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Rezension: Hexen und Hexenprozesse in Deutschland

"Hexen und Hexenprozesse in Deutschland" thematisiert wo und wann Hexenverfolgungen stattfanden, was die Hexenverfolger und ihre Gegner dachten, aber auch , was die als Hexen verdächtigten Personen zu Protokoll gaben, und wie sich die Thematik in Predigten, Gesetzestexten, Zeitungen und in der Literatur niederschlugen.
Eine Hexe war im Volksglauben eine zauberkundige Frau mit magischen Kräften. In Märchen erscheint sie als Schreckensgestalt mit abstoßendem Äußeren.

Der Hexenbegriff des Mittelalters entstand aus ursprünglich nicht zusammengehörenden Elementen des Aberglaubens ( z.B. Luftflug, Schadenszauber) , der christlichen Dämonologie und Straftatbeständen der Inquisition.
Behringer, der Herausgeber des Buches, untergliedert seine Dokumente in sieben Kapitel, die den gesamten Irrsinn darlegen, der aus heutiger Sicht kaum nachvollziehbar ist.

Der ausgesprochene Hexenwahn vom 14. bis 17. Jahrhundert ist ein sozialpsychologisches Phänomen des Spät-Mittelalters und der frühen Neuzeit. Er blieb auf das christlich-abendländische Europa begrenzt. Judentum, Islam und die orthodoxe Kirche kannten keine Verdammung von Hexen und Exzesse gegen diese. Der Umbruch der geistigen , religiösen und politischen Verhältnisse am Ausgang des Mittelalters brachte Unsicherheit aller Art mit sich und die Menschen , besonders Mitteleuropas, sahen die Teufelsherrschaft der erwarteten Endzeit anbrechen.

Im Deutschland beginnt die Zeit des Hexenwahns um 1550. Das etwa 100 Jahre andauernde " eiserne Zeitalter " fordert mehr als 300 000 Menschenopfer. Der überwiegende Teil der Verfolgten sind Frauen. Erschreckend ist die im Buch aufgeführte Hinrichtungsstatistik Würzburg von 1627 bis 1629.

Schon im Mittelalter wurden von der Inquisition vereinzelt Hexen hingerichtet. Papst Innozenz beauftragte 1484 die beiden deutschen Inquisitoren Heinrich Institoris und Jakob Sprenger in Deutschland gegen Zauberer und Hexen vorzugehen. Drei Jahre später verfassten die beiden den "Hexenhammer" (Malleus Maleficarum) . Der Inhalt ist vorliegendem Buch zu entnehmen. Richter und Hexenverfolger erhielten dadurch Argumentationshilfen und präzise Anweisungen, wie gegen die Hexen vorzugehen sei.

In erster Linie wurden zunächst Hebammen, alleinstehende, sozial nicht abgesicherte Frauen und Kräuterfrauen verfolgt, bald schon genügte eine anonyme Verdächtigung, um den Mechanismus von Verhaftung, Verhör, Folter und Hinrichtung einzuleiten. Wie dies im Einzelnen funktionierte wird in einem Kapitel des Buchs ausführlich dargelegt.

Niemand war vor der einer Anklage geschützt. Auffallende Schönheit war genauso ein Verdachtsmoment wie körperliche Missbildung. Besonderer Reichtum von Frauen galt ebenso als Hinweis auf Hexerei wie Armut. In einigen süddeutschen Dörfern wurde fast die gesamte weibliche Bevölkerung hingerichtet.

Die Hexenverfolger haben angebliche Beweise für die größere Anfälligkeit der Frau gegenüber den Verführungen des Teufels. Man behauptet, dass Frauen aufgrund ihres Geschlechts dazu neigen gegen die Macht Gottes und die Hierarchie der Gesellschaft zu verstoßen. Demnach stellen sie eine Gefahr für die weltliche und religiöse Ordnung dar.

Sie schließen, wie man den Texten entnehmen kann, einen Pakt mit dem Teufel, üben schändliche Zaubereien aus und verführen durch ihre erotische Ausstrahlung Männer zum Unheil. Vorgeworfen wird ihnen, dass sie den Mann seiner Vernunft und seines Urteilsvermögens berauben. Der Bereich der Sexualität spielt eine zentrale Rolle bei den Vorwürfen, die gegen die Frauen erhoben werden. Man verdächtigt sie Unfruchtbarkeit hervorzurufen, männliche Glieder wegzuhexen und erotische Exzesse mit dem Teufel zu begehen. Der Hexenhammer machte es möglich, dass anstelle der Anklage die Denunziation genügte, zudem die Folter und Hexenproben ermöglicht wurden.

Die Hexenprozesse wurden Strafverfahren gemischter Zuständigkeiten kirchlicher und weltlicher Gewalten. Im Buch werden die Verfolgungswellen präzise dargestellt.
Aufgeführt ist auch das vorgegebene Frageschema für Hexenprozesse von 1590 und diverse Protokolle, so etwa das Protokoll des Verhörs der Barbara Kurzhalsin und eine Fülle anderer Schreckenszeugnisse männlichen Verfolgenswahns.

Auch über Katharina Henot liest man, die sich bis zu ihrer Hinrichtung weigert, ein Schuldgeständnis abzulegen. Katharina Henot war eine der vielen Frauen , die im Zuge der Hexenverfolgung aus wirtschaftlichen Gründen sterben mussten.
In den 70er und 80er Jahren des 16. Jahrhunderts wird die Hexerei allmählich auch in protestantischen Gebieten, wie 1572 in Sachsen, zum Kapitalverbrechen erklärt. Durch diese Regelung ist den meisten angeklagten Frauen der Tod auf dem Scheiterhaufen durch verbrennen bei lebendigem Leib gewiss. Selbst Martin Luther vertritt ein Hexenbild, das dem der Inquisition in nichts nachsteht, wie man den Texten entnehmen kann.

In Hexenprozessen ist die "peinliche Befragung " das übliche Mittel schweigende und leugnende Frauen zum Geständnis zu zwingen. Wie die Dokumente deutlich machen, können fünf Grade der Tortur angewendet werden. Viele der angeklagten Frauen sterben bereits während der Folter. Ist eine Frau während der Tortur nicht geständig, so wird dies nicht als Zeichen ihrer Unschuld, sondern als Verstocktheit gewertet. Die Fragenkataloge entlarven die sexuellen Phantasien der Richter.

Zur Sprache kommt auch das großartige Engagement des geistlichen Friedrich von Spee, der als Beichtvater viele Hexenprozesse miterlebte und in seiner Schrift " Cautio criminalis" die Grausamkeit der Prozessverfahren gegen Hexen anklagte.
Allmählich kam es zu einem Umdenken. 1793 wurde die letzte Frau als Hexe in Posen verbrannt.

Trotz der Lektüre der Dokumente werde ich wohl nie verstehen, wie mitleidslos man mit all diesen unschuldigen Frauen verfahren ist und weshalb man solch einen Schwachsinn glaubte.

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