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Rezension: Schizowirtschaft- Christian Scholz Joachim Zentes- Campus

"Wenn Mitarbeitern gesagt wird: "Ihr seid unser wichtigstes Kapital" und Mitarbeiter sehen, wie dieses Humankapital vernichtet wird, dann erleben sie ein unternehmerisches Schizo-Verhalten", (S.138) 

Autoren dieses Buches sind Christian Scholz und Joachim Zentes, zwei Professoren für Betriebswirtschaftslehre an der Universität des Saarlandes und Direktoren des Europa-Institutes der Universität. Gemeinsam leiten sie das dortige MBA-Programm. 

Im Klappentext steht ein bemerkenswertes Zitat aus dem Buch, das im Vorfeld schon  deutlich macht, worum es inhaltlich  geht: "Wir leben in einer Schizo-Wirtschaft, in der das eigene Handeln nicht den Normen entspricht, mit denen man das Handeln der anderen misst oder die man selbst angeblich einhält. Dies zeigt sich in unterschiedlichen Erscheinungsformen. Unternehmen, Mitarbeiter, Konsumenten, Politiker und Medienschaffende gleichermaßen liefern dafür viele Beispiele". 

Wie die Autoren bereits eingangs erwähnen, ist unsere Gesellschaft geprägt durch tiefgreifende Verwerfungen, Widersprüche und sogar Pathologien. So präsentieren sich Unternehmen in ihren Leitbildern nachhaltig. Allerdings gelingt es ihnen immer weniger, die komplexen Prozessketten mit zahlreichen Lieferanten, Vorlieferanten und Dienstleistern, die zumeist über den Globus verteilt sind, zu kontrollieren. Folge davon sind ökologische und soziale Missstände in den Wertschöpfungsketten. 

Das Schizo-Verhalten zeigt sich auch bei Konsumenten und zwar dann, wenn artikuliertes und faktisches Verhalten auseinanderdriften. Verbraucher geben sich in demoskopischen Umfragen als sozial und ökologisch orientiert und engagiert, hingegen in der realen Einkaufswelt verantwortungslos. Analog schaut es bei den Mitarbeitern, Medienvertretern, und Politikern aus. 

Die Autoren fassen zusammen: "Auf Unternehmensebene offenbaren sich Schizo-Situationen in Form von Systempathologien als Marktradikalitäten, Fehlanzeige und mangelnde Transparenz, auf der Konsumentenebene als übersteigerte Selbstsucht und auf der Mitarbeiterebene als zunehmende Entkoppelung“. 

Lt. der Autoren werden diese Systempathologien durch die Medien und Politik noch verstärkt und sind nur schwer aufzubrechen. Der Ansatz der beiden Professoren verkörpert sich  zunächst in Systemanalyse. Diese schließt die Widersprüchlichkeit und Gespaltenheit aller wesentlichen Akteure ein. Aufgezeigt wird wie sich das Schizo-Verhalten in Konzepten niederschlägt, welche entsprechenden Situationen und Konstellationen sich ergeben und welche dramatischen Konsequenzen entstehen. 

Umdenken ist gefragt und wie dies aussehen kann, wird im Buch aufgezeigt, dessen Untertitel nicht grundlos "Nur ein radikales Umdenken und Andershandeln kann uns helfen" heißt. 

Das Buch ist in vier Abschnitte untergliedert. Im 1. Abschnitt geht es um Verhaltensmuster der Beteiligten in der Schizo-Gesellschaft und hier beispielsweise um Verantwortung in Unternehmen, auch um Vertrauen etc. Merksätze wie "Wenn es nicht sämtlichen Akteuren gelingt, Vertrauen zu schaffen, wiederherzustellen oder zu erhalten, wird industrielle Wertschöpfung an Wertschätzung verlieren" verdeutlichen, worum es geht. 

Auch die Tatsache, dass die aktuelle Arbeitswelt nicht auf dauerhafte Bindung von Mitarbeitern angelegt ist, wird thematisiert. So sollen 24 % der Mitarbeiter sich bewusst schädigend verhalten, was mehr als nur zu denken gibt.

Im zweiten Abschnitt werden extreme Missstände und Skandale herausgegriffen, so etwa die Sklavenarbeit bei Dienstleistern. Hier dann auch kommt Amazon zur Sprache. Es wird auf die Schizo-Haltung der Konsumenten hingewiesen, auch jenes der Politiker und Medien, das verdeutlicht, weshalb Amazon sich so breit machen konnte. 

Im 3. Abschnitt dann werden Verhaltenspathologien aufgezeigt und hier verdeutlicht, dass komparative Kostenvorteile der Niedriglohnländer sich  aus unwürdigen Arbeitsbedingungen ergeben. Man liest über Outsourcing und Offshoring, auch über das dunkle Ende der Wertschöpfungskette und ist Seite für Seite ziemlich frustriert, was übersteigerte Selbstsucht als Systempathologie zu vernichten imstande ist. Es ist unmöglich im Rahmen der Rezension auf all das einzugehen. Im Grunde möchte man zumindest Merksatz für Merksatz hier zitieren, doch selbst dies würde den Rahmen sprengen. 

Der Paradigmenwechsel wird dann schließlich im 4. Abschnitt vorgestellt. Er besteht im definitiven Umdenken und in der konkreten Forderung an die Akteure zum Andershandeln. Wie das ausschauen könnte wird auch erläutert. So liest man u.a. "Andershandeln bedeutet, Teilen zum neuen Haben zu machen." (233) und erfährt auch mehr zum ethischen Konsum mit vollem Bewusstsein. 

Wenn das Denken im Buch Realität werden soll, dann müssen sich die Unternehmen grundlegend wandeln. Sie müssen Verantwortung wahrnehmen und zwar in ihrem eigenen Interesse. Doch auch alle anderen gesellschaftlichen Akteure müssen sich verändern in ihrem Verhalten, dann nur   ist eine neue Lebenswelt mit neuer Lebensqualität möglich.

Sehr empfehlenswert.

Helga König

Bitte klicken Sie auf den Link, dann gelangen Sie zu Campus und können das Buch bestellen http://www.campus.de/news/wirtschaft_und_gesellschaft_sind_ausser_rand_und_band-749.html. Sie können es aber auch direkt bei Ihrem Buchhändler um die Ecke ordern.


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