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Rezension: Brandstifter und Biedermänner- Michael Grüttner/ Klett-Cotta

Autor dieses umfangreichen Werkes ist Professor Michael Grüttner. Er interpretiert in seinem Buch die Geschichte des Nationalsozialismus im Zusammenspiel von "Brandstiftern" und "Biedermännern". Zur Sprache gebracht werden die Jahre zwischen 1933-1939. In dieser Zeit kam es zu grundlegenden Veränderungen in der Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur. Das geschah durch die gewaltsame Ausschaltung politischer Gegner, die Beseitigung demokratischer Strukturen durch den Wechsel des Führungspersonals in diversen Institutionen aber auch mittels Aufbau der nationalsozialistischen Massenorganisationen.

Diese Nazifizierung fand in allen Bereichen der Gesellschaft, selbst im Sport statt. Dabei war ein essentielles Element die Ausgrenzung der Juden aus der deutschen Mehrheitsgesellschaft und die allmähliche Verschiebung moralischer Werte. Ein Schwerpunkt des Buches ist die Beantwortung der Frage wie sich der Wandel auf Wirtschaft, Medien, das Erziehungswesen, die Kirchen, die Wissenschaft, das Militär auswirkte.

Offenbar stießen die Nationalsozialisten nirgendwo auf wirksamen Widerstand und es wundert insofern nicht, dass schon 1933 die Gewerkschaften in Deutschland verboten wurden. Einer der Schwerpunkte im Buch beruht auf den Überlegungen, inwieweit schon in den Jahren scheinbarer Normalität die Grundlagen für den Krieg und den Massenmord gelegt wurden, so etwa durch die systematische Indoktrination der jungen Generation und den Aufbau des Gewaltapparates aus SS, Gestapo und Konzentrationslagern, der nur dem Führerwillen, nicht aber dem Gesetz verpflichtet war.

Bereits in den 1930ern war der Holocaust im Denken Hitlers präsent, wie Grüttner den Leser wissen lässt. Dass die Biedermänner  und - frauen kein Akzeptanzproblem hatten als er dann stattfand, wundert bei der Hittlerhörigkeit nicht.

Unmöglich auf all die 16 Kapitel im Buch näher einzugehen, die dann stets  nochmals unterteilt sind. Nichts bleibt ausgespart. Deutlich wird die vollständige Verpestung durch die menschenverachtende Ideologie.

Der Autor begreift die nationalsozialistische Politik als Weltanschauungsdiktatur, deren wichtigste Antriebskraft ideologischer Natur war und den Anspruch erhob generell alle Bereiche von Staat und Gesellschaft ideologisch zu durchdringen. Diese Diktatur stand nicht im Interesse einer bestimmten Interessengruppe. Alle vereinte der Glaube an den Hitler-Mythos. 

Wer die Kapitel aufmerksam studiert, hat am Ende eine klare Vorstellung davon,  was in jener Zeit in Deutschland geschah, weshalb das Zusammenspiel von Biedermänner  und Brandstiftern perfekt funktionierte.

Sehr empfehlenswert.

Helga König

Bitte klicke Sie auf den Link, dann gelagen Sie zu Klett-Cotta und können das  Buch bestellen. Sie können es  aber auch direkt beim Verlag ordern.https://www.klett-cotta.de/buch/Geschichte/Brandstifter_und_Biedermaenner/55812

Rezension: Amnesty International Report 2014/15- Zur weltweiten Lage der Menschenrechte- S. Fischer

Das Vorwort zu diesem wichtigen Buch hat Salil Shetty, der internationale Generalsekretär für Amnesty International verfasst. Er sagt, dass das Jahr 2014 ein schwarzes Jahr war für alle, die es wagten, für Menschenrechte einzutreten aber auch für Menschen, die erleben mussten, wie sich ihre Heimat zu einem Kriegsgebiet verwandelte. 

Es sind die politischen Entscheidungsträger, die kläglich versagen, wenn es darum geht, denjenigen Schutz zu gewähren, die ihn am dringendsten benötigen. Obschon das humanitäre Völkerecht Regeln für die Austragung bewaffneter Konflikte festgelegt hat, wonach sich Angriffe niemals gegen Zivilpersonen richten dürfen, werden diese Regeln mit Füßen getreten, wie die Realität zeigt. So hat der Konflikt in Syrien in den letzten vier Jahren mehr als 200000 Menschenleben gekostet, zumeist waren es Zivilisten. 7,6 Millionen Menschen befinden sich innerhalb von Syrien auf der Flucht.

Entsetzlich sind die Kriegsverbrechen und ethnischen Säuberungen seitens des IS (bewaffnete Gruppe islamischer Staat) und dramatisch auch ist, was im Gazastreifen geschieht. Im Südsudan wurden 2 Millionen Menschen vertrieben und Folter, Vergewaltigung als auch Massenmord fanden in der Zentralafrikanischen Republik kaum Beachtung. Immer mehr Kriege werden auf dem Rücken der Zivilbevölkerung ausgetragen, doch immerhin gibt es bereits 40 Mitgliedstaaten des US-Sicherheitsrates, die freiwillig auf Einlegen eines Vetos verzichten, wenn hierdurch der Sicherheitsrat in Situationen von Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit blockiert wird. 

Die Weltgemeinschaft hat Millionen von Flüchtlingen den Schutz verwehrt, so wurden nur 2% der syrischen Flüchtlinge dauerhaft in Drittländern aufgenommen. 

Amnesty International fordert, dass die Verantwortlichen für die Menschenrechtsübertretungen zukünftig zur Verantwortung gezogen werden müssen, weil nur so sich die Regeln zum Schutz der Zivilbevölkerung voll entfalten können. 

Im Buch werden die Regionen im Überblick dargestellt und man erfährt auf diese Weise  mehr zur Armut, Diskriminierung und Ausgrenzung, zu Folter und anderen Misshandlungen, zu Haftbedingungen, den Rechten indiginer Völker, zur Unterdrückung Andersdenkender, zur wachsenden Intoleranz, zu Gewalt gegen Frauen und Mädchen, um nur einige Problemfelder zu nennen, übrigens nicht nur  in den Drittländern. 

Ich empfehle, dieses Buch immer wieder zur Hand zu nehmen, um sich bewusst zu machen, weshalb der ethische Wandel vorangetrieben werden muss. Sich dafür zu engagieren tut Not. 

Sehr empfehlenswert 

Helga König

Bitte klicken Sie auf den Link, dann gelangen Sie zu den S. Fischer-Verlagen und können das Buch bestellen.http://www.fischerverlage.de/buch/amnesty_report_2014_15/9783100008381. Sie können es jedoch auch direkt bei Ihrem Buchhändler um die Ecke  ordern.

Rezension: #Nürnberg- #Menschheitsverbrechen vor Gericht 1945- #Thomas_Darnstädt- Piper

Autor dieses spannend zu lesenden Sachbuchs ist Dr. jur. Thomas Darnstädt. Er ist Jurist und Journalist mit den Schwerpunkten Polizeirecht, Bürgerrechte und Internationales Recht.

Im vorliegenden Buch wird der Prozess gegen die Nazi-Elite in Nürnberg zu Ende des 2. Weltkrieges breit angelegt, erörtert. Ausgangspunkt ist die Frage: Wie macht man richtig Frieden? 

Nürnberg hat gezeigt, dass Frieden durch Recht ein sinnstiftender Weg sein kann. Dabei prägte der Hauptankläger im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess, #Robert_H._Jackson die Idee, dass die Völkergemeinschaft eine Instanz benötige, die eine Verletzung der Grundnormen ihres Zusammenlebens nicht ungeahndet lasse. 

Der Washingtoner Historiker #Christopher_Simpson, der im Buch zitiert wird, beschreibt die Situation nach dem 2. Weltkrieg wie folgt "Nach dem damaligen Stand des Völkerrechts erschien die systematische Verfolgung der Juden und anderer, die in den Achsenstaaten eingeschlossen waren, tatsächlich als >legal<.“ Grund war eine Lücke im Kriegsrecht. Es handelte sich dabei, um das Nichterfassen der "Makrokriminalität", ein Phänomen der großangelegten Gewaltanwendung, die sich vom Krieg insofern unterscheidet, dass ihr Ziel der Selbstzweck ist. Die Nazis ermordeten die Juden nicht, um den Krieg zu gewinnen, sondern einzig um sie zu töten. Diese Rechtslücke galt es zu schließen und die Täter für ihr Tun zur Verantwortung zu ziehen. 

Der Autor berichtet eingangs von den Überlegungen, wie die Alliierten zunächst planten,  mit den kriegsverbrecherischen Nazis nach Kriegsende umzugehen. Hier auch liest man dann vom Westfälischen Frieden in Münster und Osnabrück und der damaligen Interpretation von Krieg als legitime Fortsetzung von Politik mit anderen Mitteln, wobei allerdings gewisse Regeln eingehalten werden mussten. Zu diesen Regeln zählte, dass der Krieg ordnungsgemäß erklärt und beendet wird. Die Überlegungen aus dem Jahre 1648 fanden bis zu Hitler stets Anwendung, wenn Krieg geführt wurde. Hitler allerdings terrorisierte durch seinen Krieg ohne Regeln und Grenzen die Welt auf das Maßloseste. Er und seine Schergen überfielen Länder ohne Kriegserklärung und setzten auf die totale Vernichtung des Gegners. Weil dieser Souverän respektlos agierte und alles niedermachte, mussten ihm Grenzen aufgezeigt werden. 

Erwähnt werden u.a. die Überlegungen zum Morgenthauplan, die man in dem Memorandum "Wie man Deutschland hindern kann, einen dritten Weltkrieg zu beginnen" vom 1.9. 1944 nachlesen kann. Darnstädt fasst sie in seinem Buch kurz zusammen und macht auch deutlich, weshalb man davon wieder Abstand nahm. Nach dem Aufzeigen verschiedener Überlegungen wie man gegen die Nazi-Bande rechtlich vorgehen könne, wird man mit den Gedanken des amerikanischen Juristen Robert H. Jackson vertraut gemacht. Ihm allein es zu verdanken ist, dass am 1.10. 1946 neunzehn der führenden Mitglieder des Hitlerregimes als verantwortliche eines verbrecherischen Staatsapparates verurteilt wurden. So kam durch das Urteil des Internationalen Militärtribunals von Nürnberg die Wende eines jahrhundertealten unmenschlichen Völkerechts zustande, das den Staaten das Recht zusprach, Krieg zu führen, und Staatsführer sowie Kriegsherren freistellte von jeder Verantwortung für das Unheil, das sie über die Menschen gebracht hatten. 

Ohne einen Juristen wie den eloquenten Anwalt Jackson wäre die Erklärung der Menschenrechte, das Gewaltverbot der Vereinten Nationen und die weltweite Ächtung des Völkermordes als Verbrechen nicht möglich gewesen. Für dessen Neuordnung der Welt war folgender Staftatbestand, den es bislang im Völkerrecht noch nicht gab, essentiell: "Das Verbrechen, welches alle geringeren Verbrechen einschließt" sei die "Einleitung eines unrechtmäßigen Krieges." 

Jackson verdeutlichte, dass ein Angriffskrieg ein Verbrechen ist. Er, der amerikanischer Chefankläger des Internationalen Militärtribunals wurde, wollte keine Siegerjustiz, sondern ein Gerichtsverfahren, das nicht zum Schauprozess verkam. 

Darnstädt stellt in seinem Buch die Hauptangeklagten vor und schreibt über deren verbrecherische Machenschaften in der NS-Zeit. Drei Punkte hatte Jackson in seinem Entwurf ausgearbeitet:

Der Angriffskrieg 
Das Kriegsverbrechen 
Verbrechen gegen die Menschlichkeit 

Plan der Washingtoner Völkerrechtler war zudem "die Verurteilung der Naziorganisationen als "verbrecherische Vereinigung" zu entlarven. Dies nämlich hätte die Prozesse gegen Zehntausende von Mittätern, Mitläufern, Gehilfen und Spitzeln, Denunzianten und Menschenschindern vereinfacht. Massenprozesse dieser Art gab es in der Folge jedoch  nicht, weil man die Weltgerechtigkeit letztlich wegen des nun herrschenden Kalten Krieges und der neuen Verbündeten  beiseite schob. 

Es führt zu weit,  an dieser Stelle die rechtlichen Diskussionen und das Ringen der Juristen der Alliierten, die nicht immer einer Meinung waren, hier aufzuzeigen und auf Rechtsproblematiken einzugehen, die es zu klären galt. Spannend zu erfahren ist, wie die Ermittler in ganz Europa nach Beweisen suchten und die Nazidiktatur schließlich zur Strafsache machten. Im Diensttagebuch von Hitlers Generalgouverneur von Polen,  Hans Frank  sind auf 11.367 Seiten die Notizen eines Völkermords festgehalten. Dieses Tagebuch wurde Jacksons umfassendes Beweisstück- ein Kompendium des Zynismus und der Menschenverachtung. Frank hat dort pedantisch genau die Geschichte von Mord, Hunger und Massenausrottung niedergelegt. 

Die Katastrophe des Zweiten Weltkrieges und die Hitlerbarberei machte der Welt deutlich, welche Rechtlosigkeit im Völkerrecht herrschte. Vertiefen kann man sich in die Anklageschrift gegen 24 Nazihaupttäter und in die Erläuterung der einzelnen Anklagepunkte:

1. Verschwörung 
2. Verbrechen gegen den Frieden 
3. Kriegsverbrechen 
4. Verbrechen gegen die Humanität 

Anschließend erfährt man, was sich im Justizpalast zu Nürnberg damals ereignet hat. Jackson versuchte allen klar zu machen, dass es in jenem Gerichtssaal um mehr ging als um Recht, weil dem Jahrtausendverbrechen mit herkömmlichem Völkerecht nicht beizukommen war. Immer wieder liest man von Beweisstücken und von diesem mörderischen Treiben, auch liest man von dem Bemühen der Amerikaner, die Wehrmacht in ihrem Kern als kriminelle Organisation zu entlarven. Namen wie Ohlendorf werden genannt und dessen Einsatztruppe D, die der 11. Armee zugeteilt war. Es handelte sich um eine Mörderbande, die  90 000 Menschen kaltblütig tötete. 

Der Autor beschreibt wie Hitlers Helfer ihre Taten erklärten und man ist immer wieder von dieser Kaltschnäuzigkeit angewidert, mit der das braune Pack noch auf der Anklagebank ihr teuflisches Wesen offenlegte. 

Thematisiert wird u.a. die Frage "Kann soldatische Pflichterfüllung auch die Ausführung verbrecherischer Befehle rechtfertigen?" und man liest in diesem Zusammenhang einen Bericht des Lagerkommandanten von Auschwitz, Rudolf Höß. Des Weiteren kann man sich u.a. mit den Verbrechen des Hermann Göring und den entsetzlichen Verbrechen des "Judenschlächters von Krakau", Hans Frank befassen. Doch auch Albert Speer ist ein Thema, der in Hitlers Auftrag für die Beschaffung von Zwangsarbeitern für die Kriegswirtschaft zuständig war. 

Der Leser erlebt das Urteil, wird mit vielen Fragen konfrontiert, die mehr als nur nachdenklich stimmen. Darunter die Frage: "Sind Kriegsherren Kriminelle?" Man erfährt auch, wie die Todesurteile vollstreckt wurden am 16.Oktober 1946 und wie sich Göring dem Urteil durch Selbstmord entzog. 

Die Urteile von Nürnberg, die nach 218 Verhandlungstagen gefällt wurden, sind  das Ergebnis der "Nürnberger Prinzipien", die Jackson gestaltet hatte. So sollte fortan neues Unheil verhindern werden, wenn jeder Täter zukünftig  damit rechnen musste, sich vor einem Weltgericht zu verantworten. 

Man erfährt auch Näheres zu #Benjamin_Ferencz, der Chefankläger im Einsatzgruppen-Prozess war, einem der Nachfolgeprozesse im Rahmen der Nürnberger Prozesse nach dem Zweiten Weltkrieg. Der heute 94 jährige aktualisiert seine Homepage fast noch immer täglich und twittert seine Kommentare in die Welt. Soeben (17.5. 2015) habe ich zwei seiner Tweets verlinkt und ihm  in Worten meinen Respekt ausgesprochen. 

Was die Nürnberger Prinzipien bewirkt haben? Auch darüber erfährt man im Buch  Wissenswertes, doch bitte lesen Sie selbst. 

Sehr empfehlenswert 

Helga König

Bitte klicken Sie auf den Link,  elangen Sie zum Verlag  Piper und können das Buch bestellen.http://www.piper.de/buecher/nuernberg-isbn-978-3-492-05684-7

Sie könne es aber auch bei Ihrem Buchhändler um die Ecke bestellen.

Rezension: Ändere die Welt! Jean Ziegler - C. Bertelsmann

Autor dieses wichtigen Buches mit dem Untertitel "Warum wir die kannibalische Weltordnung stürzen müssen" ist der Soziologe Jean Ziegler. Er ist Vizepräsident des beratenden Ausschusses des UNO- Menschenrechtsrats und Träger diverser Ehrendoktorate und internationaler Preise, z.B. des Internationalen Literaturpreises für Menschenrechte. 

Gleich zu Beginn des Werks macht der renommierte Professor für Soziologe deutlich, dass sich die Welt in den letzten dreißig Jahren zutiefst gewandelt hat. Aufgrund des Zusammenbruchs der Sowjetunion 1991 verschwand die weltweite Bipolarität der Staatsgesellschaft. 

Folge war die Tyrannei der Oligarchien und des globalen Finanzkapitals. Zurückgekehrt sind Hunger und Not in Europa. Ziegler erwähnt nicht zuletzt die Zahlen der UNICEF von 2013, wonach in Spanien 11 Prozent der Kinder unter 10 Jahren unterernährt waren. Bei 28 Staaten der Europäischen Union liegt die sogenannte "Sockelarbeitslosigkeit vor", bei der 30,2 Millionen Männern, Frauen und Jugendlichen, betroffen sind,  in erster Linie junge Menschen unter 25 Jahren. 

Wie Ziegler betont, ist die multiethnische, laizistische, multikulturelle Nation eine Errungenschaft der Zivilisation, die heute bedroht ist von den Feinden der Vernunft, die da sind: der Dschaidismus, die christlichen, jüdischen, hinduistischen und buddhistischen Fundamentalisten, die gewaltbereiten Rassisten sowie aufklärungsfeindliche Denker aller Couleur. Überall werden die Menschenrechte mit Füßen getreten und es scheint wieder legitim zu sein, Menschen zu foltern.

Alle, die guten Willens sind, so Ziegler, müssen nach Ursachen suchen, nach den Interessen, die im Spiel sind, nach den Verantwortlichen  und wirtschaftliche, politische sowie gesellschaftliche Kalküle ans Licht bringen, die Menschenleben zerstören. 

Das Buch ist in 8 Kapitel untergliedert und beginnt mit der Frage, "Was nützt ein Intellektueller?" Danach wird aufgezeigt wie Ungleichheit entsteht. Der Autor nimmt dabei intellektuellen Bezug auf Rousseau, der stets aufs Neue auf die verheerenden Folgen der gesellschaftlichen Ungleichheit anprangert hat. Ziegler konstatiert, dass heute der deutlichste Ausdruck der Ungleichheit zwischen Menschen die kannibalistische Wirtschaftsordnung sei. 

Die 374 größten multinationalen Konzerne haben heute insgesamt Finanzreserven von 655 Millarden Dollar. Seit 1999 hat sich die Summe verdoppelt. Trotz dieser Tatsache leben mehr als 1Millarde Menschen von weniger als 1,25 Dollar am Tag. 

2014 starben mehr Menschen durch Hunger als in sämtlichen Kriegen, die in diesem Jahrhundert geführt wurden. Dies zu lesen, ist mehr als beschämend. 

Der Autor befasst sich in seinem Buch auch mit den Irrwegen der Ideologien und zeigt auf wie Ideologien entstehen, sich entwickeln und wandeln, aber auch welche Ideologie heute unseren Planeten dominiert. Es handelt sich dabei um die Ideologie des Neoliberalismus. Diese dient dazu, die weltweite Herrschaft der Oligarchen zu rechtfertigen, die das Finanzkapital besitzen.

Jean Ziegler erläutert ausführlich die Grundlagen der neoliberalen Ideologie und befasst sich im 4. Kapitel dann mit Wissenschaft und Ideologie und hier auch mit Kants Staatsdefinition. Zur Sprache gebracht werden zudem die Nation, wie sie entsteht und sich behauptet, auch die Ursachen für die Implosion der Kolonialreiche sind ein Thema. Des Weiteren wird der Frage nachgegangen, weshalb in Schwarzafrika Dekolonisation weitgehend gescheitert ist und wieso von wenigen Ausnahmen abgesehen, keine Nation, sondern nur Protonationen entstanden sind.

Ziegler erklärt zudem sehr gut nachvollziehbar  wie eine Gesellschaft entsteht und sich entwickelt und hier berichtet er auch, wann die erste menschliche Gesellschaft entstanden ist. Der Autor hofft auf das Erstarken einer planetarischen Zivilgesellschaft, auf die Vielfalt sozialer Widerstandfronten und auf deren Kampf gegen Ausbeutung, Gewalt und Markradikalismus.

Durch sein Buch schafft er Bewusstsein, das bitter notwendig ist. 

Empfehlenswert 

Helga König

Bitte klicken Sie auf den Link, dann gelangen Sie zum Verlag C.Bertelsmann und können das Buch dort bestellen.http://www.randomhouse.de/Buch/Aendere-die-Welt-Warum-wir-die-kannibalische-Weltordnung-stuerzen-muessen/Jean-Ziegler/e475452.rhd?mid=1. Sie können es jedoch auch direkt bei Ihrem Buchhändler um die Ecke ordern.

Rezension: Schizowirtschaft- Christian Scholz Joachim Zentes- Campus

"Wenn Mitarbeitern gesagt wird: "Ihr seid unser wichtigstes Kapital" und Mitarbeiter sehen, wie dieses Humankapital vernichtet wird, dann erleben sie ein unternehmerisches Schizo-Verhalten", (S.138) 

Autoren dieses Buches sind Christian Scholz und Joachim Zentes, zwei Professoren für Betriebswirtschaftslehre an der Universität des Saarlandes und Direktoren des Europa-Institutes der Universität. Gemeinsam leiten sie das dortige MBA-Programm. 

Im Klappentext steht ein bemerkenswertes Zitat aus dem Buch, das im Vorfeld schon  deutlich macht, worum es inhaltlich  geht: "Wir leben in einer Schizo-Wirtschaft, in der das eigene Handeln nicht den Normen entspricht, mit denen man das Handeln der anderen misst oder die man selbst angeblich einhält. Dies zeigt sich in unterschiedlichen Erscheinungsformen. Unternehmen, Mitarbeiter, Konsumenten, Politiker und Medienschaffende gleichermaßen liefern dafür viele Beispiele". 

Wie die Autoren bereits eingangs erwähnen, ist unsere Gesellschaft geprägt durch tiefgreifende Verwerfungen, Widersprüche und sogar Pathologien. So präsentieren sich Unternehmen in ihren Leitbildern nachhaltig. Allerdings gelingt es ihnen immer weniger, die komplexen Prozessketten mit zahlreichen Lieferanten, Vorlieferanten und Dienstleistern, die zumeist über den Globus verteilt sind, zu kontrollieren. Folge davon sind ökologische und soziale Missstände in den Wertschöpfungsketten. 

Das Schizo-Verhalten zeigt sich auch bei Konsumenten und zwar dann, wenn artikuliertes und faktisches Verhalten auseinanderdriften. Verbraucher geben sich in demoskopischen Umfragen als sozial und ökologisch orientiert und engagiert, hingegen in der realen Einkaufswelt verantwortungslos. Analog schaut es bei den Mitarbeitern, Medienvertretern, und Politikern aus. 

Die Autoren fassen zusammen: "Auf Unternehmensebene offenbaren sich Schizo-Situationen in Form von Systempathologien als Marktradikalitäten, Fehlanzeige und mangelnde Transparenz, auf der Konsumentenebene als übersteigerte Selbstsucht und auf der Mitarbeiterebene als zunehmende Entkoppelung“. 

Lt. der Autoren werden diese Systempathologien durch die Medien und Politik noch verstärkt und sind nur schwer aufzubrechen. Der Ansatz der beiden Professoren verkörpert sich  zunächst in Systemanalyse. Diese schließt die Widersprüchlichkeit und Gespaltenheit aller wesentlichen Akteure ein. Aufgezeigt wird wie sich das Schizo-Verhalten in Konzepten niederschlägt, welche entsprechenden Situationen und Konstellationen sich ergeben und welche dramatischen Konsequenzen entstehen. 

Umdenken ist gefragt und wie dies aussehen kann, wird im Buch aufgezeigt, dessen Untertitel nicht grundlos "Nur ein radikales Umdenken und Andershandeln kann uns helfen" heißt. 

Das Buch ist in vier Abschnitte untergliedert. Im 1. Abschnitt geht es um Verhaltensmuster der Beteiligten in der Schizo-Gesellschaft und hier beispielsweise um Verantwortung in Unternehmen, auch um Vertrauen etc. Merksätze wie "Wenn es nicht sämtlichen Akteuren gelingt, Vertrauen zu schaffen, wiederherzustellen oder zu erhalten, wird industrielle Wertschöpfung an Wertschätzung verlieren" verdeutlichen, worum es geht. 

Auch die Tatsache, dass die aktuelle Arbeitswelt nicht auf dauerhafte Bindung von Mitarbeitern angelegt ist, wird thematisiert. So sollen 24 % der Mitarbeiter sich bewusst schädigend verhalten, was mehr als nur zu denken gibt.

Im zweiten Abschnitt werden extreme Missstände und Skandale herausgegriffen, so etwa die Sklavenarbeit bei Dienstleistern. Hier dann auch kommt Amazon zur Sprache. Es wird auf die Schizo-Haltung der Konsumenten hingewiesen, auch jenes der Politiker und Medien, das verdeutlicht, weshalb Amazon sich so breit machen konnte. 

Im 3. Abschnitt dann werden Verhaltenspathologien aufgezeigt und hier verdeutlicht, dass komparative Kostenvorteile der Niedriglohnländer sich  aus unwürdigen Arbeitsbedingungen ergeben. Man liest über Outsourcing und Offshoring, auch über das dunkle Ende der Wertschöpfungskette und ist Seite für Seite ziemlich frustriert, was übersteigerte Selbstsucht als Systempathologie zu vernichten imstande ist. Es ist unmöglich im Rahmen der Rezension auf all das einzugehen. Im Grunde möchte man zumindest Merksatz für Merksatz hier zitieren, doch selbst dies würde den Rahmen sprengen. 

Der Paradigmenwechsel wird dann schließlich im 4. Abschnitt vorgestellt. Er besteht im definitiven Umdenken und in der konkreten Forderung an die Akteure zum Andershandeln. Wie das ausschauen könnte wird auch erläutert. So liest man u.a. "Andershandeln bedeutet, Teilen zum neuen Haben zu machen." (233) und erfährt auch mehr zum ethischen Konsum mit vollem Bewusstsein. 

Wenn das Denken im Buch Realität werden soll, dann müssen sich die Unternehmen grundlegend wandeln. Sie müssen Verantwortung wahrnehmen und zwar in ihrem eigenen Interesse. Doch auch alle anderen gesellschaftlichen Akteure müssen sich verändern in ihrem Verhalten, dann nur   ist eine neue Lebenswelt mit neuer Lebensqualität möglich.

Sehr empfehlenswert.

Helga König

Bitte klicken Sie auf den Link, dann gelangen Sie zu Campus und können das Buch bestellen http://www.campus.de/news/wirtschaft_und_gesellschaft_sind_ausser_rand_und_band-749.html. Sie können es aber auch direkt bei Ihrem Buchhändler um die Ecke ordern.