Autor dieses spannend zu lesenden Sachbuchs ist Dr. jur. Thomas Darnstädt. Er ist Jurist und Journalist mit den Schwerpunkten Polizeirecht, Bürgerrechte und Internationales Recht.
Im vorliegenden Buch wird der Prozess gegen die Nazi-Elite in Nürnberg zu Ende des 2. Weltkrieges breit angelegt, erörtert. Ausgangspunkt ist die Frage: Wie macht man richtig Frieden?
Nürnberg hat gezeigt, dass Frieden durch Recht ein sinnstiftender Weg sein kann. Dabei prägte der Hauptankläger im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess, #Robert_H._Jackson die Idee, dass die Völkergemeinschaft eine Instanz benötige, die eine Verletzung der Grundnormen ihres Zusammenlebens nicht ungeahndet lasse.
Der Washingtoner Historiker #Christopher_Simpson, der im Buch zitiert wird, beschreibt die Situation nach dem 2. Weltkrieg wie folgt "Nach dem damaligen Stand des Völkerrechts erschien die systematische Verfolgung der Juden und anderer, die in den Achsenstaaten eingeschlossen waren, tatsächlich als >legal<.“ Grund war eine Lücke im Kriegsrecht. Es handelte sich dabei, um das Nichterfassen der "Makrokriminalität", ein Phänomen der großangelegten Gewaltanwendung, die sich vom Krieg insofern unterscheidet, dass ihr Ziel der Selbstzweck ist. Die Nazis ermordeten die Juden nicht, um den Krieg zu gewinnen, sondern einzig um sie zu töten. Diese Rechtslücke galt es zu schließen und die Täter für ihr Tun zur Verantwortung zu ziehen.
Der Autor berichtet eingangs von den Überlegungen, wie die Alliierten zunächst planten, mit den kriegsverbrecherischen Nazis nach Kriegsende umzugehen. Hier auch liest man dann vom Westfälischen Frieden in Münster und Osnabrück und der damaligen Interpretation von Krieg als legitime Fortsetzung von Politik mit anderen Mitteln, wobei allerdings gewisse Regeln eingehalten werden mussten. Zu diesen Regeln zählte, dass der Krieg ordnungsgemäß erklärt und beendet wird.
Die Überlegungen aus dem Jahre 1648 fanden bis zu Hitler stets Anwendung, wenn Krieg geführt wurde. Hitler allerdings terrorisierte durch seinen Krieg ohne Regeln und Grenzen die Welt auf das Maßloseste. Er und seine Schergen überfielen Länder ohne Kriegserklärung und setzten auf die totale Vernichtung des Gegners. Weil dieser Souverän respektlos agierte und alles niedermachte, mussten ihm Grenzen aufgezeigt werden.
Erwähnt werden u.a. die Überlegungen zum Morgenthauplan, die man in dem Memorandum "Wie man Deutschland hindern kann, einen dritten Weltkrieg zu beginnen" vom 1.9. 1944 nachlesen kann. Darnstädt fasst sie in seinem Buch kurz zusammen und macht auch deutlich, weshalb man davon wieder Abstand nahm.
Nach dem Aufzeigen verschiedener Überlegungen wie man gegen die Nazi-Bande rechtlich vorgehen könne, wird man mit den Gedanken des amerikanischen Juristen Robert H. Jackson vertraut gemacht. Ihm allein es zu verdanken ist, dass am 1.10. 1946 neunzehn der führenden Mitglieder des Hitlerregimes als verantwortliche eines verbrecherischen Staatsapparates verurteilt wurden. So kam durch das Urteil des Internationalen Militärtribunals von Nürnberg die Wende eines jahrhundertealten unmenschlichen Völkerechts zustande, das den Staaten das Recht zusprach, Krieg zu führen, und Staatsführer sowie Kriegsherren freistellte von jeder Verantwortung für das Unheil, das sie über die Menschen gebracht hatten.
Ohne einen Juristen wie den eloquenten Anwalt Jackson wäre die Erklärung der Menschenrechte, das Gewaltverbot der Vereinten Nationen und die weltweite Ächtung des Völkermordes als Verbrechen nicht möglich gewesen. Für dessen Neuordnung der Welt war folgender Staftatbestand, den es bislang im Völkerrecht noch nicht gab, essentiell: "Das Verbrechen, welches alle geringeren Verbrechen einschließt" sei die "Einleitung eines unrechtmäßigen Krieges."
Jackson verdeutlichte, dass ein Angriffskrieg ein Verbrechen ist. Er, der amerikanischer Chefankläger des Internationalen Militärtribunals wurde, wollte keine Siegerjustiz, sondern ein Gerichtsverfahren, das nicht zum Schauprozess verkam.
Darnstädt stellt in seinem Buch die Hauptangeklagten vor und schreibt über deren verbrecherische Machenschaften in der NS-Zeit.
Drei Punkte hatte Jackson in seinem Entwurf ausgearbeitet:
Der Angriffskrieg
Das Kriegsverbrechen
Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Plan der Washingtoner Völkerrechtler war zudem "die Verurteilung der Naziorganisationen als "verbrecherische Vereinigung" zu entlarven. Dies nämlich hätte die Prozesse gegen Zehntausende von Mittätern, Mitläufern, Gehilfen und Spitzeln, Denunzianten und Menschenschindern vereinfacht. Massenprozesse dieser Art gab es in der Folge jedoch nicht, weil man die Weltgerechtigkeit letztlich wegen des nun herrschenden Kalten Krieges und der neuen Verbündeten beiseite schob.
Es führt zu weit, an dieser Stelle die rechtlichen Diskussionen und das Ringen der Juristen der Alliierten, die nicht immer einer Meinung waren, hier aufzuzeigen und auf Rechtsproblematiken einzugehen, die es zu klären galt. Spannend zu erfahren ist, wie die Ermittler in ganz Europa nach Beweisen suchten und die Nazidiktatur schließlich zur Strafsache machten. Im Diensttagebuch von Hitlers Generalgouverneur von Polen, Hans Frank sind auf 11.367 Seiten die Notizen eines Völkermords festgehalten. Dieses Tagebuch wurde Jacksons umfassendes Beweisstück- ein Kompendium des Zynismus und der Menschenverachtung. Frank hat dort pedantisch genau die Geschichte von Mord, Hunger und Massenausrottung niedergelegt.
Die Katastrophe des Zweiten Weltkrieges und die Hitlerbarberei machte der Welt deutlich, welche Rechtlosigkeit im Völkerrecht herrschte.
Vertiefen kann man sich in die Anklageschrift gegen 24 Nazihaupttäter und in die Erläuterung der einzelnen Anklagepunkte:
1. Verschwörung
2. Verbrechen gegen den Frieden
3. Kriegsverbrechen
4. Verbrechen gegen die Humanität
Anschließend erfährt man, was sich im Justizpalast zu Nürnberg damals ereignet hat. Jackson versuchte allen klar zu machen, dass es in jenem Gerichtssaal um mehr ging als um Recht, weil dem Jahrtausendverbrechen mit herkömmlichem Völkerecht nicht beizukommen war.
Immer wieder liest man von Beweisstücken und von diesem mörderischen Treiben, auch liest man von dem Bemühen der Amerikaner, die Wehrmacht in ihrem Kern als kriminelle Organisation zu entlarven. Namen wie Ohlendorf werden genannt und dessen Einsatztruppe D, die der 11. Armee zugeteilt war. Es handelte sich um eine Mörderbande, die 90 000 Menschen kaltblütig tötete.
Der Autor beschreibt wie Hitlers Helfer ihre Taten erklärten und man ist immer wieder von dieser Kaltschnäuzigkeit angewidert, mit der das braune Pack noch auf der Anklagebank ihr teuflisches Wesen offenlegte.
Thematisiert wird u.a. die Frage "Kann soldatische Pflichterfüllung auch die Ausführung verbrecherischer Befehle rechtfertigen?" und man liest in diesem Zusammenhang einen Bericht des Lagerkommandanten von Auschwitz, Rudolf Höß. Des Weiteren kann man sich u.a. mit den Verbrechen des Hermann Göring und den entsetzlichen Verbrechen des "Judenschlächters von Krakau", Hans Frank befassen. Doch auch Albert Speer ist ein Thema, der in Hitlers Auftrag für die Beschaffung von Zwangsarbeitern für die Kriegswirtschaft zuständig war.
Der Leser erlebt das Urteil, wird mit vielen Fragen konfrontiert, die mehr als nur nachdenklich stimmen. Darunter die Frage: "Sind Kriegsherren Kriminelle?" Man erfährt auch, wie die Todesurteile vollstreckt wurden am 16.Oktober 1946 und wie sich Göring dem Urteil durch Selbstmord entzog.
Die Urteile von Nürnberg, die nach 218 Verhandlungstagen gefällt wurden, sind das Ergebnis der "Nürnberger Prinzipien", die Jackson gestaltet hatte. So sollte fortan neues Unheil verhindern werden, wenn jeder Täter zukünftig damit rechnen musste, sich vor einem Weltgericht zu verantworten.
Man erfährt auch Näheres zu #Benjamin_Ferencz, der Chefankläger im Einsatzgruppen-Prozess war, einem der Nachfolgeprozesse im Rahmen der Nürnberger Prozesse nach dem Zweiten Weltkrieg. Der heute 94 jährige aktualisiert seine Homepage fast noch immer täglich und twittert seine Kommentare in die Welt. Soeben (17.5. 2015) habe ich zwei seiner Tweets verlinkt und ihm in Worten meinen Respekt ausgesprochen.
Was die Nürnberger Prinzipien bewirkt haben? Auch darüber erfährt man im Buch Wissenswertes, doch bitte lesen Sie selbst.
Sehr empfehlenswert
Helga König
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