Daniel Schönpflug, Professor für Geschichte an der Freien Universität in Berlin beschäftigt sich wissenschaftlich mit Europa zwischen dem 18. und dem 20. Jahrhundert. Nach mehreren Publikationen etwa über den Jakobinismus in der Französischen Revolution („Der Weg in den Terreur“) und die Wirkungen der politischen Moderne auf die Welt der fürstlichen Dynastien, hat er sich nun in seinem neuesten Buch "Kometenjahre", erschienen im S. Fischer Verlag, mit der Zeit unmittelbar nach dem Ende des 1.Weltkrieges befasst.
Der Autor sieht nach dem 11.November 1918 eine Zeitenwende, zumal die alte Weltordnung in Europa danach zerbrach und ähnlich wie 1789 in Frankreich, neue politische Systeme den Untergang der dynastischen Ordnungen, etwa in Russland, Österreich/Ungarn und Deutschland besiegeln sollten. Für einen Zeitraum von etwa 15 Jahren schien es so, als würde durch den Untergang der Monarchien die Zeit reif sein, neue Wege zu gehen und so moderne, demokratische Strukturen die Chance haben, das Leben der Menschen positiv zu verändern.
Aber nicht nur im politischen Bereich konstatiert Daniel Schönpflug den Aufbruch, dies scheint auch der Beginn einer gesellschaftlichen Zeitenwende zu sein, zumal feudale Herrschaftsstrukturen, sei es durch die Revolution in Russland oder die Abdankung des deutschen Kaisers nach der Kapitulation ihr jähes Ende fanden. Dies schien eine neue europäische Ordnung zu begründen, und die Hoffnung gar auf ein friedliches Europa mit demokratischen Staaten schien mehr als ein lang gehegter Traum zu sein. Doch die Hoffnung war nur von kurzer Dauer, denn bereits unmittelbar nach dem Kriegsende sollten politische Zustände eintreten, die ein friedliches Zusammenleben in Europa in weite Ferne rückten und Terror und Unterdrückung zur Tagesordnung machen sollten.
Die Unterdrückung der Kommunisten in Russland spielt da ebenso eine entscheidende Rolle, wie die knebelartigen Bedingungen des Versailler Vertrags, der das Deutsche Reich ad acta legte und durch Gebietsverluste und durch brachiale Reparationszahlungen unwillkürlich massiven Widerstand bei den Deutschen hervorrufen sollte und letztendlich den Aufstieg Adolf Hitlers beförderte und damit den Weg zu einem noch schlimmeren Krieg ebnete.
Hatten die Menschen nach Beendigung des 1. Weltkrieges noch den Glauben in eine neue Welt einzutreten, so wurde doch schnell klar, dass dies ein Irrglaube war. Und doch sieht der Autor, unterstützt von anderen namhaften Historikern eine Zeitenwende, die nach kommunistischer und nationalsozialistischer Diktatur mit entsprechenden Folgen eine Demokratisierung in fast allen europäischen Staaten voran getrieben hat, um so überhaupt die Möglichkeit für eine Annäherung in Europa und gar eine Europäische Union und ein europäisches Parlament zu schaffen.
Der Autor Daniel Schönpflug hat in seinem Werk "Kometenjahre" den Prozess vom Ende des 1. Weltkrieges bis zum Beginn des "Dritten Reichs" anhand von einzelnen Schicksalen lebendig werden lassen. Dabei zeigt er die Hoffnungen und Enttäuschungen von völlig unterschiedlichen Persönlichkeiten, die alle in unterschiedlicher Weise vom Ausgang des 1.Weltkrieges betroffen sind.
Da sind die heimgekehrten Kriegsveteranen aus den USA, von denen Harry S. Truman sogar 33. Präsident der Vereinigten Staaten werden sollte, die Kosakin Marina Yurlowa, die in Russland gegen die Revolution kämpft, aber auch Käthe Kollwitz, die ihren Schmerz in ihrer Kunst abbildet, oder etwa der Lagerkommandant von Auschwitz, Rudolf Höß, ebenso Virgina Woolf und Walter Gropius und nicht zu vergessen die ehemalige Publizistin Louise Weiss, die als eine der ersten Abgeordneten im Europaparlament schließlich Alterspräsidentin auf Lebenszeit werden sollte.
Daniel Schönpflug zeigt anhand dieser Schicksale, was die Zeitenwende hätte bringen können und was sie tatsächlich gebracht hat, jedem Einzelnen und den Staaten insgesamt. So gelingt es dem Autor ein weitaus anschaulicheres Bild der Zeit zu zeichnen, seine Darstellung der Zeitgeschichte wird anhand der Personen plastisch gemacht. Der Leser bekommt einen unmittelbaren Eindruck der "Kometenjahre", er spürt wie sie vorüberziehen, um dann zu verglühen.
Anschaulicher kann Geschichte nicht dargestellt werden, denn Geschichte ist in erster Linie immer die Geschichte von Menschen und ihren Schicksalen in einer ganz bestimmten Zeit. Der Bezug der politischen und gesellschaftlichen Ereignisse in Hinblick auf das persönliche Erleben ist der Grund für die Spannung und das Interesse, die den Leser mitnehmen und auf sehr informative und anschauliche Weise Geschichte erleben und verstehen lässt.
Sehr empfehlenswert.
Peter J. König
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