Hannah Arendt gilt als eine der wichtigsten politischen Denkerinnen des 20. Jahrhunderts. Als Professorin lehrte sie zunächst an der University of Chicago und später an der New School for Social Research in New York.
Der vorliegende Essay wurde von Andreas Wirthensohn aus dem amerikanischen Englisch übersetzt und ist jetzt erstmals auf Deutsch erschienen. Das Nachwort hat der Philosoph Thomas Meyer von der LMU München geschrieben.
Wie Thomas Meyer zu Beginn seines Nachwortes betont, hat der Inhalt des Essays rund 50 Jahre nach seiner Niederschrift noch immer Aktualität. Nach wie gehe es um Fragen nach Freiheit und ihren Gefährdungen, nach revolutionären Umwälzungen und ihren Ursachen, politischer Stabilität wie auch den Formen des Zusammenlebens moderner Gesellschaften, schlussendlich um das Wiedererstarken des Nationalstaates in einer von globalen wirtschaftlichen Prozessen dominierten Welt. Diese Fragen werden von Arendt herausfordernd beantwortet.
Zunächst erläutert die Autorin die Geschichte von Revolutionen. Sie stehen, auch wenn sie antiwestlich erscheinen, alle im Zeichen traditionell westlicher Revolutionen. Dabei zeigt sich, dass militärische Interventionen letztlich hilflos gegenüber Revolutionen erweisen und nur wenige Revolutionen in den letzten 200 Jahren mit Gewaltmitteln zerschlagen wurden.
Folge von unterbrochenen Revolutionen sind Restaurationen. Diese, so Arendt, sorgen jedoch nur für einen dünnen und erkennbar provisorischen Deckmantel, unter dem der Auflösungsprozess ungehindert weitergeht. Sobald Menschen erfahren haben, was Freiheit für sie bedeuten kann, werden sie auch in unterbrochenen Revolutionen weiter danach streben. Kant wusste das bereits und schrieb auf die Französische Revolution bezogen "Denn ein solches Phänomen in der Menschheitsgeschichte vergisst sich nie mehr".
Ursprünglich bedeutete das Wort "Revolution" "Restauration". Es erfuhr allerdings im Zuge des revolutionären Prozesses eine radikale Veränderung, ganz ähnlich erging es dem Wort "Freiheit". Sie enthält mehr als die Freiheiten im Sinne von Bürgerrechten.
Revolutionen sind eine mögliche Antwort auf den Niedergang eines Regimes, so die Essayistin.
Sie sind also nicht die Ursache, sondern die Folge des Verfalls politischer Autorität.
Jede Revolution durchlaufe erst die Phase der Befreiung, ehe sie Freiheit erlangen kann. Die zweite entscheidende Phase ist die Gründung einer neuen Staatsform und einer neuen "civil Body Politick".
Deformierte und abgebrochene Revolutionen können blanken Horror nach sich ziehen. Deshalb gilt es, Freiheit dort, wo sie sich bereits etabliert hat, zu bewahren und auszubauen, bevor sie auf dem Altar von deformierten oder abgebrochenen Revolutionen geopfert wird.
Wie Thomas Meyer festhält, wurde nach den Ereignissen von 1989 die Gestaltung des neuen politischen Raumes namens "Europa" versäumt. Das Neue sei zwar gesehen worden, doch dessen politische Institutionalisierung und damit Festigung in einen bereits vorhandenen Rahmen gepresst, der sich ökonomischen Kategorien zu unterwerfen hatte. Der vermeintliche Vorrang des Ökonomischen habe jedweden Sturz des Neuanfangs in die zerbrechliche Nüchternheit von Zahlen und Zwecken überführt. Dadurch offenbar ist die Gefahr entstanden, die wir heute überall in Europa zu Kenntnis nehmen müssen, ein Wiedererstarken der Nationalstaatlichkeit mit bislang noch ungeahnten Folgen.
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Helga König
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