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Die Politik der Demütigung- Ute Frevert- Schauplätze von Macht und Ohnmacht-S. Fischer

#Ute_Frevert, die mehrfach ausgezeichnete Autorin dieses Werkes zählt zu den wichtigsten deutschen Historikern. Sie hat Neuere Geschichte in Berlin, Konstanz und Bielefeld gelehrt, war Professorin an der Yale Universität und leitet seit 2008 den Forschungsbereich "Geschichte der Gefühle" am Max -Planck Institut für Bildungsforschung in Berlin.

Im vorliegenden Buch verdeutlicht sie wie sich #Demütigung als Machtmittel im Laufe der letzten 250 Jahre verändert hat. Die Autorin fragt, woher das Bedürfnis, andere Menschen, sogar die eigenen Kinder vorzuführen und öffentlich bloßzustellen, kommt. Sie möchte wissen, welchen Zweck und welche Wirkungen solche Beschämungen entfalten und weshalb sie sogar in Gesellschaften verbreitet sind, die Würde und Respekt groß schreiben. In diesem Zusammenhang fragt sie, ob hier tatsächlich das "finstere Mittelalter" fortlebt oder ob die aufgeklärte Moderne eigene Beschämungsenergien mobilisiert und neue Demütigungspraktiken erfindet.

In der öffentlichen Beschämung werde stets Macht demonstriert. Das geschieht, indem der Beschämende andere Menschen vor Augenzeugen in die Knie zwingt, um auf diese Weise seine herausgehobene Position zu bekräftigen. Scham sei eine soziale, interpersonale Emotion. Deshalb findet das Drama von Macht und Ohnmacht, Scham und Schande, Täter und Opfer stets auf öffentlichen Schauplätzen statt. 

Für den Philosophen Avishai Margalit, den Frevert u.a. in ihrem umfangreichen Werk erwähnt, zeichnet sich eine anständige Gesellschaft dadurch aus, dass ihre Institutionen Menschen nicht demütigen und deren Würde achten. 

Heutige Gesellschaften nutzten Beschämung und Demütigung als soziale und politische Machttechnik. Indem eine Person öffentlich vorgeführt wird, wird sie symbolisch aus der Gruppe ausgeschlossen und bestraft. Demütigungen lassen sich als Praktiken der Nichtachtung begreifen. Ziel sei die Zerstörung jeglicher Ehre und Achtung, einschließlich der Selbstachtung. "Geltungswert" und "Achtungsanspruch" sind nur schwer wieder herstellbar nach einer öffentlichen Beschämung oder Demütigung. Das unterscheidet diese von Beleidigungen. Letzteren fehle das Element der Macht, zudem der sanktionierende Charakter. 

Scham als soziokulturelle Konvention erlernen Kinder von ihren Bezugspersonen dadurch, dass sie diese beobachten, sie von diesen angeleitet oder korrigiert werden. Frevert klärt in drei großen Abschnitten auf, wie im Laufe der Geschichte Demütigung als wirkungsvolles Machtmittel gesellschaftlich und politisch eingesetzt wurde. Von Schand- und Ehrenstrafen in der frühen Neuzeit über den "Symbolischen Pranger" im Nationalsozialismus, hin zu den öffentlichen Beschämungen im Hier und Heute, aber auch in der Sprache der Demütigung in der internationalen Politik werden eine Fülle von Fakten und Praktiken der Beschämung ausgebreitet, die bekunden, wie Menschen  bzw. Regime handeln, die andere um jeden Preis dominieren wollen. Das Internet bietet unerschöpfliche Möglichkeiten der Demütigung Dritter an. Dies sollte zu denken geben.

Die Tatsache, dass die Menschenwürde hierzulande ein Rechtsgut ist, hindert Ellenbogenmenschen in unserer Gesellschaft nicht, sich mit dem Mittel der Demütigung durchsetzen zu wollen. Sich deren abgründige Absichten bewusst zu machen- das Buch hilft dabei- ist eine sinnstiftende Möglichkeit, einer auf  Anerkennung und Respekt basierenden Gesellschaft den Weg zu ebnen.

Sehr empfehlenswert,

Helga König

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Die Politik der Demütigung: Schauplätze von Macht und Ohnmacht

Rezension: Lob der Macht- Rainer Hank- Klett-Cotta

Autor dieses Buches ist der mehrfach ausgezeichnete Wirtschaftsjournalist #Rainer_Hank. Er ist seit 2001 Leiter der Wirtschafts- und Finanzredaktion der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. 

In der vorliegenden Publikation befasst er sich ausgiebig mit dem Phänomen der Macht, um schließlich für ein neues, unverkrampftes Verhältnis zur Macht zu plädieren. In seiner Machtbeschreibung macht er deutlich, dass Macht Raum benötigt, sie verkörpert werden muss und zur Repräsentation erzwingt. Macht sei stets mehr als eine Idee, sie  sei immer sichtbare Realität. Dabei ist sie stets auf Akzeptanz angewiesen. Insofern sei Populismus eine notwendige, wenngleich noch nicht hinreichende Voraussetzung jeder Machtpolitik. 

Macht, die meine, sich solipsistisch und ausschließlich egoistisch durchsetzen und verteidigen zu können, werde mit Sicherheit scheitern. Macht könne man sich nicht nehmen, man bekomme sie verliehen. Hank belegt dies an Beispielen. 

Bei allem sei sich Macht ihrer selbst nicht sicher, insofern eine riskante Angelegenheit. Macht sei zudem bestreitbar und werde unablässig bestritten.

Davon ausgehend, dass Macht weder gut noch böse sei, betrachtet der Autor sie als bloße Wirklichkeit, die es gerade in ihrer Ambivalenz anzuerkennen gelte. Macht halte weder etwas von Moral noch von Recht. Versuche sie ihnen unterzuordnen müssten scheitern, weil Macht ihr eigenes Reich und Recht beanspruche. Sie bediene sich unterschiedlicher Mittel sich durchzusetzen, so etwa des Neides, der Rache aber auch einfühlender Empathie. Jedes Mittel, das zielführend sei, sei ihr recht. Wer Macht anstrebt, benötige ein gerütteltes Maß an Selbstüberschätzung, komme am raschesten zum Erfolg, wenn er seinen Machttrieb moralisch tarnt, liest man und darf sich anhand von Beispielen von dieser und anderen Thesen im Buch überzeugen. 

Man lernt namhafte Machtbiographien aus der Wirtschaft kennen, so etwa jene von Thomas Middelhoff, Martin Winterkorn und Ferdinand Piech. Zudem reflektiert Rainer Hank Fortune im Zusammenhang mit Macht und zeigt, dass sie nicht selten als Entlastung herhalten muss, um eigenes Versagen im Machtkarussell zu relativieren. 

Ohnmacht ist  logischerweise  auch ein Thema. Hier wird auch zur Sprache gebracht, dass sie Anstoß zur Emanzipation sein kann und es wird daran erinnert, dass der Mächtige und der Machtlose in einem symbiotischen Verhältnis wechselseitiger Abhängigkeit stehen, das letztlich beiden schadet.

Mit Geld- es ist die Brechstange der Macht - ist es möglich in einer Marktwirtschaft Macht zu kaufen. Geld ist der Hebel, der auf den Finanzmärkten dazu dient, den Einsatz und damit Macht zu vervielfältigen. 

Hank zeigt, wieso Utopien der Machtlosigkeit scheitern müssen. Der Autor erwähnt hier Thomas Morus und dessen Utopie, aber auch Francis Bacon, um die Problematik aufzuzeigen. 

Für den Wirtschaftsjournalisten der FAS ist eine Macht-Gesellschaft, in der alles auch anders sein kann (gemeint ist eine Gesellschaft, in der es Wettbewerb gibt) der Gesellschaft der Machtlosigkeit vorzuziehen. Sofern der Preis der Utopie der Machtlosigkeit ein System der Unterdrückung sei, könne man am Ende nur ein Loblied auf die Macht anstimmen. 

Ich möchte dieser Meinung weder zustimmen, noch sie verneinen, sondern sie einfach so im Raum zur Diskussion stehen lassen. 

Lesenswert ist das Buch sehr, obschon mir der Titel überaus provokant erscheint. Doch offenbar ist genau dies gewollt. 

Empfehlenswert für alle, die begreifen möchten wie und warum Macht funktioniert und weshalb es Argumente gibt,  mit ihr entspannt umzugehen.

Helga König

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Rezension: Die Aufklärung- Johann Saltzwedel (HG.)- Das Drama der Vernunft vom 18. Jahrhundert bis heute- DVA

Herausgeber dieses Buches ist der SPIEGEL-Redakteur Johann Saltzwedel. Er lässt im hier vorliegenden Werk eine Vielzahl von Spiegelautoren und Historiker zu Wort kommen, die die Epoche der Aufklärung in ihrer ganzen Vielfalt und Vielstimmigkeit darstellen. 

Untergliedert sind die Texte in vier Kapitel 

1. Vom Glauben zur Erkenntnis 
2. Vernunft für eine bessere Welt 
3. Neugierde und Sensibilität 
4. Das Erbe der Epoche 

Den vier Kapiteln vorangestellt sind das Vorwort und die Einleitung des Herausgebers. 

Für die Aufbruchstimmung der Epoche der Aufklärung war kritisch- unbefangenes Fragen entscheidend. Einigkeit bestand seitens der europäischen Intellektuellen in den Zielen: religiöse Toleranz, Bildung möglichst vieler Menschen, freie öffentliche Diskussion um die besten Argumente und Methoden, bürgerliche Solidarität anstelle von Fürstenwillkür und Untertanengeist, Vernunft und Selbstdisziplin zum Wohle nicht nur eines Landes, sondern vielmehr globaler Humanität, so Saltzwedel. Umstritten blieb, wie sich die Ideale realisieren ließen und wo der Schwerpunkt zu lokalisieren war. Die Grundfragen nach Vernunft und Humanität, Menschlichkeit und Natürlichkeit, um die damals gerungen wurde, sind leider noch immer unbeantwortet.Von daher bedeute Aufklärung zu studieren und sie stets aufs Neue zu betreiben.

Unmöglich hier die vielen Beiträge zu benennen. Nicht unerwähnt lassen möchte ich aber  das Interview, das Johannes Saltzwedel mit dem Historiker Prof. Dr. Martin Muslow führte, der den Untergrund radikaler Aufklärer erforscht, die für ihre Überzeugung ihre Existenz riskierten. Erwähnen auch möchte ich natürlich die "Encyclopédie", in der das gesamte Menschheitswissen versammelt werden sollte. Saltzwedel nennt es das wirkungsvollste intellektuelle Unternehmen der Aufklärung und sieht darin den Vorboten zur Revolution. 

Man liest von Denis Diderot, der gemeinsam mit 140 Dichtern, Denkern, Mathematikern, Ärzten und Philosophen an der "Encyclopédie" arbeitete. Die Obrigkeit und die Zensurbehörden reagierten mit Verboten und Schikanen, doch sie vermochten das Kompendium der Aufklärung nicht zu verhindern und so wurde es zum Vorboten der Revolution. Denis Diderot verfasste selbst rund 5000 Artikel. Er starb übrigens 5 Jahre vor dem Sturm auf die Bastille. 

Auch Rousseau ist ein Thema im Buch. Wie kaum ein anderer hat er die Zivilisation kritisiert. Der "Visionär reiner Menschlichkeit" wie Romain Leick ihn nennt, war unter den Aufklärern ein Außenseiter. Man liest über Rousseaus Erziehungsroman "Émile", ein Buch, das in Paris veröffentlicht und in Genf verbrannt wurde und erfährt, dass der Außenseiter zugleich modern wie antimodern war, ein Utopist und ein Kulturpessimist, vor allem jedoch der träumende Verkünder der natürlichen Güte der Menschen- und der Entdecker des Kindes.

Lessing soll ein Musterfall eines Aufklärers gewesen sein. Für ihn war Aufklärung Suche. Er dachte sie radikal als Prozess, schreibt C-F Berghahn. Man liest u.a. über Lessings aufklärerische Ästhetik und natürlich über sein letztes Stück "Nathan der Weise"- Hier hat er die großen Themen seines Lebens gebündelt und unter dem Leitmotiv der Toleranz zusammengeführt. 

Freiherr von Knigge übrigens soll ein umtriebiger Weltverbesserer gewesen sein. Über ihn informiert Angela Gatterburg. Sie hat zudem auch über die Freimauer geschrieben, deren Ursprünge im Mittelalter liegen. Lessing, Goethe und auch Mozart gehörten diesem Geheimbund an, der offenbar auch aufklärerische Elemente besaß. 

Der Göttinger Experimentalphysiker Georg Christoph Lichtenberg war wohl einer der größten Geister der Spätaufklärung und bekannt für seine Aphorismen. Seine Vorlesungen sollen stets überlaufen gewesen und es sollen Gelehrte aus halb Europa zu ihm nach Göttingen gepilgert sein. Ganz ähnlich wie zum wichtigsten Anreger der bürgerlichen Aufklärung in Deutschland, dem Philosophen Immanuel Kant, über den Alexander Kosenina schreibt.

Das wunderbare Buch hilft dabei zu begreifen, weshalb Aufklärung ein Prozess ist, der vermutlich niemals aufhört, solange es Menschen gibt. 

Johann Gottfried Herder sagt nicht grundlos: "Alle Aufklärung ist nie Zweck, sondern immer Mittel; wird sie jenes, so ist's Zeichen, dass sie aufgehört hat, dieses zu sein."

Zweck kann im Grunde nur die Humanität sein, ein Ziel das noch sehr viel Aufklärung nötig hat, wie wir alle wissen.

Empfehlenswert 

Helga König

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Die Aufklärung: Das Drama der Vernunft vom 18. Jahrhundert bis heute - Ein SPIEGEL-Buch

Rezension: Der große Ausbruch- Von Armut und Wohlstand der Nationen- Angus Deaton Klett-Cotta

Angus Deaton ist Professor für Wirtschaftswissenschaften in Princton. Für seine Analysen von Konsum, Armut und Wohlfahrt erhielt er 2015 den Nobelpreis für Wirtschaft. Im vorliegenden Buch berichtet er wie der Wohlstand langsam zunahm, wie und weshalb es zu Fortschritten kam und wie sich im Anschluss daran das Wechselspiel zwischen Fortschritt und Ungleichheit gestaltete. 

Wenn Deaton über Freiheit spricht, dann meint er die Freiheit, ein gutes Leben zu führen, um Dinge zu tun, die das Leben lebenswert machen. Der Autor unterstreicht, dass der Mangel an Freiheit gleichbedeutend mit Armut, Entbehrung und schlechter Gesundheit sei. Besagtes Schicksal erleiden leider immer noch ein empörend hoher Prozentsatz der heutigen Weltbevölkerung. 

Vor etwa 250 Jahren begann die Menschheit die Ketten von Tod und Entbehrung zu sprengen, so der Nobelpreisträger. Diese Befreiung dauere bis heute an. 

Deaton macht deutlich, dass der gesundheitliche Fortschritt Gesundheitsungleichheiten erzeugt und zwar in der Weise wie der materielle Fortschritt Lebensstandards immer weiter auseinanderklaffen lässt. 

Das  sehr faktenreiche Buch ist in drei Teile untergliedert: 

Teil I Leben und Tod 

Teil II Geld 

Teil III Helfen 

Diesen Teilen vorgeschaltet ist die Einleitung und ein Kapitel, das die Überschrift "Wohlbefinden – eine globale Bestandsaufnahme" trägt. 

Teil I befasst sich mit dem Thema Gesundheit. Hinterfragt wird, auf welche Weise die Vergangenheit noch immer unseren heutigen Gesundheitszustand prägt, weshalb die Hunderttausende von Jahren, die die Menschen als Jäger und Sammler verbrachten, für das Verständnis unseres heutigen Gesundheitsstatus von Bedeutung sind und weshalb die Revolution der Sterblichkeit, die im 18. Jahrhundert ihren Anfang nahm, Maßstäbe setzte, die sich in den heutigen Fortschritten im Bereich der Gesundheit widerspiegeln. 

Teil II  reflektiert die materiellen Lebensstandards. Dabei betrachtet der Autor die Lebensstandards in der Welt gesamt. Hier zeigt sich ein Rückgang der globalen Armut seit 1980, dessen Ursachen im Wirtschaftswachstum von China und Indien begründet liegen. Trotz dieser Tatsache leben allerdings nach wie vor 1 Milliarde Menschen in furchtbarer Armut. Den "Ausbruch", um den es Deaton  als Verwirklichung eines alten Menschheitstraums (Paradies auf Erden) geht, haben demnach leider noch immer nicht alle geschafft.

Teil III Hier geht es darum, aufgrund der Befunde der vorhergehenden Kapitel, was zu tun und zu unterlassen ist, um die Armut und die Krankheiten weltweit zu bekämpfen. Deaton sieht eine moralische Verpflichtung für alle Menschen darin, die in wohlhabenden Ländern geboren werden, allen zu helfen, die Armut und Krankheit noch nicht entkommen sind. Die Chancen stehen nicht schlecht trotz vieler Gefahren, die unserer Zivilisation drohen, vor allem der Klimawandel, für den es noch keine klare, politisch umsetzbare Lösung gibt. 

Das Bildungsniveau wird weltweit steigen und so wird die Wahrscheinlichkeit trotz aller Rückschläge und Hindernisse immer größer, dass die Menschheit sich in ihrer Gesamtheit von Armut und Krankheit befreien wird. Voraussetzung allerdings ist Fairness und Offenheit derer, die bereits befreit sind. Handelshemmnisse aufzuheben ist eine wichtige Maßnahme, um in der gesamten globalisierten Welt Wohlstand und Gesundheit zu ermöglichen.

Prof. Dr. Angus Deaton in seinen Empfehlungen zu folgen, heißt sinnstiftend zu handeln.

Empfehlenswert

Helga König

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Der große Ausbruch: Von Armut und Wohlstand der Nationen

Rezension: Digitale Erschöpfung- Wie wir die Kontrolle über unser Leben wiedergewinnen-Markus Albers- Hanser

Markus Albers, der Autor dieses Buches ist Mitbegründer und Geschäftsführender Gesellschafter von Redthink als auch der Beratungsplattform Neuwork. Albers hat bereits zwei Bücher geschrieben, zu denen er Vorträge hält, zudem moderiert er Panels und Workshops und schreibt Kolumnen. 

Thema der vorliegenden Publikation ist unsere neue Arbeitswelt, die nicht nur sehr stressig ist, sondern offenbar auch Zeit raubt für ruhiges, besonnenes, effektives Arbeiten. 54 Prozent aller Berufstätigen in Deutschland arbeiten nach einer aktuellen Studie "teilweise oder ausschließlich" mobil. Ihre Arbeiten erledigen sie von wechselnden Orten aus bzw. auf Reisen. Dabei nutzen sie Laptops (97%), Smartphones (93%), oder aber Tablets (62%). 

Die Entwicklung zeigt: Es ist davon auszugehen, dass die Präzenskultur am Arbeitsplatz ausstirbt. Mittlerweile hat sich herumgesprochen, dass die Anwesenheit am Arbeitsplatz keine Qualifikation und kein Leistungsnachweis sind.

Die neue Art des Arbeitens führt zum sogenannten Multitasting, d.h. mehrere Aufgaben werden gleichzeitig erledigt und das überfordert lt. Digital Work Report nahezu jeden zweiten Deutschen. 40 Prozent der Befragten klagten über zu viele E-Mails; 35 Prozent über zu viele ineffiziente Meetings, so Albers. 

Die vormalige Hoffnung, dass Technologie ein besseres Leben ermöglicht, weicht mittlerweile der Ernüchterung. Digitale Erschöpfung im Buch meint die konkrete, individuelle Erschöpfung, die das Always-On des Digitalen in uns Menschen auslöst, zugleich aber auch die abstrakte, begriffliche eines in sich erschöpfenden Heilsversprechens. 

Der Autor zeigt auf, wie man trotz der unumkehrbaren Digitalisierung unserer Arbeitswelt und in der Folge unseres gesamten Lebens Inseln der Autonomie, der Introspektion und des unverstellten menschlichen Miteinanders zurückerobert. Das macht er übrigens sehr gut.

Untergliedert in zwei große Abschnitte, lernt man zunächst die Irrwege in Zeiten der Digitalisierung kennen, um anschließend auf eine Vielzahl von Auswegen hingewiesen zu werden, die wieder sinnstiftendes Leben und Arbeiten ermöglichen. Man erfährt mehr über das sogenannte neue Arbeiten und was deren Befürworter konkret wollen. Dem Wunsch der Arbeitnehmer von überall arbeiten zu dürfen, wird dadurch nachgegeben, indem alle Arbeitsprozesse digitalisiert werden und jeder extern digital auf die Daten zugreifen kann. Die Folge: Neue Büros benötigen weniger Einzelräume und mehr Großräume, mehr Räume für zufällige Begegnungen. 

Wichtig sind neue Kommunikationstools: digitale Kollaborationsplattformen und Projektmangement-Software, Filessharing-Tools, firmeninterne Social Netwoorks, Meeting-Software. Dieses System sollte dann auf allen Hierarchieebenen gelebt werden. 

Man liest über das Verhaltensmuster von Smartphonebesitzer, die 88 Mal am Tag im Schnitt ihr Handy einschalten und etwa 2,5 Stunden an diesem Gerät zubringen, jedoch nur etwa 7 Minuten davon telefonieren.  Damit gilt es, sich auseinanderzusetzen.

Albers beleuchtet u.a. das Thema "Kollaboration"  und resümiert, dass diese nicht selten der Feind von Konzentration sei. Entschleunigen und sich in Achtsamkeit zu üben,  verbessert die Fähigkeit sich zu konzentrieren. Keiner muss ständig online sein, keiner muss pausenlos kollaborieren. 

Sehr gut werden im 2. Teil des Buches die Auswege aus dem Erschöpfungszustand beschrieben und individuelle Strategien benannt, so etwa zu bestimmten Zeiten das Gerät auszuschalten, die Komplexität zu reduzieren, die Technik klug einzusetzen, Meetings und Verabredungen auf Sinn überprüfen, bevor man zusagt, neben der To-do-Liste auch eine Not-To-do-Liste pflegen, Arbeiten klüger zu organisieren und anderes mehr. 

Die Kommunikationsgesellschaft muss lernen mit den Kommunikationsmitteln weniger besessen umzugehen, wenn sie sich nicht verzetteln möchte. Sich ständig abzulenken, führt zu paralysiertem Verhalten und zu Frustration. Kreativ und zufrieden kann nur der sein, der Zeit findet, sich mit einem Thema ungestört zu befassen und nicht ständig mit seinen Augen und Händen woanders ist. 

Empfehlenswert
Helga König

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Digitale Erschöpfung: Wie wir die Kontrolle über unser Leben wiedergewinnen