Dr. Rainald Manthe, der Autor dieses bemerkenswerten Buches, ist Soziologe. Er verfasst regelmäßig Texte zu Fragen der Demokratieentwicklung.
Der Untertitel des Buches lautet "Über Alltagsorte des sozialen Zusammenhaltes". Deshalb auch verdeutlicht Dr. Manthe im Rahmen von 9 Kapiteln, dass moderne Demokratien nicht nur in ihren Parlamenten, Verwaltungen und Regierungen leben, sondern vor allem davon, dass Menschen sich einbringen und ihr Zusammenleben gemeinsam gestalten wollen.
Wie der Autor schreibt, werde die Dorfkneipe unterschätzt als wichtiger Ort für eine demokratische Gesellschaft. Doch diese Begegnungsorte verschwinden immer mehr. Neues entstehe nur langsam und sei häufig weniger zugänglich. Das zunehmende Fehlen von Begegnung schade der Demokratie.
Weil moderne Demokratien vielfältig seien, benötigten sie Vertrauen. Dieses sei im Rahmen digitaler Begegnung nicht herstellbar.
Die Gesellschaft werde immer berührungsloser und insofern einsamer.
Der Autor fragt, was Begegnung sei und antwortet ausführlich. Zusammenfassend, konstatiert er, dass Begegnung vor allem Interaktion unter Anwesenden sei, die einen gemeinsamen Raum teilten und einander (potenziell) wahrnehmen.
Weiter fragt Manthe danach, was Begegnungsorte sind und gibt darauf eine differenzierte Antwort, um schließlich klar zu machen, was Begegnung mit Demokratie zu tun hat. Spricht man von Begegnung, so werde häufig sogleich von gesellschaftlichem Zusammenhalt gesprochen. Ist dieser notwendig für eine Demokratie? Darüber liest man Wissenswertes im 2. Kapitel. Hier auch geht es um Vertrauen, das, sobald es abnimmt, ein Indikator dafür sein kann, dass sich etwas verändert. Sei es verloren, werde es schwierig für das Funktionieren einer Demokratie.
Demokratien seien darauf angewiesen, dass Bürger:innen sie anerkennen und nach gemeinsamen Regeln lebten, jedenfalls meistens. Sofern Abweichungen überhand nehmen würden, werde die Gesellschaftsform dysfunktional. Dann könne man sich nicht mehr auf kollektiv verbindliche Regeln verlassen. Es regiere das Recht des Stärkeren oder Reicheren.
Was also tun? Begegnungsorte begreift der Autor als Infrastrukturen der Demokratie. Solche Orte gilt es zu bewahren oder neu zu installieren. Viertel mit funktionierende, sozialer Infrastruktur bilden Auffangnetze, mittels denen sich Krisen meistern ließen. Manthe bringt es auf den Punkt, wenn er schreibt: "Ohne Begegnung keine Bindungen zwischen Menschen und ohne Infrastruktur keine Begegnung untereinander."
Im Kapitel 4 erfährt man, was Parks, Bahnen und Straßen für die Demokratie leisten. Nicht grundlos ist auf dem Buchdeckel eine Zeichnung angebracht, die einen Eindruck von dem Park (Jardin du Luxembourg) vermitteln soll, wo es frei arrangierbare Stühle gibt.
Es geht ums Sehen und Beobachten. Dieses zufällige gegenseitige Beobachten, das für die allermeisten Begegnungsorte kennzeichnend sei, sei ein wichtiger Grundbaustein für moderne Demokratien.
Der Autor hebt einige Begegnungsorte hervor, so beispielsweise Bibliotheken, in denen nicht nur gelesen werde. Doch leider werden diese, ähnlich wie öffentliche Schwimmbäder stets weniger.
Interessant auch die Betrachtung des ÖPNV und hier beispielsweise die Kooperationsbereitschaft beim Ein- und Aussteigen. Kooperation ist aber auch auf Straßen notwendig. Dort gehe es primär um Mobilität. Begegnung fände häufig nur flüchtig statt.
Wie auch immer, das zufällige Wahrnehmen anderer Menschen sei die Grundlage moderner Demokratien. Nur wenn wir konkret und vielseitig wahrnehmen, mit wem wir unser Gemeinwesen teilten, könnten wir auch sie auch als legitime andere akzeptieren. Auf diese Weise bestünde die Chance, ein Mindestmaß an Vertrauen aufzubauen.
Weiter wird gezeigt, wie Gespräche in Cafés, Kneipen, Buchläden und der Politischen Bildung für Verständnis sorgen können. Sich mithilfe von Sprache auszutauschen, ermögliche die Bearbeitung komplexer Themen. Darüber hinaus sei Sprache die Grundlage für komplexe Gesellschaften wie unsere, weil nur sie zur Bewältigung komplexer Themen tauglich sei. Zudem sei sie die Grundlage für zahlreiche Prozesse unseres Miteianders.
Auch über wiederkehrende Begegnungen erfährt man Wissenswertes und über Begegnungen im Rahmen von gemeinsamer Aktivität, so etwa beim "Urban Gardening" oder im Ehrenamt. Auch über die digitale Begegnung liest man und hier u.a. über soziale Medien und weshalb Medienkompetenz für unsere Demokratie notwendig ist. Filterblasen und Echokammern werden thematisiert und es wird die Frage beantwortet, ob die meisten alltäglichen Begegnungen auch digital funktionieren.
Warum eine Politik der Begegnungen zwingend notwendig ist und weshalb Demokratie Begegnung braucht, leuchtet jedem spätetstens nach der Lektüre dieses Buches ein.
10 Handlungsempfehlungen zum Schluss verdeutlichen, dass der Dr. Manthe Begegnungswilligen einen sinnvollen Leitfaden an die Hand gibt, mit dem es möglich ist, tatkräftig für den Bestand unserer Demokratie aktiv zu werden. Dies ist in unseren Zeiten bitter notwendig.
Maximal empfehlenswert
Helga König
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