Dieses Blog durchsuchen

Rezension Peter J. König: Hitlerjunge Schall- Die Tagebücher eines jungen Nationalsozialisten-André Postert- dtv

Der Autor dieses erhellenden Buches mit dem erklärenden Titel "Hitlerjunge Schall" ist André Postert, der an der Universität Duisburg-Essen Neuere und Neueste Geschichte studiert hat. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Hannah-Arendt-Institut an der Technischen Universität Dresden sind seine Forschungsschwerpunkte Jugendorganisationen im Nationalsozialismus und Mentalitätsgeschichte. 

Als einzigartiges Zeitdokument hat Postert die Tagebücher von Franz Albrecht Scholl, geb. 1913 ausgewertet, die dieser als Sohn eines Gymnasial- Lehrerehepaares in der thüringischen Kleinstadt Altenburg aufgezeichnet hat, als er 1930 mit 17 Jahren in die Hitlerjugend eintrat. 1932 wurde er Mitglied in der NSDAP. Seine umfassende Bildung und auch der Einfluss seiner Eltern, die ablehnend dem Nationalismus und den Nazis gegenüberstanden, konnten ihn nicht darin hindern, Karriere durch und in der Partei zu machen. 

Nach dem Abitur, einer Lehre und dem Studium wurde er Erzieher und Werklehrer an einer der Kaderschmieden des Reiches den Adolf-Hitler-Schulen in Sonthofen. Sein Glaube an Adolf Hitler, den Nationalsozialismus und die Treue zur Ideologie konnten auch seine aufkommenden Zweifel durch die Fronterlebnisse nicht erschüttern, zu sehr stand Schall im Bann der Rhetorik der NS-Ideologie und den Inszenierungen, die seine Jugend und sein Ausbildungsstadium nicht löschbar geprägt hatten. 

Dass sein Vater, Jugendfreund und Studienkollege des großen Schriftstellers Hermann Hesse und Teil der intellektuellen Oberschicht von der Gestapo in Haft genommen wurde, ließen bei dem jungen Franz Albert Schall ebenfalls keine Zweifel an den Nationalsozialisten aufkommen. Dies setzte sich auch fort nach dem Untergang des Dritten Reiches, als 1945 zwar das politische System zerbrochen war, die Ideologie der Nazis in den Köpfen und den Herzen aber ungebrochen weiter existierte. 

So auch bei Schall, der bis zu seinem Tod im Jahre 2001 unverbrüchlich die Anschauungen und Werte der Nazis verkörperte. Damit stand Franz Albert Schall beileibe nicht allein, denn die Ideologie der Nationalsozialisten wurde weder durch die Entnazifizierung, noch durch die Aufklärung in den Schulen in den anschließenden Jahrzehnten restlos ausgeräumt, ganz im Gegenteil. 

André Postert versucht nun in seinem Werk "Hitlerjunge Schall" an Hand der Aufzeichnungen und Tagebücher nachzuvollziehen, wie es möglich war, dass ein gebildeter Heranwachsender derart in den Sog der Nationalsozialisten geraten konnte. Aufklärung sollen dabei die Notizen bringen, die Zeugnis ablegen von den tiefen Eindrücken, die der junge Mann von den Politischen Vorträgen, den Aufmärschen, der persönlichen Begegnung mit Hitler in den Anfangsjahren, den Massenveranstaltungen und den Wanderfahrten erlebt hat. Dabei spielt der Aufbruch in eine vermeintliche Neue Zeit ebenso eine wesentliche Rolle, wie die Kameradschaft mit dem Zusammengehörigkeitsgefühl und die suggerierte Überlegenheit in der Masse. 

Aber auch die unbedingte Gläubigkeit, die uneingeschränkte Begeisterung und ein unerschütterlicher Optimismus sind die Gründe, warum ein scheinbar aufgeklärter junger Mann sich total der NS-Ideologie mit all seinen Folgen verschrieb und auch dann noch nicht davon ablassen konnte, obwohl klar war, was diese den Deutschen und Millionen von Menschen in Europa und aller Welt angetan hat. 

Ob Krieg, Vernichtung von Juden, Sinti und Roma, Homosexuellen und Zwangsarbeitern, nichts konnte letztendlich die Gehirnwäsche ausmerzen, die durch die Infiltration in den Köpfen der jungen Menschen durch die "Nationalsozialistische Bewegung" stattgefunden hatte. Um einen tieferen Eindruck davon zu vermitteln, darum geht es in diesem Buch, das durch die persönlichen Aufzeichnungen, Protokolle und Tagebuch-Eintragungen ziemlich direkt zeigt, was es eigentlich war, dass den Hitlerjungen Schall so fasziniert hat. 

Sehr empfehlenswert 

Peter J. König

Überall im  Handel erhältlich
Onlinebestellung dtv und Amazon

Rezension: Der schmale Grat der Hoffnung- Jean Ziegler- C. Bertelsmann

Jean Ziegler, der Autor dieses Buches, ist emeritierter Professor der Universität Genf. Bis 1999 war er Abgeordneter im Eidgenössischen Parlament und von 2000 bis 2008 UN- Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung. Derzeit ist er Vizepräsident des beratenden Ausschusses des UN- Menschenrechtsrates. Jean Ziegler wurde mit diversen Ehrendoktoraten und internationalen Preisen ausgezeichnet. 2008 erhielt er den Internationalen Literaturpreise für Menschenrechte. 

Das Buch "Der schmale Grat der Hoffnung" trägt den Untertitel "Meine gewonnenen und verlorenen Kämpfe und die, die wir gemeinsam gewinnen werden" und wurde von Hainer Kober aus dem Französischen übertragen. Das Werk ist ein autobiographisches Buch. Der Autor hat es seinen Freunden gewidmet, die er im Einzelnen aufzählt. 

Im Vorwort bereits lässt er seine Leser nicht im Ungewissen, dass der Dritte Weltkrieg gegen die Völker der Dritten Welt längst begonnen habe. Ziegler spricht von winzigen kapitalistischen Oligarchien, die über nahezu grenzenlose Macht verfügen und sich geradezu jeder staatlichen, gewerkschaftlichen und gesellschaftlichen Kontrolle entziehen. Diese Oligarchien bemächtigen sich des weitaus größten Teils der weltweiten Reichtümer und zwingen den Staaten der Erde nur ihr Gesetz auf, so der Autor. Ziegler ist sich sicher, dass das Kollektivbewusstsein trotz neoliberaler Wahnideen, die die Oligarchien verbreiten, durchdrungen ist von der Vorstellung der Gleichheit aller Menschen und er ahnt, dass der Aufstand des Gewissens nah ist. 

Jean Ziegler benennt die Ahnherren der UN-Charta, als da sind Rousseau, Voltaire, Diderot, d` Alembert und Montesquieu und betont, dass die multilaterale Diplomatie ihre Grundprinzipien der Aufklärung verdanke. 

Das Buch ist in 9 Kapitel untergliedert. Dabei geht es zunächst um die Entwicklungsziele, die die UNO 2016 in ihrer Agenda 2030 zur Überwindung der gegenwärtigen kannibalischen Weltordnung festgelegt hat. Ziegler untersucht hier als Symptom der Ordnung die miese Praxis der Geierfonds. Die Eigentümer dieser Fonds gehörten zu den schlimmsten Beutejägern des kapitalistischen Systems. Weshalb das so ist, wird an Beispielen erläutert. 

Wie Ziegler weiter schreibt, besaßen 2015 1 Prozent der reichsten Personen der Erde mehr Vermögenswerte als 99 Prozent der restlichen Menschheit und das Eigentum der 62 reichsten Multimilliardäre des Planeten  habe den Besitz der ärmeren 50 Prozent seiner Bewohner übertroffen. Offenbar sind die Ursachen hierfür in der Aufhebung staatlicher Normativität, Abschaffung der Bankkontrollen, Entstehung privater Monopole, ungehemmter Ausbreitung von Steueroasen etc. begründet. 

Im zweiten Kapitel berichtet Jean Ziegler von den Kämpfen, die er ausgefochten hat und hier in den letzten 25 Jahren im Wesentlichen auf den Schlachtfeldern der UNO. Im dritten und vierten Kapitel reflektiert er die Gründungsprinzipien und die Entstehungsgeschichte der UNO. Dabei sollte man wissen, dass die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der UNO eine beinahe deckungsgleiche Kopie der Erklärung der Menschen und Bürgerrechte der Französischen Revolutionäre von 1789 ist. 

Es führt zu weit, nun alle Kapitel des Buches detailliert zu beleuchten, sich beispielsweise mit imperialen Strategien hier näher zu befassen, über die der Autor im Buch auch schreibt. Interessant sind Zieglers Überlegungen zur universellen Gerechtigkeit, so etwa auch wie die Richter an den verschiedenen internationalen Gerichtshöfen der UNO Recht sprechen. Interessant sind zudem die Betrachtungen zu Kämpfen, die es gemeinsam zu gewinnen gilt.

Die kannibalische Weltordnung in Frage zu stellen und in der Folge das Leid auf dieser Welt zu minimieren, darum geht es. Das Buch zeigt Wege auf, wie dies zu erreichen ist. Einfach allerdings ist das ganz und gar nicht.

Überaus empfehlenswert. 
Helga König

Überall im Handel erhältlich