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Rezension: Das Leben auf der Burg.

Dr. Manfred Reitz beleuchtet in diesem aufschlussreichen Buch nicht nur das Leben auf der Burg und in deren Umfeld zu Zeiten des Mittelalters, sondern geht auch der Frage nach, was es bedeutete, ein Ritter zu sein und was man unter einem Turnier unter Ritterfahrten und Kriegszügen der Ritter verstand. Das Buch ist reich bebildert und lässt den Leser dadurch auch visuell in längst vergangene Zeiten eintauchen.


Der Begriff "Burg" wird in Deutschland mit "Berg" und "bergen" in Verbindung gebracht. In der altindischen Gelehrtensprache Sanskrit wird Burg als "pura" bezeichnet. Das erklärt, weshalb nicht wenige indische Städtenamen mit "-pur" enden. Burgen waren in feudalen Systemen Herrensitze sowie Herrschaftszeichen und zwar auch im Orient, in Indien, in China und in Japan. In Mitteleuropa fing die Geschichte der Burgen mit Wehrbauten zum Schutz von Menschen, Vieh und Sachwerten in Kriegszeiten an. Schon in der Bronzezeit gab es so genannte Fluchtburgen. Mittelalterliche Städte wurden mit einer Burg gegründet, dabei gingen wirtschaftliche und kulturelle Entwicklungen von besagten Burgen aus, die die Grundlage für eine Stadt legten, (vgl: S.13).


Wie man liest, erlernten die germanischen Völker die Techniken der römischen Baukunst mit Steinen erst allmählich und entwickelten sie dann aber weiter. So glichen die Pfalzen der Karolinger lange Zeit eher römischen Landgütern als massiven Burgen. In Klosterbibliotheken konnte man sich über die "Zehn Büchern über Architektur" des römischen Baufachmannes Vitruv kundig machen, (vgl.: S.15), wenn man ein Burgprojekt plante. Man erfährt in der Folge, wie sich die typisch deutsche Burg entwickelte und auch, dass die große Zeit des Burgbaus in die Zeit der Staufer fiel. Die Zeit des große Burgbaus endete im 15. Jahrhundert. Ursache war die Erfindung des Schießpulvers, das der Artillerie entscheidende Impulse gab. Dadurch waren die Burgen vor Angriffen nicht mehr sicher und man musste aufwendige Festungen mit gewaltigen Wallanlagen errichten, (vgl.: S.16).


Der Autor informiert ausgiebig über die Aufgaben der Burgen und verdeutlicht, dass Burgen auch stets Zeichen der Macht waren. In diesem Zusammenhang wird man u.a. auch über die Burg Krak- des- Chevaliers in Syrien aufgeklärt, die im frühen 13.Jahrhundert etwa 2000 Mann Besatzung gehabt haben soll.

Sehr gut belehrt wird man über die Bevölkerungsstrukturen im Mittelalter, die Landwirtschaft und Technik und über die Machtverhältnisse während dieser Epoche. Beleuchtet werden die drei mächtigen Parteien: Kaiser, Fürsten und Papst, deren Bedeutung immer wieder wechselte. Fokussiert wird auch die Stellung der Kirche im Mittelalter. Hierzu sollte man wissen, dass das gesamte Mittelalter eine überaus religiöse Zeit war und die Menschen damals ihren Blick besonders stark auf das Jenseits gerichtet hatten.

Thematisiert wird die Stellung der Fürsten, Ritter, Bauern und Leibeigenen im mittelalterlichen Gesellschaftssystem und es werden die germanischen Wurzeln in der damaligen Gesellschaftordnung aufgezeigt. Des Weiteren kommt das Verhältnis zwischen Lehensherren und Vasallen zur Sprache. Hier auch liest man von bestimmten Ritualen, z.B. jenen bei der Verleihung eines Lehens, (vgl.: S. 37).

Die mittelalterliche Feudalgesellschaft entwickelte sich aus dem Lehenswesen. Sie war streng nach Schichten aufgeteilt und für den einzelnen nicht durchlässig, (vg.: S.38). Der Feudalstaat, der im Buch sehr gut erläutert wird, bildete die Vorstufe des späteren Ständestaates mit dessen Aristokratie, den bürgerlichen Schichten als auch den Arbeitern, (vgl.: S. 39).

Äußert interessant ist das Kapitel, in welchem man über das Alltagsleben der mittelalterlichen Bevölkerung unterrichtet wird. Zur Sprache kommen Bauern und andere Berufe, der Alltag der leibeigenen Bauern, der Tagesablauf und die Kleidung der Bauern (sie trugen übrigens zumeist Holzschuhe), das Verhältnis Bauer zu Ritter, die Ernährung der Bauern, (sie ernährten sich fast immer von Getreidebreien und Brot) und die Kinder der Bauern, (Näheres dazu: S. 40-49).

Der Handel und die Städte werden beleuchtet, zu denen Ritter ein gespaltenes Verhältnis hatten und auch die Kirchen und Klöster im Mittelalter und zwar deshalb, weil viele Ritter Vermögenswerte für "ihr" Kloster zur Verfügung stellten und in der Verwandtschaft eines jeden Ritters sich stets auch geistliche Herren, Nonnen und Mönche befanden.

Ausgelotet wird in einem Kapitel des Buches, was man eigentlich unter einem Ritter zu verstehen hat. Das Kapitel beginnt mit dem Satz: "Ritter waren Berufskrieger, die gleichzeitig so vermögend sein mussten, dass sie ihre gesamte Ausrüstung finanzieren konnten." (Zitat. S.54) Aufgeklärt wird man in diesem Zusammenhang über die Basis des Rittertums. In Verbindung mit den Kreuzzügen wurde das Rittertum immer stärker christlich gedeutet. Hinzu kam, dass längst verschüttete antike Fundamente nun hervortraten, aufgrund dessen sich der Begriff der Ritterehre und Ritterlichkeit herausbildete. Die Rittertugenden machten erforderlich, dass man bis zum Äußersten kämpfte. Dr. Reitz erinnert diesbezüglich an die extreme Kampfmoral der Tempelritter. Man wird über die Rituale der "Schwertleite" und des "Ritterschlages" bestens in Kenntnis gesetzt und liest auch von den Idealen der Ritter, für den Ehre, Treue, Maß und Zucht absolut prägend waren. Die Aufgaben der Ritters werden breitgefächert erörtert und man wird in Kenntnis gesetzt, was es mit dem Wappen, der Vititenkarte eines Ritters, auf sich hatte. Die Ausrüstung des Ritters, darunter das Schwert,der Helm und das Schild, lernt man näher kennen und wird über Ritterpferde, sprich Schlachtrösser, informiert.

Anschließend widmet sich der Autor der Architektur der Burgen. In diesem Zusammenhang lernt man den Inhalt der Fachbegriffe Abtrittserker, Bergfried, Donjon, Gußerker, Halsgraben, Rittersaal, Palas, Schießscharte, Schildmauer, Vorburg, Wasserburg und Wehrgang kennen. Aufgeklärt wird man über die Beschaffenheit der Kemenaten, der Badestuben, der Burgkapelle, der Küche etc. und man liest, was man unter so genannten "Bauhütten" zu verstehen hat, die bei großen Burgen mit dem Bau beauftragt wurden, auch wird man gut über Burgbautechniken informiert.

Burgherr war übrigens stets der Ritter. Über dessen Bedienstete und Kriegsknechte erfährt man Wissenswertes, auch über das Hauspersonal, über die Knappen und Pagen, die unter den Bediensteten eine Sonderstellung inne hatten und schließlich liest man auch etwas über die Familie des Burgherren. Thematisiert werden hier Verlobung, Hochzeit und Scheidung. Nicht unerwähnt lässt der Autor, dass beim Standesdenken der Ritter eine Ehefrau noch zwingend Jungfrau sein musste, wenn sie heiratete, (vgl.: S.107). Wenn dies nicht der Fall war, wusste man Abhilfe. Wie diese aussah, können Sie auf Seite 107 nachlesen.


Geburt, Taufe und Kindheit werden beleuchtet, auch die Erziehung und Kampfesübungen. Die höfische Bildung soll aus diversen Fächern bestanden haben. Von Bedeutung waren gutes Benehmen, Grundkenntnisse in der Musik, eventuell in der Literatur, auch sollte man ein Musikinstrument zumindest in Ansätzen spielen können. Lesen und Schreiben hielt man nicht für so wichtig wie eine Fremdsprache zu beherrschen, (vgl.: S. 116).

Das Kampftraining kommt auch zur Sprache und die Medizin und Krankenversorgung. Chirugenschulen gab es damals zwar in Italien und Frankreich, jedoch nicht in Deutschland. Die mittelalterliche Medizin war nicht besonders wissenschaftlich orientiert, sondern wohl eher eine Volksmedizin. Gemischt wurden Mystik und tatsächliche Erfahrungen. Neben den Behandlungen gab es immer auch Zauberformeln, (vgl.: S. 121).

Spannend zu lesen ist das Kapitel "Alltagsleben auf der Burg". Hier wird man über die Reinlichkeit (Dampfbäder waren überaus beliebt), die Haartracht, die Schönheitspflege, über Kochen und Mahlzeiten (zum Dessert gab es Honigkuchen, Gewürzkuchen und sogar gefüllte Torten), (vgl.: S. 130), über Tischgeschirr und Tischsitten (bei einem guten Festmahl wurden bis zu acht Gänge auf den Tisch gebracht und bei einem Festmahl zu Ehren des deutschen Kaisers im Jahre 1473 sogar 33 Gänge (vgl.: S.135), breitgefächert informiert.

Mode, Tracht und Bekleidung werden fokussiert. Auf Bildern erhält man hierzu auch einen guten visuellen Eindruck. Auf Hüte und Schuhe wurde großen Wert gelegt. Um ungestört über schmutzige Straßen gehen zu können, schnallte man sich unter die langen Schnabelschuhe Holzsandalen.

Die Jagd ist ein Thema. Sie war die Lieblingsbeschäftigung des Adels. Man erfährt Näheres zu Jagdrechten, zum Jagdmeister, zur Parforcejagd, zur Pirschjagd und auch zur Falkenjagd. Dies war die edelste aller Jagdformen. In diesem Zusammenhang bleibt Friedrich II. und dessen Falkenbuch nicht unerwähnt.

Im Rahmen der Betrachtungen des kulturellen Lebens auf der Burg kann man sich ausführlich und sehr gut mit der Minne, den Minnesängern und dem Minnegesang auseinandersetzen. Der Gesang der Troubadoure trat übrigens von Südfrankreich aus seines Siegeszug im Abendland an. Ritter sollen durch ihr Ethos freien Frauen gegenüber stets sehr galant gewesen sein und sie waren auch immer von deren Schönheit begeistert. Differenziert wird zwischen hoher und niederer Minne. Was dies im einzelnen bedeutet, erfährt man im Buch ab S. 149ff. Erläutert werden in der Folge die Stufen der Minne, man liest auch über eifersüchtige Ritter und den Keuschheitsgürtel als Dokument für krankhafter Eifersucht.

Des Weiteren wird man über Gaukler und das fahrende Volk informiert und auch über Sport und Freizeitvergnügungen, wie etwa Ballspiele, Tanzen, Brett- und Würfelspiele. Schach hieß einst übrigens "Schachzabel", kam ursprünglich aus Indien und ist in Mitteleuropa seit dem 10. Jahrhundert bekannt.

Das große Turnier auf dem Mainzer Hoffest kommt zur Sprache. Darüber wurde in einem Heft der Geo-Epoche auch schon sehr gut berichtet. Man erfährt Wissenswertes über die Zugangsbedingungen zur Teilnahme am Turnier, über den Tag des Turniers und über Sieger und Besiegte. Das letzte Turnier der Weltgeschichte wurde zu Ehren von Königin Viktoria im Jahre 1839 vom Earl of Eglington veranstaltet, (vgl.: S. 172).

Ganz zum Schluss des Buches werden die Ritterfahrten und Kreuzzüge abgehandelt. Hier auch wird der Begriff der Fehde thematisiert, über so nannte Femegerichte wird man in Kenntnis gesetzt, auch über Zweikämpfe und über die Schlachten. Hier erhält man einen Eindruck über die Burg im Krieg und bei Belagerungen und kann sich eine Vorstellung von den Ängsten und Nöten der Burgbewohner in solchen Zeiten machen.
Das Ende der Burgen setze mit den Feueraffen ein. Vom 15. Jahrhundert an gab es keine uneinnehmbaren Burgen mehr. Der Autor lässt sein hoch informatives Buch mit dem Satz enden: "Wer heute eine Burg besucht, findet dort Spuren der Ritterzeit ebenso der Träume der Romantik und der Mittelalterbegeisterung unserer eigenen Zeit- die Burg bleibt ein beeindruckendes Zeugnis der Vergangenheit."(Zitat. S. 207)

Dieser Meinung schließe ich mich nach der Lektüre dieses sehr guten Buches ohne Einwände an.

Sehr empfehlenswert.



Rezension: Das Strategiebuch- Prof. Dr. Rainer Zimmermann

Der Autor dieses Buches ist Prof. Dr. phil. Rainer Zimmermann. Er lehrt Strategie, Design und Kommunikation an der FH Düsseldorf. In seinem überaus erhellenden Buch erörtert er 72 strategische Handlungsmuster, deren Nutzen darin liegt, einen Mehrwert gegenüber dem üblichen Nutzen zu schaffen. Dabei ist strategischer Nutzen auch stets Differenzierungsnutzen, weil er niemals allein zählt, sondern nur im Verhältnis zur Nutzungsausbeute der anderen. Der Autor konstatiert, dass strategischer Nutzen die Zeit zur Erreichung eines Ziels verkürzt, den Aufwand und das Risiko minimiert und die Ausbeute erhöht, (vgl.: S.6).

Sobald eine Strategie von vielen angewandt wird, verliert sie ihren Differenzierungsnutzen und Mehrwert gegenüber anderen, (vgl.: S.7). Prof. Dr. Zimmermann merkt gleich zu Beginn an, dass der Begriff Strategie seit etlichen Jahren schon inflationär genutzt wird, letztlich weil man mit dem Begriff blenden kann, da strategisches Wissen allgemein als Herrschaftswissen gilt, (vgl.: S. 8). In der Wirtschaft ist strategisches Denken deshalb so attraktiv, weil man sich von ihr systematische Stabilisierung, Maximierung oder Rückgewinnung von Erfolg unter den Bedingungen von Zwängen und Zielen, einzusetzenden Mitteln und Erfolgsfaktoren der Umwelt erhofft, (vgl.: S. 10).

Wie man in der Folge erfährt, stellte der Soziologe Jürgen Habermas diesem strategischen Handeln als Modell der Erfolgsmaximierung das verständnisorientierte kommunikative Handeln als Idee einer besseren Welt entgegen und förderte damit eine "gewisse Strategievergessenheit" (O-Ton Prof. Dr. Zimmermann) primär in der Sozialwissenschaft, (vgl.: S.10).

Der Autor lässt den Leser nicht im Ungewissen, dass viele Strategien nur funktionieren, wenn sie verdeckt angewendet werden und insofern von den Prozessbeteiligten nicht durchschaut werden, (vgl.: 11). Hat eigentlich eine Offenlegung bereits vorhandener strategischer Möglichkeiten wie hier im Buch im Grunde nicht zur Folge, dass jetzt ein Mehr an Kreativität bei den Alphatieren unserer Gesellschaft gefragt ist und man mit den genannten Strategien nur noch bauernschlau über die Dörfer ziehen kann? :-))

Spaß beiseite, wenn man sich in die einzelnen Strategien vertieft, wird man sehen, wie wichtig es ist, diese ganz genau zu kennen, denn nur so ist es möglich, die strategischen Finessen seiner Konkurrenten zu durchschauen und kreativ zu reagieren. Eine Theorie der Strategie ist im Rahmen der Ökonomie lt. dem Autor noch nicht vorhanden, von daher kann nach wie vor nicht beantwortet werden, wie viele Strategien es gibt und auch nicht, ob zwischen großen und kleinen Strategien unterschieden werden kann. Unklar bleibt, ob unterschiedliche Strategien für das Berufsleben und das Privatleben und für Individuen sowie für andere Organisationen existieren, ob es strategische Möglichkeiten gibt, die von allen und in allen Bereichen angewandt werden können und wie sich der einzelne Mensch strategisch bilden kann, (vgl.: S.12)

Für Prof. Dr. Zimmermann steht aufgrund seiner Studien und seiner Eigenerfahrung fest, dass der allgemeine Anwendungsnutzen eines vorhandenen strategischen Repertoires nicht als willkürliche Selektion und Empfehlung eines Ratgebers, sondern durch eigene Auseinandersetzung mit und Adaption objektivierbarer strategischer Praxis entsteht, (vgl.: S.16).

Folgende Strategien werden im Buch ausführlich erörtert: Abschreckung, Allianz, Anthropomorphisierung, Appeasement, Askese, Assimilation, Auf den Busch klopfen, Aussitzen, Aussparen, Benchmarking, Bluff, Boyott, Brot und Spiele, Dachmarke, Produktmarke, Defensive, Offensive, Dekonstruktion, Diversifikation, Doppelstrategie, Durchstechen, Entspannung, Eskalation, Deeskalation, Faust in der Tasche, First Mover, Fokus, Fördern und Fordern, Form Follows Function, Furcht und Mitleid, Guerilla, Häutung, Institutionalisierung, Integration, Kleine Schritte, Konfusion, Lizenzierung, Make Buy, Marginalisierung, Metamorphose, Mystifikation, Nachahmung, Nebenkriegsschauplatz, Newsvalue, Nische, Partizipation, Personalisierung, Positionierung, Prophezeiung, Provokation, Push Pull, Redundanz, Reform, Revolution, Schock, Segmentierung, Selbstähnlichkeit, Selbstfesselung, Separation, Steter Tropfen, Stigmatisierung, Stretch Goal, Subsidiarität, Symbolische Handlung, Tabubruch, Teile und herrsche, Tit for tat, U-Boot, Ultimatum, Umarmung, Unschärfe, Verfremdung, Verknappung und zwei Fronten.

Der Autor ordnet die strategischen Handlungsmuster verschiedenen Wissens- Anwendungsbereichen zu. Er differenziert zwischen:

Positionen- sichern-entwickeln-vermitteln

Potential-sichern-entwickeln-vermitteln

Bei seinem Modell geht er von nachstehenden Annahmen aus:

"- Strategien werden eingesetzt, um die Erfolgswahrscheinlichkeit und Erfolgsausbeute einer Zielreichung zu erhöhen oder die Zeit zu Erreichung dieses Ziels zu verkürzen

- Ziele beziehen sich entweder auf Positionen oder auf Besitzstände oder auf Potenziale und Wachstum

- Positionen und Potenzial sollen mit Hilfe von Strategien gesichert, entwickelt oder gegenüber anderen vermittelt werden."( Zitat S. 17)

Das Modell klassifiziert demnach 6 verschiedene Strategietypen und 72 Handlungsmuster. Die strategische Relevanz der Handlungsmuster kommt immer in mindestens drei von fünf Anwendungsgebieten zum Tragen. Es handelt hierbei um: Politik, Ökonomie, Natur, Alltag und Vermittlung.

Viele der Strategien sind im Grunde ein alte Hut, aber dennoch nach Jahrhunderten noch erstaunlich wirksam, wie der Autor an seinen Beispielen deutlich macht. Man denke nur an die "Appeasementstrategie" Heinrichs IV. bei seinem Gang nach Canossa, die "Abschreckungsstrategie", die in der "Chinesischen Mauer" sichtbar wird und all die "Entspannungsstrategien", die schon bei den alten Griechen Anwendung fanden. Sehr effektiv finde ich in der Wirtschaft "Nischenstrategien", die natürlich viel kreatives Engagement voraussetzen, um immer wieder neue Nischen zu finden. Aber die strategische Leistung des Handlungsmusters überzeugt mich, weil sie zur Reduktion von Wettbewerbsdruck führt, (vgl.: S.108).

Dass Provokation ein strategisches Ziel ist, um den Gegner zu unüberlegtem Handeln zu verleiten, ist auch ein alter Hut, der leider immer noch sehr erfolgversprechend ist, wenn an emotionalen Schwachstellen gekitzelt wird und dass "Tabubrüche" und "Bluffs" strategisch sehr wirksam sein können, weiß jeder, der sich kritisch mit Werbung befasst.

Meine Lieblingsstrategie im Buch ist "Deeskalation", weil diese höhere Konfliktstufen verhindert und Konflikte im Idealfall sogar löst. Alle aggressiven, strategischen Handlungsmuster, wie etwa "Teile und herrsche" führen langfristig zu verbrannter Erde und einem frustrierten, aufgebrachten Umfeld, insbesondere wenn das strategische Mittel der Intrige eingesetzt wird. "Divide et impera" ist meines Erachtens eine Strategie der Ewig- Gestrigen, die nicht vermitteln und entwickeln, sondern nur drauf hocken wollen.

Ein sehr gutes Buch, das ich gerne empfehle. "Häutungsstrategien" halte ich übrigens für sehr interessant, weil sie für mich der Ausdruck von Selbstkritik, Erkenntnisfähigkeit und Kreativität sind, auch wenn der Nutzen zu wünschen übrig lässt.

Empfehlenswert.

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Rezension: Mainz: Menschen - Bauten - Ereignisse. Eine Stadtgeschichte

"Frost klirre Glas! Eisblumen blühen. Rauhreif im welken Gras sprüht feurig Grün. (Carl Zuckmayer),
Mit großen Interesse lese ich immer wieder einzelne Kapitel dieses Buches, denn ich habe u.a. in Mainz studiert und dort auch noch nach meinem Examen einige Jahre gelebt. Da ich mich schon immer für Geschichte interessiert habe, besuchte ich natürlich dort auch die entsprechenden Museen, um mich ein wenig mit der Stadthistorie zu befassen. Nach dem Lesen des vorliegenden Buches ist mir allerdings klar geworden, dass ich über die Geschichte der Stadt, in der ich einst lebte, geradezu peinlich wenig wusste.

Mainz war einst das Basislager der römischen Soldaten und wurde zu Beginn der Okkupationsphase gegründet. Der Ort war damals eine aufstrebende Garnisonsstadt, die sich nach der neu bewerteten römischen Germanienpolitik unter Augustus architektonisch zu verändern begann. Die Siedlung sollte ein urbanes Antlitz erhalten durch die Verbesserung der Infrastruktur, den Straßen-und Brückenbau, die Errichtung von Großbauten, wie dem Theater und der Großen Therme, (vgl.: S.34). Man liest von den römischen Gefällwasserleitungen, deren Ausgangspunkt die Quellgebiete bei Finthen waren, vom römischen Theater, das mit dem nur 340 m entfernten Drususstein zur Monumentalenkulturbauausstattung von Mogontiacum Mainz zählt. Interessant finde ich die Fotos im Zusammenhang mit dieser entwicklungsgeschichtlichen Phase der Stadt und hier im Besonderen den Blick auf das Römische Theater. Eine gelungene Perspektive.

Zwischen 450 und 650 n. Chr. wurde es ruhig um Mainz, bis die Stadt dann Ende des 5. Jahrhunderts als fränkisch galt. Die Merowingerherrscher besuchten die Stadt sehr selten und die karolingischen Herrscher residierten während ihrer Aufenthalte im Albanskloster. Die zentrale Figur im fränkischen Mainz war der Bischof. Der hl. Martin und Bonifatius wurden zu Gründergestalten von Mainz und seiner Kirche. Bonifatius, der ab 744 kommissarisch die Leitung des Bistums übernommen hatte, wurde 754 bei einem Raubüberfall erschlagen. Obschon seine sterblichen Überreste in Fulda Ruhe fanden, gilt er noch heute den künftigen Mainzer Erzbischöfen als Vorbild.

Ernst Dieter Hehl wartet mit einer Kurzbiographie von Bonifatius (672/675-754) auf, auch über Hrabanus Maurus (780/784-856) wird man informiert. Der bleibende Ruhm dieses Erzbischofs und seine europäische Bedeutung hat er als Wissenschaftler und Lehrer gewonnen. Berichtet wird auch von Eberhard Windecke (um 1380-140), der weit in Europa herumgekommen war. Er ist der Autor des Werkes "Keiser-Sigesmundes-Buch". Es handelt sich um eine Lebensbeschreibung des römisch-deutschen Königs und Kaisers Sigismund (1410-1437).

Der Buchdrucker Johannes Gutenberg gilt als der berühmteste Sohn der Stadt. Ihm widmet Christoph Reske ein ganzes Kapitel. Der berühmteste Druck in der neuen Technik ist bekanntermaßen die Gutenberg-Bibel. Produziert wurde sie mit großer Wahrscheinlichkeit im Hof zu Humbrecht in der Schusterstraße unweit vom Franziskanerkloster.

Dass es in Mainz eine Zwingburg, die Martinsburg gab, war mir bislang unbekannt. Erbaut wurde diese, weil der Erzbischhof seinen Machtanspruch und seinen Willen Mainz zur Residenz auszubauen festigen wollte. Man liest von der Reformationszeit und den Bauernkriegen, sowie der Niederschlagung des Aufstandes der Mainzer Bürger und vom Bauboom in der Stadt selbst während des 30 jährigen Krieges.

Sehr gut beschrieben ist das Kapitel "Barock und Aufklärung, 1648-1792" von Gernot Frankhäuser. Hier las ich mit besonderem Interesse die Informationen zu dem Architekten Maximilian von Welsch, der das "Neue Zeughaus" konzipiert hat. Neugierig gemacht hat mich auch das Wirken der einzelnen Kurfürsten während jener Tage und das Leben der Maria Barbara Schultheiß, die im 17. Jahrhundert in Mainz eine Schule für Mädchen gründete, zunächst für 30 Mägdelein aller Stände.

Thematisiert werden auch die Persönlichkeiten Georg Forster und Samuel Thomas Semmering, deren Name auf immer mit Mainz verbunden bleiben wird.

Mayence, das französische Mainz (1792-1814) wird ausgiebig thematisiert. Hier entstand 1792 ein Jakobinerclub, die erste und einzige Bewegung dieser Art in Deutschand. Die "Klubisten" versuchten durch Reden, Zeitungen, Flugschriften und mittels Theaterstücken die Mainzer zu einer (gewaltlosen) Revolution zu bewegen. Der bekannteste Mainzer Jakobiner war der Naturforscher und Weltumsegler Georg Forster. Professoren und Studenten, sogar kurfürstliche Beamte verbreiteten in Stadt und Land ihr demokratisches Gedankengut, (vgl.: S.118). Was sich in der Folge ereignete, liest sich ganz ungemein spannend. Die 16 Jahre "Franzosenzeit und neun Monate Mainzer Republik hatte die Stadt verändert. Aus der beinahe geschossenen katholischen, vom Adel geprägten geistlichen Residenzstadt war eine mehrkonfessionelle, verweltlichte und früh politisierte Bürgerstadt geworden, (vgl.: S. 129).

Franz Dumont schreibt über die Demokratische Festkultur im französischen Mainz und die Bedeutung der Freiheitsbäume im Umfeld. Diese wurden fast immer während der Kerb gepflanzt. Insofern war das Volksfest und die politische Sektion oft nicht voneinander zu trennen.

Im Rahmen der Skizzen der Stadt Mainz im 19. Jahrhundert lernt man auch den Musiker Peter Cornelius (1824-1874) näher kennen, liest von der Revolution von 1848 und verschiedenen Persönlichkeiten in jenen Tagen, die in der Stadt eine herausragende Bedeutung haben.
Mainz in der Weimarer Republik und während des "Dritten Reichs" waren keine Sternestunden für die Stadt. Gerne gelesen habe ich deshalb in diesem Zusammenhang von der Schriftstellerin Anna Seghers (1900-1983), die in Mainz als Tochter eines Antiquitätenhändlers zur Welt kam und von dem Nackenheimer Schriftsteller Karl Zuckmayer, die beide ihr klares Nein zur Nationalsozialismus in ihren Texten zum Ausdruck gebracht haben.

Mainz nach 1945 ist textlich sehr gut abgehandelt worden und es werden im Kapitel "Längsschnitt" viele Besonderheiten der Stadt sehr gut aufgezeigt. Dazu gehören u.a., eine kleine Mainzer Wirtschaftsgeschichte, Musik, Theater und Museen, der Mainzer Karneval, die Alte Universität u.a.m.

Den Beitrag über das jüdische Mainz hat mich sehr traurig gemacht, denn in Mainz wurden bereits zu Ende des 11. Jahrhunderts von christlichen Fanatikern 550 Frauen, Männer und Kinder, d.h. die gesamte jüdische Gemeinde vernichtet und während der NAZI-Zeit wurden rund 1100 Juden aus Mainz ermordet.

Bleibt zu hoffen, dass man aus den vergangenen Zeit gelernt hat und man sich in Mainz und anderenorts friedliebender und toleranter Andersgläubigen gegenüber zeigt.

Ein sehr gutes, hoch informatives Buch, das von Franz Dumont und Ferdinand Scherf herausgegeben worden ist.