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Rezension: Die Welt im Mittelalter- 1000Jahre Kriegsgeschichte

Als Pazifistin habe ich dieses Buch mit allergrößtem Interesse gelesen, weil mich interessiert, was Menschen seit Jahrhunderten dazu antreibt, Kriege zu führen, deren Ergebnis bekanntermaßen unsägliches Leid und verbrannte Erde sind. Welche Kampftechniken, kriegerischen Konflikte und militärischen Ziele hatten Kriegsherren im Mittelalter in Europa, im Mittleren Osten, in Zentralasien, in Indien, China und Japan im Auge, wenn dem Krieg huldigten?

Herausgeber des Buches ist Matthew Bennett. Er ist Mitglied der Royal Historical Society von England und Dozent an der Militärakademie Sandhorst. Das reich bebilderte Buch enthält sehr differenzierte Beiträge unterschiedlicher Historiker und eine lesenswerte Einleitung des Herausgebers.


Bei den Beiträgen handelt es sich um:

- Byzanz gegen Persien und den Islam, 530- 750, James Howard-Johnsen

-Von den Königreichen der Barbaren bis zum Reich der Karoliner, 500- 850, Roy Boss


-Neue Invasoren der Christenheit, 800-1066, Mathew Bennett

-Der Wiederaufstieg des Christenums und die Kreuzzüge im Osten, 1050-1250, John France

-Triumph der Nomaden: Mongolen, Mameluken und die späteren Kreuzüge, 1250-1400, Timothy May

-Die Deutschherren und die Nördlichen Kreuzzüge, 1200-1450, William Urban

-Die Herausforderung des Rittertums: Langbogen und Pike, 1275-1475, Michael Prestwich

-Die Osmanische Herausforderung: Die Eroberung Konstantinopels und der Vorstoß nach Europa, 1350-1550, Gabór Agoston

-Der Ferne Osten: Kriegswesen in China, Korea und Japan, 500-1500, T.A. Heathcote, Peter Lorge, Matthew Bennett und Karl Friday.

Bennett macht in der Einleitung deutlich, dass das Kriegswesen der Mittelalters 1000 Jahre umfasst und sich geografisch von der Atlantikküste bis zu den japanischen Inseln erstreckte. Die Konflikte innerhalb Westeuropas und die Kreuzüge standen in einem globalen Zusammenhang mit dem mongolischen Weltreich. Taktische und technische Neuerungen kamen aus der muslimen Welt ins Abendland. Der Herausgeber des Buches betont, dass im Zentrum der Kriegsführung stets die Logistik steht und erklärt auch, weshalb das so ist.

Ein Thema des Kriegswesens im Mittelalter waren die Festungen, Flotten spielten eine Rolle und die Kampfweisen. Von Bedeutung waren die Entwicklung von Waffen und Rüstungen und auch das Verhältnis zwischen verschiedenen Waffenarten und unterschiedliche Taktiken im Kampf.

In jedem Beitrag werden die Schüsselereignisse aufgelistet, es werden Probleme erörtet, Schlachten dargestellt und unendlich viele Fakten geliefert, die an dieser Stelle leider nicht wiedergegeben werden können, weil es den Rahmen der Rezension sprengen würde.

Interessant auch sind die Abbildungen von Waffen wie etwa der "Franciscas"- Wurfäxte-. Sie waren bei den Germanen sehr verbreitet und konnten sogar Rüstungen durchschlagen. Die typische Breitaxt, welche die Wikinger beim Kämpfen verwendeten, war auf einem 1,5 Meter langen Griff montiert. Mit dieser Streitaxt konnte man problemlos den Kopf seines Gegners abschlagen.

Circa 3500 Tote musste man bei der Schlacht auf dem Lechfeld im Jahre 955 beklagen. Wie sich die Schlacht ereignete und wie die Kriegsgegner auf dem Schlachtfeld formiert waren, kann man anhand der Schlachtpläne sehr gut nachvollziehen.

Spannend lesen sich die Beiträge zu die letzten Invasionen der Wikinger und zur westlichen Kriegführung. Aus Feinstahl angefertigte Schwerter waren zwischen 1050-1250 sehr teuer. Der Kriegsadel, der in der Lage war, sich kostspielige Rüstungen zu leisten, entwickelte Techniken, um hoch zu Ross zu kämpfen. Auch die Schlachtrösser waren nicht billig. Nach heutigem Geld kosteten sie 550 Euro. Neben den Reitern gab es das Fußvolk, deren übliche Waffe der Spieß war. Nur wenige besaßen Helme oder Schilde. Zum Fußvolk zählten die Bogenschützen. Einige besaßen eine Armbrust. Die Bolzen dieser Waffe vermochte sogar Rüstungen zu durchschlagen. Die Burgen waren nach Niederlagen Zufluchtsorte. Deshalb folgte nicht selten dem Sieg auf dem Feld eine Belagerung der Burg.

Ausführlich wird man militärstrategisch über den 1. Kreuzzug (1096-1099) unterrichtet. Raimund von Aguilers schreibt über das Massaker auf dem Tempelberg nach der Eroberung von Jerusalem im Jahre 1099 "Im Tempel und im Hof Salomons ritten die Männer bis zu den Knien und zum Zaumzeug der Pferde in Blut." Man lernt die Burg Krak des Chevaliers kennen, die als "Knochen im Hals des Islam" bezeichnet wurde. In diesem Zusammenhang liest man auch von einem neuen Burgtyp, den die Kreufahrer entwickelten. Von der höheren inneren Burg aus unterstützten die Bogenschützen die Verteidiger der äußeren Mauern. Krak ist eine klassische Burg diesen Typs.
Mit großem Interesse habe ich den Beitrag William Urbans über die Deutschherren und die nördlichen Kreuzzüge zwischen 1200 und 1450 gelesen und mich in diesem Zusammenhang über die Burgen des Deutschen Ritterordens informiert, die teilweise zu riesigen Befestigungsanlagen ausgebaut waren. Die Kreuzfahrerheere haben sich in den Grenzfestungen in Königsberg oder Ragnit in Preußen aber auch in Dünaburg und Goldingen in Lievland gesammelt. Auf den Feldzügen lebten die Heere vom Raub an der Bevölkerung. Die Dörfer wurden in der Regel niedergebrannt, die Felder verwüstet und die Garnisonen naher Burgen ausgehungert,(vgl.: S. 148).

Die Kreuzfahrer verfügten über neueste militärische Technologie. Diese lernt man auf S. 149 näher kennen. Die berühmte "Schlacht bei Tannenberg" wird ausführlich geschildert und man kann anhand von Schlachtplänen die Aufstellungen der Heere gut nachvollziehen.


Der "Hundertjährige Krieg" kommt auch zur Spache und es wird unterstrichen, dass unterschiedliche Kriege unterschiedliche Strategien erfordern. Neben den Strategien gibt es zudem unterschiedliche Taktiken, die mitunter weit mehr zum Sieg beitragen als die strategischen Planungen. Ein gutes Beispiel hierfür ist dieser "Hundertjährige Krieg".

Die effektivsten und erfolgreichsten Soldaten des späten Mitelalters waren die Schweizer. Ihre Erfolge beruhten auf der klugen Wahl der Schlachtfelder. Die Schweizer Siege waren nicht das Werk eines einzelnen Kommandanten, sondern vielmehr eines Kollektivs, (vgl: S.187). Schweizer Söldner waren zwischen 1300-1500 in ganz Europa begehrt. Bei Ihren Erfolgen waren weniger die Handfeuerwaffen, über die sich auch verfügten, schlachtentscheidend, sondern der Einsatz langer Reihen von Pikenieren.


Frauen, so macht Michael Prestwich klar, spielten in Kriegen nur selten eine aktive Rolle. Im 15. Jahrhundert kommandierte zwar Catarina Sforza Garnisonen und Heere und in den Hussitenkriegen halfen Frauen bei der Verteidigung der Festungsanlagen von Prag. Es waren aber die Ausnahmen. Kriege waren immer Angelegenheiten von Männern und sie sind es heute noch. Das sollte uns zu denken geben.

Ich wundere mich, was Männer sich alles ausdachten, um sich erfolgreich der Fleischtöpfe anderer Völker zu bemächtigen oder Ideologien und religiösen Vorstellungen hochaggressiv durchzusetzen. Wie würde unsere Welt ausschauen, wenn all die negativen Energien kanalisiert worden wären und zwar hin zu positivem, kreativen Tun?


Ein sehr erhellendes Buch.