Kilian Kleinschmidt, der Autor dieses Buches, lebt heute als Berater, globaler Netzwerker und Gründer der Organisation "Innovation an Planning Agency" mit seiner Familie in Wien. Zuvor hat er jahrelang als Nothelfer für das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) gearbeitet und war u.a. in Sri Lanka, im Kosovo, in Somalia, im Kongo, in Kenia, in Ruanda und im Süd-Sudan tätig. Kleinschmidt leitete zudem "Zaatari", das größte Lager für syrische Flüchtlinge an der syrisch-jordanischen Grenze.
Während ich das Buch las, fragte ich mich immer wieder, wie es für Kilian Kleinschmidt möglich ist, all diese entsetzlichen Eindrücke, die er im Buch beschreibt, zu verarbeiten. Zunächst analysierte ich den Bildteil, der den aufmerksamen Beobachter mit diesem Alpha-Mann visuell vertraut macht und fand auf der letzten Seite die Antwort: "Es ist mein Traum, dass wir kollektiv begreifen, dass alle Menschen, die heute auf der Flucht sind, in Slums vegetieren, keine Arbeit haben oder auf dem Land versklavt werden, aus ihrem menschenunwürdigen Leben mit dem, was die Welt an Ressourcen schon besitzt, leicht herausgebracht werden können und müssen. Es geht um unser gemeinsames Überleben und unsere gemeinsamen Werte." Dieser Mann hat also eine Vision und die Kraft sie umzusetzen. Das ist Motor genug, um all die schlimmen Eindrücke zielführend zu verarbeiten.
Eine Rezension zu seinem Buch zu schreiben, in dem man immer wieder Bezug auf die Inhalte nimmt, ist fast unmöglich, denn in diesem autobiografischen Werk mit dem Titel "Weil es um die Menschen geht" wird man in sehr dichter Form mit den Erinnerungen eines Menschen konfrontiert, der Zehntausende von Hutu aus dem Regenwald rettete, die Flüchtlingsrückkehr im Kosovo koordinierte sowie nicht zuletzt das syrische Flüchtlingslager "Zaatari" befriedete und viele andere Meisterleistungen auf humanitärer Ebene erbrachte, dass man einfach nur staunen kann über die Power dieses wirklich mutigen und dabei beeindruckend klugen Mannes.
Kleinschmidts Vater war Hochschullehrer in Frankfurt und später in Köln. Nichts deutete in der Kindheit und Jugend des Autors darauf hin, dass er nach dem Abitur, anstelle zu studieren, zunächst Ziegenkäsebauer und Dachdecker in den Pyrenäen werden würde. Doch gewiss hat sein humanistisch geprägtes, familiäres Umfeld die Basis dazu geliefert, dass er später zu einer Person wurde, die anstelle Krisen auszulösen, sich zum Experten entwickelte, diese zu managen.
Im Buch beschreibt Kleinschmidt zunächst seine Jahre in den Pyrenäen, erwähnt auch seine Beziehungen zu den Menschen dort und wie es dazu kam, dass er schließlich als Krisenhelfer an den Brennpunkten der Welt tätig wurde. So war er u.a. zweimal in Mogadischu, zuletzt von 2012 bis 2013 als Stellvertretender humanitärer Koordinator für ganz Somalia und auch als Sicherheitskoordinator der Vereinten Nationen für Mogadischu im Einsatz. Der Nothelfer schreibt von Millionen von Vertriebenen dort und an vielen anderen Orten dieser Welt, berichtet vom Selbstfindungsprozess in verschiedenen Länder, die vormals Kolonialstaaten waren, der gegenseitigen Ausbeutung, die zu gewaltsamen Perioden führte und es wohl immer noch tut.
Er berichtet weiter von den Monaten in Ruanda, von den Hutus, die er rettete und hier auch liest man: "Immer wieder hatte ich Massen von Menschen gesehen, die versuchten auf irgendeine Weise zu überleben. Die Angst stand ihnen in den Augen, die Angst vor dem Tod."
Man erfährt von Mädchensoldaten bei den Tamil Tigers und in diesem Zusammenhang macht Kleinschmidt begreifbar, dass Kinder benutzt werden für Ideologien, weil sie noch nicht verstehen.
Überall hat der heutige globale Netzwerker mit Menschen gesprochen und sich ein Bild gemacht, hat tausend Gefahren durchlebt, wie kein Anderer Flüchtlingselend gesehen. Er schreibt über seine Aktivitäten in Zaatari, dem Ort, der viele Geschichten zu erzählen hat: "Die Geschichte des Krieges und der Menschen aus Syrien, die Geschichte der Helfer und Mühen, eine solche Situation in den Griff zu bekommen; und dann das große Thema: die Art und Weise, wie man mit Menschen umgeht und wie man im 21. Jahrhundert humanitäre Hilfe und Flüchtlingslager innovativer gestalten kann."
Kleinschmidt weiß aufgrund seiner Erfahrungen, dass Milliarden Menschen unter unwürdigen Bedingungen leben, weil sie durch Klimawandel, Umweltschäden, Verschmutzung, Armut und brutalste Ausnutzung durch skrupellose Industrielle und Großgrundbesitzer ausgebeutet und vertrieben worden sind. Er weiß auch, dass es diese Menschen sind, denen wir, wenn sie fliehen, beim Ertrinken auf dem Mittelmeer zuschauen.
Für Kleinschmidt ist klar, dass Menschen, die aufgrund von Armut, Ausbeutung und fehlenden Menschenrechten die Flucht ergreifen, Grund genug haben, genau dieses zu tun und es keineswegs eines Krieges bedarf, um sich mit ihnen solidarisch zu erklären.
Wie der Autor konstatiert, werden Flüchtlinge als Sklaven gehandelt, als Kinder verkauft und Vergewaltigung sei eher die Regel als die Ausnahme. Flüchtlinge erstickten in Containern, ertrinken und verdursten und Menschenhändler machen Millionen mit ihnen. Bei all dem schaut die moderne Gesellschaft zu.
Die traditionelle humanitäre Hilfe könne ihre Grundaufgabe, Leben zu retten, nicht mehr für alle, die sie benötigen, erfüllen.
Leider sei die humanitäre Hilfe zu einem gigantischen Geschäft geworden. Amerikanische und europäische Charity-Organisationen kämpften nur noch um ihre Marktanteile. Der Mensch und seine Würde werde selten in den Mittelpunkt gestellt, stattdessen werde die Not als Ware verkauft.
Diese Realität und die Tatsache, dass die Hilfsorganisationen der UNO kein eigenes Geld besitzen und dass sich bestimmte Flüchtlinge und bestimmte Krisenherde besser verkaufen als andere, stimmt mehr als nachdenklich.
Wenn sie wissen möchte, welche neuen Perspektiven die humanitäre Hilfe im 21. Jahrhundert bietet, dann lesen Sie bitte dieses analytische und dabei zutiefst berührende Buch. Der Troubleshooter Kilian Kleinschmidt zeigt neue Wege auf. Diese zu gehen, kann nur klug sein.
Sehr empfehlenswert
Helga König
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