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Rezension: Die Ottonen und das Konzept eines vereinten Europas- Robert F. Barkowski

Robert F. Barkowski ist der Autor dieses hoch-interessanten, bebilderten Buches, das allein schon des Titels wegen neugierig macht. 

Wie der Autor die Leser wissen lässt, war die Epoche der Ottonen von herausragenden Persön-lichkeiten geprägt, die sich mit hohem Einsatz bemühten, Staatsgebilde zu konstruieren, die mit einer zentralen Macht eine politische, administrative, kulturelle und religiöse Einheit garantieren vermochten. Diese Bemühungen rief aber auch Widersacher auf den Plan, wodurch eine konfliktreiche Phase der feudalen Zersplitterung einsetzte. 

Es waren die Ottonen, die ein viele Völker vereinendes Reich schufen. Benannt wurde die Dynastie nach ihrem ersten Kaiser Otto dem Großen. Sie endete mit Otto III., seinem Enkel, der keine Nachkommen hatte. 

Man erfährt im Buch zunächst Wissenswertes über Europa im 9. und 10. Jahrhundert und wird über Heinrich I., Otto I., II. und III. sowie Heinrich II. und das Ende der Ottodynastie aufgeklärt. Des Weiteren im Fokus steht Kaiserin Theophanu, die berühmte Prinzessin aus Byzanz, die als Gemahlin Otto II. Mitkaiserin des Ottonenreichs wurde. 

Es führt zu weit, auf Einzelheiten des gut strukturierten Buches einzugehen, das sich speziell wegen des Leitbildes eines friedlichen, europäischen Staatensystems, das damals möglicherweise entstand, als nicht uninteressante Lektüre erweist.

Rezension: Warum die Sache schiefgeht- Karen #Duve

Karin Duwe ist eine Autorin von beeindruckender Intelligenz. Das beweist sie in ihrem Essay "Warum, die Sache schiefgeht- Wie Egoisten, Hohlköpfe und Psychopathen uns um die Zukunft bringen."

Freunde wird sich die Autorin in den Vorstandsetagen mit ihrer Streitschrift nur wenige machen, denn bis zum heutigen Tage sind Boten schlechter Nachrichten nicht sonderlich beliebt.

Duwe wartet in ihrem Buch mit vielen Fakten auf, die dokumentieren, dass der globale Kollaps nicht zu verhindern ist, sofern wir unseren Lebensstil nicht umgehend ändern. Dabei spricht sie von einem ungezügelten Generationsimperialismus, der durch bestimmte Verhaltensmuster in den Chefetagen vorangetrieben wird. 

Wie Duwe eingangs bereits festhält, wird weiteres Wirtschaftswachstum nur noch kurzfristig zu mehr Wohlstand führen, langfristig jedoch  "zu mehr Klimaerwärmung, mehr Müll, mehr Hunger, mehr Dürrekatastrophen, mehr Waldbränden und mehr Überschwemmungen." Die Ausbeutung der Ressourcen, das Artensterben und die Überbevölkerung sind neben anderen Faktoren jene, die den Kollaps beschleunigen. 

Ein Grundproblem, dass es zu dieser Entwicklung gekommen ist, scheinen Personen in Chefetagen und in höchsten Ämtern zu sein, die man als Psychopathen bezeichnen muss. Duwe erwähnt den amerikanischen Wirtschaftspsychologen Paul Babiak, der ermittelt hat, dass der Anteil an Psychopathen bei US- Managern bei 8 % liegt. Das bedeutet, dass es ansonsten nur noch in den Hochsicherheitstrakten amerikanischer Gefängnisse eine höhere Psychopathen-Dichte gäbe.

Kerneigenschaften von Psychopathen sind kompromissloser Eigennutz und Skrupellosigkeit und der hemmungslose Gebrauch anderer Menschen.  Duwe schreibt von typischen psychopathischen Verhaltensmustern wie beispielsweise einem grandiosen Selbstwertgefühl, Überzeugungskraft, oberflächlicher Charme, Rücksichtslosigkeit, fehlende Reue und die Fähigkeit andere Menschen zu manipulieren. Diese Eigenschaften werden in Führungskreisen der Wirtschaft  eher positiv gesehen, was leider zu sehr negativen langfristigen Folgen auf unserer Erde führt. 

Psychopathische Verhaltensweisen werden nicht selten mit Alphatierverhalten in der Wirtschaft verwechselt, weil emotionale Defizite wie Leichtsinn, Selbstüberschätzung, Rücksichtslosigkeit und kaum vorhandenes soziales Interesse mit den gewünschten Unternehmertugenden Risikobereitschaft, Selbstvertrauen, Durchsetzungsfähigkeit und unbegrenztem Einsatzwillen gleichgesetzt werden. Eine fatale Fehleinschätzung!

Solange Psychopathen ihr zerstörerisches Verhalten in den Dienst einer Firma stellten und rücksichtslos Gewinne einbrächten, würden sie als effiziente Mitarbeiter gefeiert, doch der Schaden den Psychopathen volkswirtschaftlich anrichten, ist so extrem, dass mittlerweile bereits Persönlichkeitstests für die Auswahl von Führungskräften gemacht werden, die bestimmte psychopathische Charaktermerkmale herausfiltern, aber bedauerlicherweise nicht alle.

Leider verhielte es sich  immer noch so, dass  Schamlosigkeit, Rücksichtslosigkeit und die Abwesenheit von Mitleid die Grundvoraussetzungen dafür seien, eine Spitzenposition zu besetzen. Duwe zeigt Beispiele auf, so etwa in der Finanzwirtschaft, die dokumentieren, was geschieht, wenn man der Gier freien Lauf lässt. Managertugenden wie "Risikobereitschaft" werden unter die Lupe genommen und immer wieder stellt Duwe Überlegungen an, wie bestimmte Verhaltensmerkmale sich negative auf verantwortliches Handeln auswirken können. 

Auch Selbstvertrauen thematisiert sie und beleuchtet das Problemfeld der multiresistenten Keime ausgiebig, ähnlich ausführlich wie sie zuvor schon  die Risikoeinschätzung von Teilchenbeschleunigung in Augenschein genommen hat. Bereits jetzt sterben jedes Jahr 37 000 Europäer an Infektionen mit multiresitenten Keimen und die europäische Gesundheitsbehörde hält besagte Keime für die bedeutendste Krankheitsbedrohung in Europa. Die Agrarindustrie schert dies offenbar wenig. 

Bedrohliche Veränderungen allerorten sind das Ergebnis der Gier von Psychopathen in Führungsetagen. Das scheint nach der Lektüre des Buches gewiss. Einhalt geboten werden könnte all dem wohl nur mittels striktem Umsetzen eines neuen Wertebewusstseins und der Erkenntnis, dass Psychopathen und Soziopathen in den Führungsetagen der Wirtschaft und Politik nichts, aber auch gar nichts verloren haben, denn hier sollte Verantwortungsbewusstsein oberstes Gebot sein..

Empfehlenswert.

Helga König

Rezension Peter J. König: Sven Kuntze Die schamlose Generation C. Bertelsmann

Der Fernsehjournalist und Buchautor Sven Kuntze, vielen von uns noch bekannt als WDR-Korrespondent in New York und Washington, aber auch als Moderator des ARD-Morgenmagazins hat nach seinem Eintritt in den Ruhestand mitnichten sich unter südlicher Sonne zurückgezogen. Als freier Journalist und Moderator in Berlin nahm er sich unter anderen eines Themas an, das in zunehmendem Maß unsere Gesellschaft vereinnahmt und bestimmt. Es ist das Alter in seinen unterschiedlichen Facetten, das Sven Kuntze, Jahrgang 1942 thematisiert. 

Für seine Reportage-Alt sein auf Probe- einen Bericht über seine Erfahrungen im Altenheim, das er probeweise für einige Wochen aufgesucht hatte, wurde er 2008 mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet. 2011 veröffentlichte er sein Buch-Altern wie ein Gentleman- mit großem Erfolg und einem monatelangen Platz in den Bestsellerlisten. Sven Kuntze hat nun erneut ein bemerkenswertes Buch vorgestellt, mit dem Titel "Die schamlose Generation", in dem er feststellt, wie seine Generation, nämlich die Vierziger, die Ressourcen der zukünftigen Jahrgänge nicht nur verfrühstückt, sondern auch nichts als Schulden, Umweltbelastungen, leere Rentenkassen und eine überalterte Gesellschaft den zukünftigen Generationen übergibt. 

Der Autor analysiert sehr exakt, wo die Gründe zu diesem Verhalten zu suchen sind. Dabei thematisiert er den Bruch zwischen der streng hierarchisch geführten Vorkriegsgesellschaft und dem Wandel der sich durch den Zusammenbruch durch den Zweiten Weltkrieg abrupt vollzog. Der Ruf nach Freiheit und das Abstreifen aller erstarrten Konventionen sollte dazu führen, dass auch der Generations-übergreifende Konsens aufgelöst wurde und die Verantwortung die daraus erwächst, als nicht mehr erstrebenswert erachtet worden ist. Das individuelle Glück, zumeist als persönlicher Vorteil bemessen, war die Maxime, die die Vierziger bestimmt haben bei all ihren Entscheidungen, ob in Politik, Familie oder was die Zukunft generell anbetrifft. 

Getreu dem Motto: Heute leben und nicht an morgen denken, haben sie die letzten Winkel dieser Erde bereist und sich eher mit der Freizeit- als der Familienplanung beschäftigt, Technologien entwickelt, deren Folgen kaum beherrschbar sind und die noch viele Generationen belasten werden, so wie die Atomenergie. Kuntze konstatiert, dass seine Generation sich ausgeprägt mit den Rechten der Gesellschaft beschäftigt hat, weniger mit den Pflichten, die ebenso aus der Gemeinschaft erwachsen, aber alles andere als spektakulär sind, also völlig uncool. 

Coolness ist sowieso das Zauberwort der Vierziger, wer das nicht bringt, ist nicht auf der Höhe der Zeit und wenn er gar von Verantwortung spricht, ist er spießig und muffig, und ihm wird gar unterstellt, dass er die ach so schöne immerwährende Party versauern möchte. Die Zeche zahlen die Kinder und Kindeskinder, so Sven Kuntze. Wachstum um jeden Preis war die Devise, die alles zu ermöglichen schien. 

Mittlerweile sind die Vierziger in die Zielgrade des Lebens eingebogen, auch der Autor, der sich zum Ende seines sehr Nachdenkens werten Buches fragt, ob der zu zahlende Preis für die Nachkommen nicht viel zu hoch ist, völlig unzumutbar erscheint und ein jahrtausendealtes Generationsprinzip zumindest ins Wanken gebracht hat. Mittlerweile haben Begriffe wie Nachhaltigkeit, Langfristigkeit, Solidität aber auch Zumutbarkeit in die Zukunft wieder in das Denken der jüngeren Generationen Einzug gehalten. Wenn man sich allerdings auf den Flughäfen dieser Welt so umschaut, scheinen die Vierziger mit diesem Gesinnungswandel noch so ihre Probleme zu haben. Nicht desto trotz bietet Sven Kuntze Lösungsansätze an, denn er sieht noch Möglichkeiten bei konsequentem Handeln die schlimmsten Folgen des Selbstverwirklichungstrip seiner Generation abwenden zu können.

"Die schamlose Generation" von Sven Kuntze ist ein sehr lesenswertes Buch, denn es zeigt die ach so freie Generation unter einem anderen Gesichtswinkel, wenig selbstverklärt und kritisch eingebettet im Rahmen größerer Zusammenhänge. Beachtlich ist, dass der Autor sich keineswegs dabei ausspart und mit einem gehörigen Maß an Selbstkritik, aber auch Selbstironie dem Leser umfassend nahebringt, was die Vierziger am wenigsten akzeptieren wollen, Kritik an ihrer eigenen Lebensführung.

Sehr empfehlenswert 

Peter J. König

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Rezension: Psychopolitik- Neoliberalismus und die neuen Machttechniken

Prof. Dr. Byung –Chul Han hat mit "Psychopolitik – Neoliberalismus und die neuen Machttechniken" ein Buch auf den Markt gebracht, das mich gedanklich sehr beschäftigt hat, denn er zeigt auf, dass die digitale Kontrollgesellschaft, in der wir leben, uns eine Freiheitskrise beschert.

Zunächst definiert der äußerst eloquente Autor, was er unter Freiheit versteht und definiert: "Frei sein heißt frei von Zwängen sein." Im Hier und Heute aber verhält es sich so, dass wir eine Vielzahl von inneren Zwängen und Selbstzwängen aufgebaut haben und zwar in Form von Leistungs- und Optimierungszwängen, demnach weit entfernt von Freiheit sind. Diese neue Unfreiheit, die Folge der digitalen Kontrollgesellschaft ist, führt zu Krankheitsbildern wie Depression oder Burnout. 

Byung-Chul Han macht klar, dass das neoliberale Subjekt als Unternehmer seiner selbst unfähig sei, Beziehungen zu anderen aufzubauen, die frei vom Zweck seien. Frei-sein aber bedeute ursprünglich bei Freunden zu sein. Das neoliberale Subjekt aber sei vereinzelt und insofern unfrei. Der Autor resümiert: "Der Neoliberalismus ist ein sehr effizientes, ja intelligentes System, die Freiheit selbst auszubeuten." (S.11). Der Wissenschaftler, der seit 2012 Kulturwissenschaft an der Universität der Künste in Berlin lehrt, schreibt, dass alles, was zu Praktiken und Ausdrucksformen der Freiheit gehöre, so etwa Emotion, Spiel und Kommunikation ausgebeutet werde. Untergraben wird die Freiheit, die ein Synonym für eine gelingende Gemeinschaft sei.

Der Neoliberalismus sei eine Mutationsform des Kapitalismus, forme aus dem Arbeiter einen Unternehmer und aufgrund dieser perfiden Methode die fremdausgebeutete Arbeiterklasse. Heute ist jeder ein "selbstausbeutender Arbeiter seines eigenen Unternehmens".

Nach Auffassung des Autors lässt sich die Unterscheidung von Proletariat und Bourgeoisie  insofern nicht mehr aufrechterhalten, denn heute sind alle von einer Diktatur des Kapitals beherrscht. Alle Klassen sind im Neoliberalismus von der Selbstausbeutung betroffen. 

Wer in der neoliberalen Leistungsgesellschaft scheitert, stellt das System nicht in Frage, sondern macht sich selbst verantwortlich. Das scheint die besondere Perfidie des neoliberalen Regimes zu sein. Die Aggression richtet sich gegen sich selbst. Heute werden Ausgebeutete nicht mehr zum Revolutionär, sondern sie werden depressiv, (vgl.: S.16).

In der digitalen Kontrollgesellschaft pervertiert die Freiheit und wird zur freiwilligen Selbstausleuchtung und Selbstentblößung. Dies geschieht unter dem Namen der Informationsfreiheit. Mehr Kommunikation und Information bedeute mehr Produktivität, Beschleunigung und Wachstum. Ein gutes Beispiel hierfür scheint mir Amazon zu sein. Auf deren Verkaufsplattform kann man sich die Thesen Byung Chul Hans sehr gut vergegenwärtigen.

Nach Auffassung des Autors werden Personen im Neoliberalismus entinnerlicht und zwar weil Innerlichkeit dessen Ziele  behindere und die Kommunikation verlangsame, gar blockiere.

Im Neoliberalimus sind wir keine freien Bürger mehr, sondern Konsumenten, unfähig politisch zu handeln. Da der Mensch im digitalen, neoliberalen Zeitalter sich pausenlos selbstausleuchtet und ständig im Netz kommuniziert, ist Datenschutz kein wirkliches Thema mehr, weil die Geschützten durch ihr Tun die staatlichen Schutzmaßnahmen fortwährend unterlaufen.

Wir kommunizieren unsere Meinungen, Bedürfnisse, Wünsche und Vorlieben, setzen auf freiwillige Selbstoptimierung und Selbstorganisation und werden auf diese Weise in der neoliberalen Kontrollgesellschaft unfrei und krank.

Wie kann man sich diesen Mechanismen entziehen und dennoch im Internet agieren? Ich denke, man muss sich genau überlegen, wo man sich platziert, welche Informationen man nach außen gibt und in welchem Rahmen man tatsächlich unter Freunden ist.

Der Autor schreibt u.a. über Betrachtungen des französischen Philosophen Foucaults, dem Begrifflichkeiten wie Selbstausbeutung noch nicht bekannt waren. Thematisiert werden zudem auch die sich immer intensiver vermehrenden Persönlichkeitsseminare und Mentaltrainings, deren Aufgabe es ist die Selbstoptimierung des Einzelnen in der neoliberalen Kontrollgesellschaft zu verbessern. Diese betrachtet er mit großer Skepsis.

Der Freiraum im Neokapitalismus ist so eng, dass die Menschen kaum mehr atmen können. Alles führt zur totalen Selbstausbeutung. Wer Amazon kennengelernt und das System dort begriffen hat, weiß wie perfide die Methoden sein können. Vielleicht muss man dort an seine eigenen Grenzen gegangen sein, um die Methoden des Neokapitalismus wirklich in ihrer gesamten Perfidie zu kapieren.

Es stimmt, wenn Byung-Chul Han sagt, dass das Subjekt des neoliberalen Regimes am Imperativ der Selbstoptimierung zugrunde gehe, nämlich am Zwang, immer mehr Leistung hervorzubringen.

Es stimmt fernerhin, dass wir uns in einer Diktatur der Emotion befinden, weil der Neoliberalismus erkannt hat, dass die Emotionalisierung die Produktivität steigert. Ebenfalls benutzt wird das Wissen, dass der spielende Mensch produktiver ist. Deshalb auch wird die Gratifikationslogik von "Likes" zur Produktions- bzw. der Verkaufssteigerung genutzt. Bestes Beispiel: Amazon.

Was können wir tun, um unsere Individualität und Freiheit nicht vollständig aufzugeben? Wir  können neoliberale Strukturen im Netz ausloten und analysieren, Selbstausbeutung  bewusst begrenzen und uns dort aufhalten, wo wir unter Freunden sind, denn solche Orte versprechen zumindest eine relative Freiheit. 

Sehr empfehlenswert.

Bitte klicken Sie auf den Link, dann gelangen Sie zum Fischerverlag und können dort das Buch direkt bestellen.http://www.fischerverlage.de/buch/psychopolitik/9783100022035
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Rezension Peter Jakob König: Wirtschaft im Würgegriff- Wie das Kartellamt Unternehmen blockiert- Detlef Brendel Florian Josef Hoffmann

Der Wirtschaftspublizist Detlef Brendel und der Wirtschaftsjurist Florian Josef Hoffmann haben sich mit ihrem Buch "Wirtschaft im Würgegriff-Wie das Kartellamt Unternehmen blockiert", erschienen im renommierten Campus Verlag, sich eines Themas angenommen, dessen Brisanz in der Öffentlichkeit bisher nur peripher wahrgenommen wurde, wenn überhaupt, die Unternehmen jedoch empfindlich trifft, ja sogar für sie existenzbedrohend sein kann. 

Der Titel des Buches sagt deutlich aus, worin die beiden Autoren die Gesamtproblematik dieses Themas sehen. Sie beleuchten die Rolle des Bundeskartellamtes und welche Auswirkungen deren Strategien auf die einzelnen Unternehmen, aber darüber hinaus auf die gesamte volkswirtschaftliche Situation haben.

Damit der geneigte Leser überhaupt eine Vorstellung davon erhält, worum es sich hierbei eigentlich handelt, nicht jeder ist auf Anhieb in dieser zugegebenermaßen nicht unkomplizierten Materie zuhause, haben sich Detlef Brendel und Florian Josef Hoffmann bemüht, diesen Komplex in unserem gesamtwirtschaftlichen Handeln besonders transparent zu gestalten. Dies ist auch der Sinn dieses Buches. Es soll der Aufklärung dienen, und nicht ein weiteres Exemplar im Meer der unendlichen Wirtschaftsliteratur werden. Denn nur wenn der Inhalt dieses Werkes einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich ist, besteht die Möglichkeit, die aktuelle Rolle des Bundeskartellamtes zu erfassen und über ihr, wie die Autoren herausarbeiten, nachteiliges Verhalten für unsere wirtschaftliche Prosperität nachzudenken, mit der Folge einer dringend notwendigen, grundsätzlichen Korrektur. 

Wenn man sich das Inhaltsverzeichnis vornimmt, wird klar, wie Detlef Brendel und Florian Josef Hoffmann es gelungen ist, dem interessierten Leser die Sachverhalte nahe zu bringen. Insgesamt ist das Buch in drei Teile gegliedert, wobei im ersten Teil der Wirtschaftspublizist Brendel das Handeln der Behörde analysiert, im zweiten Teil Interviews mit drei namhaften Unternehmerpersönlichkeiten von Familienunternehmen zu diesem Thema geführt werden und im dritten Teil der Wirtschaftsjurist Hoffmann die historischen, theoretischen und politischen Hintergründe dazu erläutert. Damit ein erster Eindruck hier vermittelt wird, ist es interessant sich die einzelnen Untertitel aus dem ersten Teil von Detlef Brendel anzuschauen. Sie lauten:

1. Eine verhängnisvolle Atmosphäre
2. Verabredung für oder gegen 
3. Omnipotenz 
4. Das Prinzip Discountry 
5. Staat statt Markt 
6. Allmachtsfantasien 
7. Medienmaschinerie Kartellamt 
8. Unternehmerisches Selbstbewußtsein 

Schon die Überschriften zeigen deutlich, welche vermeintlichen Missstände hier aufgezeigt werden sollen. Es geht um die grundsätzliche Frage: Was macht das Kartellamt, was darf es und welche Auswirkungen hat das Ganze auf die Unternehmen, welche Handlungsspielräume sind den Unternehmern noch geblieben, ohne dass sie befürchten müssen, mit Bußgeldern in Millionenhöhe belegt zu werden? 

In den Unternehmergesprächen im zweiten Teil wird es dann konkret:
9. Gespräch mit Alfred T. Ritter, Alfred Ritter Gmbh&Co.KG
10. Gespräch mit Wolfgang Fritsch-Albert,  Westfalen AG
11. Gespräch mit Friedrich Neukirch, Klosterfrau Healthcare Group.

Hier werden drei Unternehmensführer von drei mittelständigen, namhaften traditionsreichen Familienunternehmen interviewt, bezüglich ihrer Erfahrungen mit dem Kartellamt, welchen Belastungen sie dadurch ausgesetzt sind und wie sie das Handeln der Behörde aus Unternehmersicht sehen. Ausdrücklich wird bei diesen Interviews darauf hingewiesen, dass es nicht einfach war, überhaupt jemanden zu finden, sich öffentlich zu dieser Thematik zu äußern, zu brisant scheint das Thema. 

Florian Josef Hoffmann, der Ökonom und Jurist hat im dritten Teil sich sehr intensiv und informativ der Frage angenommen, wie sind eigentlich die historischen, theoretischen und politischen Hintergründe der staatlichen Wettbewerbspolitik und des Kartellverbots? Auch hier wieder die einzelnen Sequenzen dieses dritten Teils: 
12. Das Ende der Moral 
13. Kartellrecht ist Kartellunrecht 
14. Von Smith und Erhard. So entstand der Würgegriff 
15. Das Kartell-Vom Retter der Wirtschaft zum Unwort des     Jahrhunderts 
16. Die Befreiung vom ideologischen Würgegriff
17. Der Ausweg aus dem Würgegriff
18. Auf einen Blick: Fakten und Argumente 

Liest man die Überschriften fällt es nicht schwer auch hier den eindeutigen Tenor der Abhandlungen zu erkennen. Dabei wird besonders deutlich, warum und wie Kartelle sich gebildet haben, und wie in den letzten Jahrhunderten der Wirtschaftsgeschichte damit umgegangen worden ist. Entgegen der momentan herrschenden Meinung wird aufgezeigt, dass dies durchaus zur wirtschaftlichen Blüte in früheren Jahrzehnten geführt hat.

Fazit: „Wirtschaft im Würgegriff-Wie das Kartellamt Unternehmen blockiert“ von Detlef Brendel und Florian Josef Hoffmann ist ein sehr informatives Buch, das nicht nur für Betriebs- oder Volkswirte geschrieben worden ist. Ganz im Gegenteil es zeigt aktuelle Problematiken der Unternehmen auf, die sie mit dem Kartellamt ausfechten müssen. Da aber nicht der Staat sondern diese Unternehmen, besonders im Mittelstand mit Abstand die meisten Arbeitsplätze in unserem Land schaffen, ist das Verhalten des Kartellamtes auch ursächlich für diesen Bestand und deshalb auch ein wichtiges Thema für die breite Öffentlichkeit. Dass hier von den beiden Autoren die richtige Sprache gewählt wurde, um in dieser breiten Öffentlichkeit verstanden zu werden, macht den besonderen Reiz dieses Buches aus, zumal, wie zuvor schon erwähnt, nicht jeder sofort mit dieser Materie etwas anfangen kann. Wenn dadurch auch noch eine politische Diskussion in Gang gesetzt wird, deren Ziel es ist, das Handeln des Bundeskartellamtes wieder unter objektiven Gesichtspunkten zu betrachten, ist das Bemühen von Detlef Brendel und Florian Josef Hoffmann ganz besonders erfolgreich. 

Sehr empfehlenswert

Rezension: Nachdenken über das 20. Jahrhundert- Tony Judt; Timothy Snyder

Autoren des Buches sind der 2010 verstorbene Erich-Maria-Remarque-Professor für Europäische Studien in New York Tony Judt und der Historiker Timothy Synder. 

Das Werk sollte man als historischen und biographischen Text, aber auch als moralphilosophische Abhandlung verstehen. Es handelt sich um eine politische Ideengeschichte des zwanzigsten Jahrhunderts. Dabei geht es um die Themen Macht und Gerechtigkeit und zwar in der Weise wie sie seit dem späten 19. Jahrhundert seitens liberaler, sozialistischer, kommunistischer, nationalsozialistischer und faschistischer Intellektueller interpretiert werden. 

Neben den oben schon genannten biographischen Facetten geht es im Buch auch um die Grenzen und die Erneuerungsfähigkeit politischer Ideen und um die Aufgabe sowie das Scheitern von Intellektuellen.

Das Werk ist eine Art Gespräch zwischen den beiden Autoren und ein Ausdruck der Spontanität, Unberechenbarkeit und er gelegentlich spielerischen Art zweier Dialogpartner, wie Snyder schreibt. Was ich als Leser bestätigen kann. 

Das Nachwort hat Tony Judt verfasst. Das Buch verdeutlicht, dass die Aufgabe des Intellektuellen im einundzwanzigsten Jahrhundert darin bestehen könnte, für die Wahrheit einzutreten und dabei zugleich ihre verschiedenen Formen und Grundlagen zu akzeptieren.

Es führt zu weit den, den höchst komplexen Inhalt hier zu erörtern. Letztlich geht es um die Frage nach den Wahrheiten. 

In seinem Plädoyer zum Schluss macht Tony Judt deutlich, dass der Sozialstaat es ist, welcher ein anständiges Leben für alle ermöglicht. Die ist  die Wahrheit der Menschenfreundlichkeit. 

Doch eine ultimative Grundwahrheit scheint es bei allen Erörterungen nicht zu geben, wenn man intensiv über das 20. Jahrhundert nachdenkt.  Trotz allem lohnt sich das Nachdenken, wie  dieses Buch begreifbar macht.

Empfehlenswert.

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Rezension:Idole und Idioten: Haarsträubende Erlebnisse auf der Chefetage -Bob Lutz

"Die beste Methode, um die Intelligenz eines Führenden zu erkennen, ist, sich die Leute anzusehen, die er um sich hat.", (Niccolò Machiavelli)

Der Autor dieses äußerst aufschlussreichen Buches ist Bob Lutz, der ehemalige stellvertretende Vorstandschef von General Motors, der im Laufe seiner Karriere auf weitere Führungspositionen bei BMW, Ford und Chrysler zurückblicken kann. In seinem neuen Buch porträtiert er folgende Ex-Magnaten:

Georges –André Chevallaz (Stadtpräsident von Lausanne), Robert «Bob» Wachtler (Director of Forward Planning, GM Overseas Operations), Ralph Mason (Vorstandsvorsitzender, Adam Opel AG), Eberhard von Kuehnheim (Vorstandsvorsitzender, Adam Opel AG), Philip Caldwell (Chairman und CEO, Ford Motor Company),Harold A. «Red» Poling (Chairman und CEO, Ford Motor Company), Lee Iacocco (Chairman und CEO, Chrysler Corporation, Robert J. «Bob» Eaton (Chairman und CEO, Chrysler Corperation), Arthur M. Hawkins (Chairman und CEO, Exide Technologies), G. Richard «Rick» Wagoner (Chairman und CEO, General Motors)

Bob Lutz beleuchtet in seinem Buch Führungspersönlichkeiten sowie Führungsqualitäten und versucht zu ergründen, weshalb die Größten unter ihnen so erfolgreich waren. Erfolg misst sich am Ergebnis. Deshalb geht es um die Fragen: Haben die angeführten Top-Manager die Unternehmen unter ihren Amtszeiten vorangebracht und wurde für alle Beteiligten ein monitärer Wert geschaffen. Das Untersuchungsergebnis lautet ja, wie alle angeführten Beispiele deutlich machen und dies offenbar auch, weil die Protagonisten alle komplizierte Charaktere aufgeweisen oder klarer ausgedrückt, sich als geistig und emotional widersprüchlich offenbaren. Nicht selten treten neben positiven Eigenschaften bei Erfolgsmenschen auch Eigensinn, Unzufriedenheit, Unbeherrschtheit, Dominanzgebaren, Ungeduld, Kompromisslosigkeit etc. auf, doch vielleicht ist es dieser Mix, der notwendig ist, um Firmen voranzubringen und in Krisen das Schiff unbeugsam durch stürmische See zu steuern.

Schon die erste Persönlichkeitsbeschreibung im Buch fand ich faszinierend. Hier skizziert der Autor seinen Lehrer George –André Chevallaz, der später Stadtpräsident von Lausanne wurde und mehrere bemerkenswerte Bücher schrieb. Dieser Lehrer beeindruckte offenbar durch seine hohe Intelligenz, seine Dynamik und Entschlossenheit, aber auch dadurch, dass er Leistungsstarke förderte und stärkte, indem er ihnen viel Wissen, intellektuelle Neugierde, kritisches Urteilsvermögen und Charakter vermittelte, wie sie es nur mit harter Arbeit in sich aufnehmen konnten.

Um ein wirklich guter Wirtschaftslenker zu werden, müssen all diese Fähigkeiten sehr trainiert sein, doch offenbar bedarf es noch anderer Fähigkeiten, die Erfolgsmenschen vom Durchschnittstypen unterscheiden. Das zeigt dieses Buch, das den ganz normalen Wahnsinn in Führungsetagen facettenreich nachzeichnet.

Sehr lesenswert. 

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Rezension Peter J. König: Maos Grosser Hunger, Frank Dikötter

Im Klett-Cotta Verlag ist in deutscher Übersetzung das schockierende, aber besonders informative Buch des Professor of Humanities an der Universität von Hongkong Dr. Frank Dikötter erschienen. Der Titel "Maos Grosser Hunger" deutet pauschal schon an, worum es sich in dem hier vorliegenden Werk handelt.

Aufgearbeitet wird die Zeit von 1958 bis 1962 als Mao Zedong, der uneingeschränkte Parteiführer und chinesische Staatslenker sich anschickte, das Land und seine etwa 800 Millionen Menschen mit Hilfe der Parteikader und den Milizen zum "Großen Sprung nach vorn" zu prügeln. Animiert durch die Sowjet-Union, die in einem Zeitraum von 10 Jahren nach den Ankündigungen von Generalsekretär Chruschtschow die USA in ihrer wirtschaftlichen Stärke überholen wollten, verkündete der große Führer Mao, dass China in 15 Jahren die Produktivität Englands hinter sich lassen würde, speziell in der Eisen-und Stahlproduktion.

In den 1950iger und 1960iger Jahren gehörte Großbritannien noch zu den führenden Nationen auf diesem Sektor. Um dieses Ziel zu erreichen wurde der Plan vom "Großen Sprung nach vorn" entwickelt, einer Kampagne zum Umbau der chinesischen Gesellschaft und Wirtschaft, weg von einer Agrar- und Händlergesellschaft, hin zu einer besitzlosen Verstaatlichung, gelenkt durch eine zentrale Planwirtschaft.

Das Zentralkomitee mit Mao an der Spitze gab die Ziele vor, die von den Politkadern über alle Ebenen bis in die dörfliche Grundstruktur mit Hilfe der Milizen und der Armee durchgesetzt werden mussten. Umgekehrt war der erfolgreiche Vollzug von unten nach oben zu melden, Fehlschläge beim Erreichen der Planzahlen zogen drastische Folgen für die Verantwortlichen nach sich. Um die utopischen Ziele zu erreichen, wurde zunächst eine generelle Enteignung angeordnet, sämtliches privates wurde in staatliches Eigentum umgewandelt, bis hin zum Nachttopf einem Utensil, das in jedem chinesischen Haushalt vorhanden war.

Die Ernährung der Menschen wurde durch Volksküchen organisiert, die Rationen entsprachen der Leistungsfähigkeit jedes Einzelnen oder der Anordnung durch die Partei. Die verfehlte Planwirtschaft, das Missmanagement und die Enteignung hatten verheerende Ausmaße. Anstatt die Produktivität zu erhöhen, waren der Zerfall der gewachsenen Strukturen in der Industrie und in der Landwirtschaft die Folgen. Die Versorgung der Menschen war nicht mehr gewährleistet. Es kam zu einer Hungerkatastrophe unendlichen Ausmaßes.

Millionen von Menschen, nach ersten Überblicken mehr als 50 Millionen starben unter erbärmlichsten Bedingungen, ohne dass die Führungskader eine Notwendigkeit sahen die Planungen zu verändern, um sie nach realistischen Zielen auszurichten. Tod und Verelendung wurden als Kollateralschaden der Revolution hingenommen. Erst als die chinesische Volkswirtschaft Anfang der 1960iger Jahre drohte zu kollabieren, wurde die Planwirtschaft entschärft und mit Hilfe einer wieder zugelassenen Privatnutzung und der Wiedereinführung von örtlichen Märkten die Massentötung gestoppt.

Die Volkswirtschaft begann sich wieder zu erholen. Das Leid der Menschen war jedoch unendlich, die Familienstrukturen begannen sich aufzulösen, Kinder wurden fortgegeben oder wenn sie krank und schwach waren, ließ man sie bewusst verhungern. Diebstähle durch die Hungernden wurden mit drastischen Strafen von Seiten der Politfunktionäre geahndet, dabei sind Hunderttausende zu Tode geprügelt worden. Es kam zu Kannibalismus und menschenunwürdigen Verzweiflungshandlungen, wenn Tierkadaver oder gar Leichen wieder ausgegraben wurden, um sie in gekochtem Zustand zu verschlingen.

Wenn man weiß, dass gleichzeitig Schiffsladungen von Getreide in afrikanische Länder verschenkt worden sind, als Bruderhilfe und um das Image des revolutionären China aufzubessern, merkt man mit welcher Brutalität und Menschenverachtung Mao und seine Clique das Land unterdrückt und ausgebeutet hat, und alles im Zuge einer abstrusen Ideologie und persönlichem Größenwahn. Deshalb ist es richtig ihn auf eine Stufe mit Hitler und Stalin zu stellen, er gehört wie sie zu den größten Verbrechern der Menschheitsgeschichte, auch wenn zu seiner Zeit im Westen die jungen Leute ihm mit dem Vorzeigen seiner roten Mao-Bibel huldigten.

Über Jahrzehnte war es nicht möglich geeignetes wissenschaftliches Material über diese dramatischen Vorgänge in China zu erhalten. Jegliche Einblicke in Archive in der Volksrepublik waren unmöglich. Tatsächlich aber gibt es millionenfache Aufzeichnungen über die Vorgänge aus jener Zeit, sowohl regional als auch zentral in Peking.

Prof. Dr. Frank Dikötter ist es als erstem westlichen Wissenschaftler gelungen, in regionale Archive in mehreren Provinzen in China Einblick zu erhalten. So konnte er sich ein überschaubares Bild von der Lage der damaligen Zeit machen und mit seinem Buch auf die Gräuel und Verbrechen, die Mao und sein Politbüro an den Menschen in China begangen hatte, aufzeigen. Wenn man bedenkt, dass einige Jahre nach "dem großen Sprung nach vorne" eine vielleicht noch schlimmere Kampagne mit „der Kulturrevolution“ in China folgen sollte, wird klar in welchem Maße die Menschen im "Reich der Mitte" haben leiden müssen.

Dabei ist das gesamte Ausmaß noch lange nicht erforscht, das wird erst möglich sein, wenn alle Archive zugänglich sind.

Fazit: Dieses Buch ist ein Muss für jeden Zeitgenossen der an Weltgeschichte und seinen politischen Abgründen interessiert ist.

Sehr empfehlenswert

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Rezension: Das Hohe Haus- Roger Willemsen

"Das Recht der öffentlichen Rede ist ein kostbares Privileg, man darf es also nicht missbrauchen." (Roger Willemsen, S.203)

Wer wissen möchte, womit sich Prof. Dr. Roger Willemsen im letzten Jahr konkret befasst hat und wo er seine Zeit verbrachte, sollte dieses Buch lesen. Man verrät keine Geheimnisse, wenn man gleich vorab festhält, dass dieser Ort der Deutsche Bundestag war, denn dies offenbart schon das Cover, auf dem man den Adolf-Grimme-Preisträger das Sitzungsgeschehen beobachten sieht.

Den beredten Autor interessierte bei seinen regelmäßigen Besuchen des Parlaments während der Sitzungswochen weniger das Aktuelle als das Prinzipielle und er hat sich auch keine Sekundärinformationen von Parlamentariern oder Journalisten besorgt, wie er festhält, sondern schreibt ausschließlich über das, was er sieht und hört und was er der Lektüre von etwa 50 000 Seiten Parlamentsprotokoll entnimmt.

Sein Buch hat er Dieter Hildebrandt gewidmet, "der das Projekt leidenschaftlich verfolgt hatte und sich noch Tage vor seinem Tode auf den neuesten Stand bringen ließ." (S.397)

Willemsens Bericht beginnt am 31.Dezember 2012 mit der Neujahrsansprache. Schon hier erklärt er Begrifflichkeiten, reflektiert Gehörtes, beobachtet Gesten, hört auf Worte, fragt nach der Belastbarkeit von Rhetorik. Man erfährt gleich dort bereits Niederschmetterndes: "Die Neujahrsansprache hat keine Funktion. Die Ausstellung der Funktionslosigkeit ist ihre Funktion", (S.7).

Willemsen beschreibt zunächst genau, wo er sich ein Jahr aufhält, welchen Verhaltenskodex er befolgen muss, beschreibt die Architektur des verglasten Plenarsaals und der Kuppel, reflektiert den Bundesadler sowie anderes mehr und kommt zu dem sachlichen Ergebnis: "Die Hoheit der Repräsentationsarchitektur verrät, dass hier eine große Idee beheimatet ist", (S.15). Bei dieser Feststellung allerdings belässt er es nicht und hält am 7. Januar bereits fest: "Die Wahrheit ist: Regierungsparteien kontrollieren das Kabinett nicht, vielmehr begleiten sie ihr Tun repräsentativ, meist rühmend und dankend. Die Opposition sieht ohnmächtig zu und wird angesichts der langen vergeblichen Arbeit unbeherrschter und böser", (S.16). Der Leser ahnt, dass es spannend und Willemsen keine Lobeshymnen anstimmen wird.

Der Autor beschreibt Politiker in ihrem Gebaren während sie ihre Anliegen vortragen, äußerst sich über deren Kleidung, den Habitus und zeigt die Ohnmacht des Betrachters bei den Theateraufführungen, denn als diese erweisen sich die Parlamentssitzungen während der Lektüre immer mehr. Oder wie soll man Beobachtungen wie nachstehende anders werten? "Die Stimmung ist inzwischen von leichtherziger Gereiztheit, die Oberfläche bewegt von stark expressivem Verhalten, von Ausrufen, Schaulachen, Gesten des Abwinkens und Fäuste-Reckens, bitteren Beschuldigungen. Unterdessen verrät der Blick in den Saal die Routine, parallel ein Blättern, Krakeln, Umdrehen, gestreute Aufmerksamkeit mit reflexartigen Reinrufen", (29ff.) Wenig später liest man von den Grundakkorden in der heilige Halle, die da sind, "wechselseitige Missbilligungen und Ehrabschneidung", (vgl.: S.34)

Man erfährt immer wieder von dem, was gerade thematisiert wird. Unmöglich allerdings auf all dies im Rahmen der Rezension einzugehen, liest Persönlichkeitsskizzierungen, so etwa von Gregor Gysi, den Willemsen als den Typus des Parlamentariers benennt, der das Richtige immer wieder vergeblich sagt. Dies habe aber dessen Intelligenz nicht beschädigt, sondern wohl eher geschärft, (vgl. S. 41). Wer glaubt, daraus die politische Einstellung Willemsens ablesen zu können, irrt, denn später schreibt er auch über Gauweiler, den er als "kundig, unverblümt und entwaffend" skizziert (vgl.: S. 273). Roger Willemsen scheint sich für gute Schauspieler zu begeistern, ganz so wie der kritische Beobachter dies bei Theateraufführungen tut, wenn er  in der Lage ist, Großzügigkeiten zu verteilen.

Für den Autor steht fest: "Das parlamentarische Sprechen ist also uneigentlich, wo es so tut, als diene es der Entscheidung. In Wirklichkeit steht das Resultat fest, und es geht mehr um die Schaufensterdekoration." (S.156). Offensichtlich hat sich in den Reden die Rhetorik so sehr von ihrem Gegenstand entfernt, dass der Betrachter den Eindruck gewinnt, "gewisse parlamentarische Entscheidungen können nur gefällt werden, weil es unter der Umgehung der Realitätswahrnehmung geschieht", (S.169).

Willemsen sieht, überlegt,  nimmt die Glasarchitektur wahr  und kann nicht umhin zu bemerken: "Dieser Raum will sagen: Es ist alles flüchtig", (S.46) Er reflektiert, ob es möglicherweise den Typus des politikverdrossenen Politikers geben kann, (siehe S.76) und dies tut er nicht zu Unrecht, bei allem, was er hört und beobachtet. Doch was denken die Besucher auf den Tribünen fragt sich der Literaturprofessor am 21. Februar 2013? "Sie hören die Zahlen, es kommen und gehen die Informationen. Schon bei der Interpretation setzt das Verständnis aus", (S.96). Eine frustrierende Antwort. Was läuft da verkehrt, frage ich mich?

Man liest von den Fragestunden, vom Recht der öffentlichen Rede, das ein kostbares Privileg ist, das man nicht missbrauchen darf. Doch was geschieht an den Sitzungstagen des Deutschen Bundestages? Ich sehe Selbstdarsteller vor meinem geistigen Auge reden und gestikulieren, während ich Willemsens brillante Beschreibungen lese und frage mich plötzlich, ob Willemsen katholisch ist und man das Jahr als eine Art Bußübung begreifen muss? Was hat Willemsen getan, um so büßen zu müssen?

Man erfährt in den fortlaufenden Berichten eingangs Tagesmeldungen, wie etwa am 12. Juni 2013, dass Walter Jens verstorben ist und liest dann stets das eine oder andere zu den Reden, die an dem jeweiligen Tag gehalten werden. Rund 13 000 Reden sind es übrigens in einer Legislaturperiode, (vgl.: S.280).

Willemsen schreibt auch über den 22. September 2013, den Wahlsonntag, von den Wahlergebnissen, vom neuen Parlament, in dem es mehr Frauen gibt, darunter mehr junge als je zuvor, was dem Schirmherrn des Afghanischen Frauenvereins wichtig ist festzuhalten. (vgl: S.332) Als ich dann auf Seite 356 weiterlese, dass es auf der Internetseite des Deutschen Bundestages einen verwaisten Doppelpunkt gibt und zwar hinter "Aktuelle Tagesordnungen", nehme ich mir vor, an Ostern diesen anstelle eines Ostereies zu suchen. Fraglich aber, ob er dann wohl noch verwaist ist?

Am 17. Dezember stirbt Nelson Mandela. Der intellektuelle Philanthrop Roger Willemsen vergisst dies nicht zu erwähnen und auch nicht, dass zu diesem Zeitpunkt in Syrien der Winter über zerbombte Städte und jenseits der Landesgrenze über die Flüchtlingslager hereinbricht, (vgl.: S.357). Es ist der Tag, an dem im Parlamentsrestaurant Prosecco-Gläser klirren aus einem Anlass, der mit der Trauer, die Menschenfreunde an diesem Tag empfinden,  wirklich nichts zu tun hat.

Es wird weiter geredet, geredet und geredet im Parlament jenes Landes, dessen Kern lt. der Kanzlerin "Leistungsbereitschaft, Engagement und Zusammenhalt ist." (S.393).

Leistungsbereitschaft und Engagement zeigte nicht zuletzt der begnadete Autor Roger Willemsen bei der harten Erarbeitung dieses wirklich lobenswerten Buches, das dazu beiträgt, dass zumindest der Zusammenhalt der Intellektuellen in puncto Einstellung zum Deutschem Bundestag  für die nächsten Jahre gesichert ist.

Sehr, sehr empfehlenswert.

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Rezension: "Der Baron, die Juden und die Nazis"- Jutta Ditfurth

"Es kommt mir so vor, als ob es in diesem Land eine veröffentlichte und eine reale Wahrheit gibt." (Jutta Ditfurth)

Verfasserin dieses bemerkenswerten Sachbuches ist die Soziologin Jutta Ditfurth, die adeliger Herkunft ist und nicht ohne Grund dem elitären Denken vieler Aristokraten mehr als nur skeptisch gegenüber steht. In ihrem jüngsten Buch "Der Baron, die Juden und die Nazis" gibt sie schonungslos Familiengeschichte preis und berichtet von den Verstrickungen ihrer Vorfahren mit den Nazis.  Dabei sollte man wissen, dass mit "Familie" beim Adel nicht die bürgerliche Eltern-Kind-Kleinfamilie gemeint ist, sondern vielmehr die Sippe bzw. das Geschlecht, das sich über blutsmäßige, patrilineare Verwandschaftbande und ein gemeinsames Abstammungsbewusstsein definierte, (vgl.: S.209).

Weil  Ditfurth über ihre "Familie"  und über  abgründige Verhaltensmuster einer ganzen Klasse in vergangenen Jahrhunderten schreibt, ist ihr Sachbuch sehr wissenschaftlich angelegt und verfügt über eine beachtliche Anzahl, ihre Aussagen belegenden Fußnoten, Quellennachweise und ein umfangreiches Literaturverzeichnis. Hier wird nicht fabuliert. Hier wird nachgewiesen. Hier kann man ihr nichts anhängen.  Sie wartet mit Fakten auf. Ein Thema wie ihres macht eine solche Vorgehensweise erforderlich. Ohne Frage.

Lassen sie mich meine Ausführungen mit einer Textstelle beginnen, die zu Anfang des 10. Kapitels steht: "Die Zahl der Adeligen, die die Juden nicht ablehnten und die Weimarer Republik nicht auf den Scheiterhaufen wünschten, war in Wahrheit winzig. Dass später die adeligen Mitglieder des 20. Juli 1944 allesamt tapfere Demokraten und niemals lebensgefährliche Gegner der deutschen und europäischen Juden gewesen sein sollen, ist ein überaus erfolgreicher Nachkriegsmythos. Dahinter versteckt sich ein  großer Teil des so genannten Adels bis heute.“(Zitat: S.203)

Die Autorin beginnt ihr Buch mit einem Reisebericht, der in das Jahr 1990 zurückführt. Gemeinsam mit ihrer Mutter besucht sie ein Anwesen ihrer Vorfahren im Osten Deutschlands. Im nahegelegenen Dorf des besuchten Ritterguts sieht sie in einer Dachkammer u.a. ein Ölbild ihrer Urgroßmutter, der Freiin von Beust (1850-1936)  und erhält seitens des Pfarrers Zugang zur Dorfchronik. In der Folge liest man dann Näheres zu Gertrud von Beust, einer kriegsbegeisterten Dame, "die am liebsten selbst in die Schlacht gezogen wäre". Es führt zu weit, nun das Leben dieser Adeligen nachzuzeichnen, doch zu erwähnen ist, dass diese Frau antisemitisch war.

Ditfurth nimmt ihrer Urgroßmutter zum Anlass im Anschluss über den Antisemitismus des Adels in der Romantik aufzuklären und fragt: "Woher hatten die adeligen Menschen wie meine Urgroßmutter ihr Wahnbild über die Juden?"(Zitat: S.33). Ich staunte nicht schlecht als ich hier las, welche Geisteshaltung Dichter wie Ernst Moritz Arndt umtrieb und war überrascht als ich weiter las, dass die "Deutsche Tischgesellschaft" ein Beleg dafür ist, dass der Rasseantisemitismus schon in der Emanzipationszeit in den Köpfen der deutschen Elite und hier in erster Linie des Adels Einzug hielt." (vgl.: S.40)

Achim von Arnim sprach in seiner Tischrede von Hostien-und Ritualmordlegenden und rechtfertigte Pogrome, wie Ditfurth an Textstellen belegt. "Deutsche Tischgesellschaften" waren ein Angriff auf jüdische Salonniéren und ihr emanzipatorisches Denken. Die Mitglieder dieser Tischgesellschaften zeichneten sich durch nationalistischen Dünkel, elitäres Denken, Antisemitismus und Frauenfeindlichkeit aus." (vgl.S.50).

Über Goethes Einstellung im Hinblick auf die Frage "Sollten Christen Juden heiraten dürfen?" erfährt man Aufschlussreiches und liest in der Folge, auf welche Weise in jenen Tagen die Juden unterdrückt und stigmatisiert wurden.

Im Königreich Preußen blieben jüdische Jurastudenten von der Promotion und von der Anstellung an einer juristischen Fakultät ausgeschlossen. Juden durften zwar Justiz-Kommissare und Anwälte werden, nicht jedoch Richter oder Notare. Generell war es ihnen untersagt,  richterliche, polizeiliche oder Verwaltungsfunktionen auszuüben, (vgl.: S.79).

Jutta Ditfurth beschreibt in ihrem Werk nicht zuletzt den Werdegang ihres Urgroßonkels des Schriftstellers und Balladendichters Börries Freiherr von Münchhausen, dessen Einstellung zu Juden mehr als  nur ambivalent war. Sie schreibt von seinem Buch "Juda" und zu seiner Beziehung zu Ephraim Moses Lilien, der sich durch seinen Anteil an diesem Buch in jüdischen Kreisen als Künstler etablieren vermochte, (vgl.:157).

Ditfurth lässt nicht unerwähnt, dass das Motiv ihres Großonkels für das Buch nicht der jüdische Mensch, seine soziale Lage, die Geschichte der Stigmatisierung, Verfolgung und Ermordung über die Jahrhunderte hinweg, sondern das Interesse an jüdischen Helden war, (vgl.: S.158). Trotz dieses Buches, das als eines der Lieblingsbücher in jüdischen Häusern galt, wie die Autorin vermerkt, entwickelte sich Münchhausen mehr als bloß grenzwertig im Hinblick auf Juden. Ihn im Schlepptau führt Ditfurth den Leser durch die Zeitläufe hin zur NS-Zeit und zeigt die antisemitische Grundhaltung der adeligen Oberschicht, die aufgrund der Niederlage durch den 1. Weltkrieg ihre Privilegien verloren hatten.

Der Balladenschreiber wurde zu einem Rassenideologen, dessen zentraler Gedanke nach dem verlorenen Krieg die Rassenreinheit war. Er träumt von "Menschenzüchtung". Während der NS-Zeit schmeichelte er der herrschenden Elite und attackierte Künstler, die Modernes schufen oder "unreinen Blutes" waren, (vgl.: S.272).

Dass der Adelsmann schließlich 1945 Selbstmord  begangen hat, wundert mich nicht. Seine Verstrickungen ließen für ihn nichts anders zu. Ditfurth fasst zusammen, dass dieser Großonkel ein Nazi, Antisemit, kulturpolitischer Strippenzieher war, der jüdische Menschen aussortiert hatte und Fotos seiner geliebten Nazi-Führer sammelte, der mit NS-Verbrechern am Kamin geplaudert und in der Saale gebadet hatte, Goebbels, Hess und Frick angeschwärmt und mit ihnen völlig übereingestimmt hatte..." (S. 297).  Münchhausen war keineswegs eine Ausnahme, sondern dachte wie viele Adelige in jener Zeit.

Jutta Ditfurth findet übrigens unter ihren Verwandten nur einen einzigen, "der Juden und Sozialdemokraten nicht verabscheut hatte". (S.228). Ihre Verwandten nennen diesen mutigen Mann "das rote  Biest von Brandenstein."

Die Autorin zeigt hervorragend in ihrem bemerkenswerten Buch, dass bereits im 19. Jahrhundert der Boden für den unsäglichen Antisemitismus des 20. Jahrhunderts bereitet wurde, der zur Ermordung von 6 Millionen Juden führte. Sie vergisst dabei keineswegs den 20. Juli 1944 zu beleuchten und unterstreicht, dass die Archive der meisten adeligen und hochadeligen Familien Forschern mit NS-kritischem Erkenntnisinteresse bis zum heutigen Tage verschlossen bleiben. Jutta Ditfurth hat einen Fuß in diese Tür gestellt, um unliebsame Wahrheiten ans Licht zu zerren. Nicht alle werden sie dafür beglückwünschen. Ich schon.

Ein hervorragendes, gut recherchiertes Buch. Sehr aufschlussreich.

Sehr empfehlenswert.

Helga König

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Rezension:Das Mittelmeer: Eine Biographie (Gebundene Ausgabe)

"Der Aufstieg Pisas und Genuas ist fast noch rätselhafter als der von Amalfi, und dieses Rätsel besteht in dem erstaunlichen Erfolg dieser beiden Städte bei der Säuberung des westlichen Mittelmeeres von Piraten und in der Schaffung von Handelsrouten damt dem Aufbau von Handels- und Siedlerkolonien bis ins Heilige Land, nach Ägypten und nach Byzanz...(S.360)

Prof. Dr. David Abulafia lehrt u.a. Geschichte des Mittelmeerraumes an der Universität Cambridge. In seinem 960 Seiten umfassenden Buch werden 3000 Jahre Geschichte abgehandelt und zwar die Geschichte derer, die das Meer befuhren und an seinen Küsten in Hafenstädten oder auf Inseln lebten. Dabei untergliedert der Autor in fünf Zeitalter:

Das Erste Mediterrane Zeitalter-22000 bis 1000 v. Chr.
Das Zweite Mediterrane Zeitalter- 1000 v. Chr. bis 600 n.Chr.
Das Dritte Mediterrane Zeitalter- 600 bis 1350
Das Vierte Mediterrane Zeitalter 1350 bis 1830
Das Fünfte Mediterrane Zeitalter 1830 bis 2010

Das von Abulafia Mittelmeer dargestellte Mittelmeer beschränkt sich auf das Meer mit seinen Küsten und Inseln und in erster Linie auf die Hafenstädte, die Ausgangspunkt aber auch Ziel all jener waren, die das Meer befuhren. Geprägt wurde das Mittelmeer, das wir heute kennen von den Phöniziern, Griechen und Etruskern, im Mittelalter dann von Genuesern, Venezianern und Katalanen, später dann von der holländischen, englischen und russischen Flotte. Darüber wird man ausführlich in Kenntnis gesetzt.

Das Buch wartet mit einem kleinen Bildteil auf, der den Textfluss aber nicht beeinträchtigt, weil er abgesondert wurde. Insofern illustrieren nur einige Kartenausschnitte den dichten, faktenreichen Text, der Liebhaber der mediterranen Region gerade in den Wintermonaten packen kann, wenn die Bereitschaft besteht, sich durch ein solch umfangreiches Werk zu arbeiten, d.h. auch immer wieder innezuhalten und sich bewusst zu machen, was die Zeitläufte bei allen Kriegen, Tragödien, Schrecken und Irrfahrten an positiver Enwicklung gebracht haben.

Es lohnt sich, weil man einen neuen Blick auf alles erhält, so beispielsweise auf alte Hafenstädte wie Marseille, Alexandria, Saloniki, Triest und Konstantinopel und das Heute als das Ergebnis des Gestern erkennt. Am Mittelmeer wird Werden und Vergehen sehr deutlich, selbst die schönen Gärten der Hesperiden hatten keinen Bestand. Entwicklung macht erforderlich, dass Altes untergeht und ersetzt wird durch Neues und wer sich gegen das Neue entscheidet, geht stets mit dem Alten unter. Das sind meine wesentlichen Erkenntnisse aus diesem Buch. Keine neuen Erkenntnisse, aber sie werden in der Kulturregion am Mittelmeer besonders deutlich. 

 Empfehlenswert.

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Rezension:13 Hochzeitspaare auf der Titanic (Gebundene Ausgabe)


Gill Paul ist der Autor dieses reich illustrierten Buches, das die Geschichte von 13 Hochzeitspaaren erzählt, die sich 1912 auf der Titanic befanden als dieser Luxusdampfer unterging.

In der Einleitung erfährt man Wissenswertes über dieses Unheils-Schiff, dessen Gesellschaftsräume und Kabinen nach dem Vorbild der besten europäischen Hotels im Stil verschiedener Epochen eingerichtet waren. Zu verstehen war die Titanic wohl als schwimmendes Luxushotel. Erster- Klasse- Passagiere stand ein Schwimmbecken, ein türkisches Bad, eine Squashanlage und eine Sporthalle zur Verfügung. Sogar ein Palmengarten war vorhanden. 20 Meter war die Prunktreppe der ersten Klasse hoch und wurde von einer Kuppel gekrönt. Das Schiff hatte alles nur eines nicht: Genügend Rettungsboote.

Man liest wie der Luxusdampfer in See sticht und sich dem Eisfeld nähert, wie er der Schiffsrumpf am Eisberg entlangschrammte, wie die Nähte rissen und liest alsdann, was in den Folgestunden geschah…

13 Hochzeitpaare werden zunächst auf Bildern vorgestellt. Über John Jacob und Madeleine Astor hatte ich hatte ich früher schon mal etwas gelesen, kann mich allerdings nicht mehr erinnern in welchem Zusammenhang und wo. Die schöne Madeleine war auf der Hochzeitsreise 18 Jahre alt, ihr steinreicher Gatte 29 Jahre älter als sie. Trotz anderem Anschein war es eine Liebesheirat. Man liest wie es zu dieser Verbindung kam, liest vom Reichtum der Astors, dem Skandal über diese Beziehung, der der Grund für eine ausgedehnte Hochzeitsreise war. John Astor, der auf dem untergehenden Schiff vielen Frauen das Leben gerettet hat, sah seine junge schwangere Frau in jener Nacht das letzte Mal, denn er ging wie viele andere Männer mit dem Schiff unter. Für ihn war es selbstverständlich als Gentleman zu handeln, sich nicht durch Bestechung einen Platz in einem der Rettungsboote zu ergattern und dies obschon er rund 2500 Dollar in seiner Tasche bei sich trug. Der reichste Mann der Titanic war ein Ehrenmann, für ihn galt, Frauen und Kinder haben bei der Rettung Vorrang. Das darf nicht unerwähnt bleiben. Seine Frau, die das Schiffsunglück überlebte, gebar einen Sohn, trauerte lange um John Jacob, bevor sie erneut heiratete...

Kann man einen Mann, der so selbstlos und edel agiert, überhaupt vergessen? Ich vermute nicht.

Ich möchte die Geschichten an dieser Stelle nicht nacherzählen, wohl aber das Buch all jenen empfehlen, die ein wenig mehr begreifen möchten von dem, was sich auf der Titanic einst zutrug und was mit den Überlebenden geschah.

 Ein beeindruckendes Buch von Liebe und Tod, das ich allen empfehle, die etwas mehr über Menschen und ihre Verhaltensmuster in Extremsituationen erfahren möchten.

Sehr empfehlenswert.

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Rezension:Business Energy: Mit minimalem Aufwand maximale Leistung erzielen (Gebundene Ausgabe)

Der Managementberater Yorck von Prohaska lotet in seinem Buch die Möglichkeiten aus, wie man die Effizienz in Firmen erhöhen kann. In seinen Untersuchungen hat er dabei festgestellt, dass im Bereich der Effizienzsteigerungen von Unternehmen, Abteilungen und Teams stets die gleichen Hindernisse aufgetauchen.-

Um die Leser für das Thema zu öffnen, macht er von Prohaska zunächst mit seinem Business Energie-Modell vertraut und veranschaulicht dessen Wirkungszusammenhänge. Er zeigt in der Folge, weshalb wir uns mit Energieverlusten in Firmen befassen müssen, die vorliegen, wenn die verfügbare Energiemenge kleiner ist als die aufgewendete. Der Autor untergliedert in produktive, unproduktive und kontraproduktive Energie, erläutert jeweils, was man darunter versteht und welche Folgen sich daraus ergeben.

Zur Sprache gebracht wird, dass nicht zuletzt in großen Unternehmen Strukturen vorliegen, die Ineffizienz und Unproduktivität nicht nur zulassen, vielmehr sogar begünstigen. Kleine Firmen würden bei besagten Strukturen recht schnell zugrunde gehen. Gemeint sind beispielsweise Machtspiele in Großfirmen. Erläutert wird gut nachvollziehbar, weshalb sogenannte "weiche Faktoren" (die in einer Firma gelebten Werte) erfolgsentscheidend sind.

In diesem Zusammenhang listet der Autor vier Grundtypen der Organisationskultur auf:

Eine Kultur der hohen Leistung und des hohen Vertrauens 
Eine Kultur niedriger Leistung und hohen Vertrauens 
Eine Kultur hoher Leistung und niedrigen Vertrauens 
Eine Kultur niedriger Leistung und niedrigen Vertrauens 

Genau erklärt wird, wodurch sich diese Unternehmenskulturen auszeichnen und zu welchen Ergebnissen sie führen. Jedem vernunftbegabten Führungsmenschen dürfte sofort klar sein, dass eine leistungsorientierte Vertrauenskultur am effizientesten ist, nicht nur weil die Leistung hoch ist, sondern weil der Managementaufwand für Absicherungs- und Kontrollmaßnahmen nahezu entfällt.-- Weshalb Vertrauen die Basis für eine effiziente Kooperation darstellt, wird gut erläutert und es wird nicht unerwähnt gelassen, dass derjenige, der vertraut sich abhängig macht von der Redlichkeit des anderen. Menschen, die in einem Umfeld arbeiten, in dem Misstrauen herrscht, verwenden eine Menge Zeit darauf, sich abzusichern (S. 52), weil generell schlechte Absichten unterstellt werden. Wegen der extremen Absicherung und Kontrolle fehlt Energie für die eigentliche Arbeit. Sehr rasch wird klar, dass Vertrauen eine betriebswirtschaftliche Notwendigkeit ist, um eine Top- Leistung zu erbringen und Höchstleistungen in Betrieben nur in Verbindung von hoher Leistung und Vertrauen möglich sind.

Yorck von Prohaska zeigt, wie man eine leistungsorientierte Vertrauenskultur aufbaut und verdeutlicht dabei sehr gut, dass eine Vertrauenskultur mit einem Minimum an Kontrolle auskommt. Ziel ist es, das Personal zur Selbststeuerung zu befähigen, auf hinderliche Hürden zu verzichten und hierdurch die Flexibilität und Reaktionsgeschwindigkeit zu erhöhen. Natürlich ist die Auswahl der Mitarbeiter entscheidend. Diese müssen zur Unternehmenskultur passen. Wichtig sind Leistungsbereitschaft und Vertrauenswürdigkeit. Fachliche Mängel können bei entsprechender Leistungsbereitschaft zumeist schnell behoben werden, Persönlichkeitsschräglagen bei umwerfendem Leistungsnachweis allerdings wohl kaum.

Sieben Punkte erläutert der Autor gut verständlich und ausgiebig, die notwendig sind, um eine leistungsorientierte Vertrauenskultur aufzubauen und er zeigt auch wie man negative Veränderungen vermeidet und wie man beispielsweise eine patriarchalische Harmoniekultur dynamisieren kann.

Sehr gut wird erklärt wie man Energie freisetzt und erhält. Wer erfolgreich führt, für den muss Respekt eine unabdingbare Grundhaltung sein. Ferner muss eine solche Führungskraft berechenbar und konsequent und natürlich fair sein. Zur Sprache gebracht wird die richtige Kommunikation, die Leistungsenergie fördert und es werden die Auswirkungen der unterschiedlichen Unternehmenskulturformen aufgezeigt. Man wundert sich, wie bescheuert mitunter Führungskräfte sein müssen, wenn sie eine "leistungsarme Misstrauenskultur" nicht abstellen und mindere Effizienz längerfristig in Kauf nehmen. In der Regel kann es sich bei solchen Personen m.E. nur um Hierarchieaufsteiger im Sinne des Peter-Prinzips handeln, die völlig fehl am Platz sind. Eine kluge Führungskraft wird alles unternehmen, um die Rendite zu maximieren und dabei seine Mitarbeiter auf Kurs zu halten. Mangelnde Loyalität des Personals ist das Ergebnis einer falschen Unternehmenskultur, die das Unternehmen schwächt, anstelle es zu stärken.

Sehr empfehlenswert.

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Rezension:Die Geburt der Zivilisation. Der Aufbruch des Menschen in die Moderne 100000-1500 v. Chr. (Broschiert)

GEO Kompakt Nr. 37 ist eines der interessantesten Geo Magazine, die ich bislang gelesen habe. Das Thema heißt "Die Geburt der Zivilisation"- Der Aufbruch des Menschen in die Moderne- 100 000-1500 v. Chr.

Das reich bebilderte Magazin wartet mit einer Fülle von bemerkenswerten Beiträgen unterschiedlicher Fachleute auf und beginnt mit einer Bilddokumentation mit dem Titel "Der lange Weg zur Hochkultur", die von erläuternden Texten Sebastians Wittes und Rainer Harfs begleitet werden.

Vor 100 000 Jahren beerdigte der Mensch erstmals seine Toten, erfand die Kunst und wurde sesshaft. Des Weiteren begann er Tiere und Pflanzen zu züchten, Dörfer, Städte und Staaten zu gründen und durch die Erfindung der Schrift ein System zu entwickeln, seine Gedanken festzuhalten. Im Rahmen von Bilddokumentation wird man mit Kunstgegenständen vertraut gemacht, so etwa von einem Steinzeitkünstler vor 35 000 Jahren. Vor etwa 40 000 Jahren kam es in Europa zu einer "kreativen Explosion". Menschen begannen figürliche Kunstobjekte aus Knochen und Elfenbein zu schnitzen, sie erschufen opulente Höhlengemälde und fertigten die ersten Musikinstrumente an. Vor 27 000 Jahren entdeckte der Mensch wie man Keramik entwickelt. In den ersten Hochkulturen widmeten sich Menschen bereits dem Brettspiel. In den Königsgräbern des Zweistromlandes fand man die ältesten dieser Art.

Bevor man sich mit der Wiege der Kulturen vor 95 000 Jahren näher befassen kann, hat man Gelegenheit sich in ein Interview mit dem Prähistoriker Prof. Dr. Hermann Parzinger zu vertiefen. Mit den Antworten des Archäologen im Hinterkopf begibt man sich gut ausgerüstet in das Fragefeld, das mit der Frage "Was weckt im Menschen nach Jahrtausenden des Überlebenskampfes auf einmal das Bedürfnis nach Kultur?" seinen Anfang nimmt.

In der Altsteinzeit begannen die Menschen zwischen vergänglichen Körpern und unsterblichen Geistern zu unterscheiden. Der damit verbundene Austausch über alles Symbolische setzte ein hohes kommunikatives Niveau voraus. Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich damals eine ausgefeilte Sprache mit komplexer Grammatik und Syntax entwickelt hat. Schmuck und Kunst von damals lassen in diesem Zusammenhang ebenfalls einen hohen Grad an Abstraktionsvermögen erkennen. Überlegt wird, was den kulturellen Fortschritt befeuert hat und man lernt u.a. auch den Steinkreis von Stonehenge kennen, dessen Achse genau auf den Punkt ausgerichtet ist, an dem zur Wintersonnenwende das Gestirn untergeht. Man lernt Höhlenmalereien, die vor 35 000 Jahren entstanden sind, kennen und andere, die etwa 10 000 Jahren alt sind. Man sieht wie der kunstsinnige Mensch im Laufe der Jahrtausende seine Techniken und Aussagen immer mehr verfeinert hat.

Über die Keramik der Steinzeitmenschen wird man aufgeklärt, lernt die ältesten Kunstwerke aus Ton kennen, die sie lange vor Gebrauchs-Gefäßen kreierten und kann sich klar machen, wie tief die Liebe zur Kunst in Menschen verankert ist. Man lernt zudem frühe Keramikstile in Europa kennen und wird darüber aufgeklärt, wie es dazu kam, dass der Mensch sich niederließ und vom Sammler und Jäger zum Bauern und Viehzüchter wurde. Im Zusammenhang mit diesem Wandel konnten sich erstmals Keime massiv verbreiten und Epidemien ausbreiten. Darüber wird man in einem der Beiträge ausführlich unterrichtet und liest auch über die Kunst der frühen Ärzte in Ägypten und Mesopotamien. Dort kannten Mediziner schon im 3. Jahrtausend v. Chr. zahllose Heilmittel, hatten aber noch kein großes anatomisches Wissen.

Man liest von ersten Krieg vor 5500 Jahren in Mesopotamien und erfährt, dass seither Menschen mit Armeen und tödlichen Waffen um Ressourcen, Raum und Macht kämpfen. Vorgestellt wird Uruk, die erste Großstadt der Welt. Dort lebten vor 5300 Jahren bereits 25 000 Menschen auf engstem Raum. Ausgeprägt waren soziale Unterschiede. Es gab eine Elite, die über der Bevölkerung stand. Gelehrte nutzten erstmals Schriftzeichen, um der wachenden Bürokratie Herr zu werden, (S.92).

Die Entstehung der Schrift ist ein Thema. Sie wird auf das Jahr 3300 v. Chr. datiert. Von nun an ist es möglich Gedanken, Geschichte, Erfahrungen und Fakten festzuhalten und allen, die lesen können, zugänglich zu machen.

Die Bronzezeit kommt zur Sprache und mit ihr die Fertigung von Geräten, Waffen und Schmuck und man liest vom kulturellen Austausch, der nicht nur den Handel befördert hatte, sondern auch Erfindungen.

Leider ist es nicht möglich, hier einzelne Beiträge zu diskutieren und alle anzusprechen. Besonders interessant fand ich den Beitrag "Das Prinzip der Macht" und hier wie Herrschaft entsteht und wie sie am besten funktioniert. Nichts scheint besser zu funktionieren, als dass man die Unterworfenen am System ein wenig profitieren lässt. Es ist schon interessant, dass über Tausende von Jahren die meisten Gesellschaften zyklisch zwischen Egalität und stärkeren oder schwächeren Hierarchien wechseln. Die Ursachen hierfür liegen vermutlich in uns Menschen selbst.

 Sehr empfehlenswert.

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Rezension:Die Pest in Salzburg (Gebundene Ausgabe)

Dieses Buch von Dr. Dr. Leopold Öhler habe ich heute bis in die frühen Morgen hinein gelesen. Normalerweise schlafe ich zu solchen Zeiten, doch der Lesestoff packte mich nahm mich völlig gefangen. Dafür gibt es einige Gründe. Einerseits interessierten mich Themen grundsätzlich, die mit Salzburg in Verbindung stehen, andererseits hat mich das Thema Pest schon immer aufhorchen lassen, nicht zuletzt, weil an dem Ort, wo ich aufwuchs, zu Ende des 30 jährigen Krieges die Pest so heftig grassierte, dass fast alle Menschen dort ums Leben kamen und es zu einer Neubesiedlung kam. Interessanterweise gibt es im Sprachschatz der Einheimischen Worte, die meine aus dem Osten kommenden Vorfahren nie benutzen und die verdeutlichen wie sehr die Angst vor der Pest sich dort ins kollektive Bewusstsein eingeprägt hat. Der Autor von "Die Pest in Salzburg" schreibt auch von solchen Begriffen, die sich über Jahrhunderte erhalten haben.

Das Buch beruht übrigens auf einer Dissertation und beginnt mit einem allgemeinen Teil, der sich mit Seuchen in der Geschichte der Menschheit befasst. Unter Seuchen versteht man ansteckende Krankheiten, die viele Menschen in einem Gebiet zur selben Zeit mit den gleichen Symptomen befallen, (vgl.S.10). Man liest von zahlreichen unterschiedlichen Seuchen, von denen der mittelalterliche Mensch betroffen war, die allerdings nur regionale Bedeutung hatten, bis im Jahr 1348 fast ganz Europa von der Pest heimgesucht wurde. Von da an plagte die Pest 400 Jahre die Menschen auf unserem Kontinent. 1347/48 war keineswegs die erste Pestwelle, die Europa erreichte, denn die sogenannte "Justinianische Pest" verheerte bereits 542- 594 das Byzantinische Reich. In Florenz starben 1348 allein 45 000- 60 000 Menschen, auf Mallorca raffte im gleichen Jahr die Pest 80% der Bevölkerung hin. Ein Jahr später starben 20 000 Menschen in Wien an dieser fürchterlichen Seuche. Das war das Jahr, wo allein in Deutschland 1,2 Millionen Pest-Tote beklagt werden mussten.

 Die Angst vor dieser unberechenbaren Krankheit, die sich in allen Gesellschaftsschichten ausbreitete, führte dazu, dass die familiären und sozialen Bindungen stark litten, führten auch zu ökonomischen Veränderungen und zu Fluchtverhalten, besonders in der Oberschicht, die die Städte verließen, um der Pest zu entkommen.-

 Gemeinsam mit zahlreichen Kriegen und den sie begleitenden Hungersnöten blieb die Pest im 16. und 17 . Jahrhundert ein fester Bestandteil des Alltagslebens in Europa und bereitete sich besonders stark im Dreißigjährigen Krieg aus, (vgl.: 26ff). 1720 kam diese Seuche das letzte Mal nach Europa und raffte in Marseille alleine 40 000 Menschen hin. Die Ursache, weshalb die Pest seither verschwunden ist, wird kontrovers diskutiert. Offenbar haben sich die Bedingungen für den Pestfloh verändert, seit die Hausratte von der Wanderratte verdrängt wurde und der infizierte Pestfloh nicht mehr so leicht das Wirtstier wechseln kann.

Aufgeklärt wird man über die Ursachen, die die Pest-Epidemie begünstigt haben und erfährt den Unterschied zwischen Beulenpest, Lungenpest, Pestsepsis und einer Pest mit milderer Verlaufsform. Dabei führte die Pestsepis fast immer in wenigen Stunden zum Tode.

 Nach dem allgemeinen Teil wird ausgiebig die Salzburger Pestgeschichte beschrieben und hier zunächst das große Sterben im 14- 16. Jahrhundert und in der Folge die Pestjahre im 17. Jahrhundert. Die Maßnahmen im Erzstift sind ein Thema, die aus zwei Strategien bestand, über die man Näheres erfährt, so etwa über die Abwehrmaßnahmen vor Ausbruch der Seuche. Man liest über die Meldepflicht, die Ärzte, die Bader und anderes Personal, über die Isolierung der Kranken, auch über die Einrichtung von Pesthäusern und Lazaretten und schließlich auch über die Medizin. Die Säuberungs- und Desinfektionsmaßnahmen werden beschrieben. Häuser verstorbener Pestkranker wurden ausgeräuchert und gelüftet. Weihrauch, Salbei, auch Wacholder sollten den Pesthauch vertreiben.-- Welche Auswirkungen die Pest-Epidemien in Salzburg hatten, beschreibt der Autor auch sehr ausführlich. Was bleibt, ist die Hoffnung, dass die Menschheit in unserem Jahrtausend von solchen Seuchen verschont bleibt.

Dass Mozart gerade an dem Ort geboren ist, wo die Pest vor seiner Zeit so arg den Menschen zusetzte, finde ich bemerkenswert. So gesehen, erscheint seine Musik wie ein inniges Dankeschön, dass die Menschen von dieser Geisel endlich befreit worden sind.

Empfehlenswert.

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