr viel Erhellendes zu zeigen. Tatsächlich ist das Buch: Frankreich muss man lieben, um es zu verstehen“ genau zum richtigen Zeitpunkt auf den Markt gekommen, denn mit Macrons neuem europäischen gemeinsamen Aufbruch wird auch ein Gegengewicht zu der gewissen Rückwärtsgewandtheit hierzulande gebildet, und da ist es besonders wichtig zu wissen, wie unsere Schwestern und Brüder jenseits des Rheins "gestrickt" sind. Ulrich Wickert weiß es genau, und er hat es mit viel Liebe und großer Offenheit erzählt.
Sehr empfehlenswert
Peter J. König
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Frankreich muss man lieben, um es zu verstehen
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