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Rezension: Geo Epoche Nr. 74- Das Britische Empire 1815- 1914

Das vorliegende Geomagazin dokumentiert, wie eine kleine Inselnation bis zum Ende des 19. Jahrhunderts ein Viertel der Erde und der Menschheit zu unterwerfen vermochte und berichtet von der Entstehung jener globalisierten Welt, in der wir heute noch leben. 

Das Magazin enthält 13 Beiträge unterschiedlicher Autoren. Kartenausschnitte und viel Bildmaterial dienen zur Illustration und zum besseren Verständnis der eloquenten Texte. 

Zunächst wird man über den Aufstieg des Imperiums unterrichtet. Bis 1733 entstanden nach und nach 13 Kolonien, von New Hampshire bis Georgia. Es war König Jakob I. , der Virginia zur Kronkolonie erklärte, d.h. sie zu einem direkt dem Monarchen unterstellten Territorium machte, das von einem Gouverneur verwaltet wurde. 

Man erfährt wie sich im Jahr 1600 etwa 100 Kaufleute zu einer Aktiengesellschaft zusammenschlossen. Diese "East India Company" erhielt einen Freibrief seitens Elisabeth I. Er ermöglichte es,  Handel mit Indien als auch mit Ost- und Südostasien zu betreiben. Die Anteilseigner teilten sich Kosten und zukünftige Gewinne. Weil das Handelsmonopol staatlich war, erhofften sich die Aktionäre ein vermindertes Risiko. Sehr rasch stieg die East India Company zur erfolgreichsten Aktiengesellschaft in England auf. 

Nachdem Ende des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges und dem Verlust der dortigen Kolonien wurde Indien zur bedeutendsten Kolonie Englands. Ab 1858 übernahm die britische Krone die Administration auf dem Subkontinent. Anhand einer Karte kann man sich eine Vorstellung davon machen, wie groß das britische Weltreich dann zu Beginn des 20. Jahrhunderts- auf dem Gipfel seiner Macht- war. London beherrschte über 400 Millionen Menschen, das heißt ein Viertel der damaligen Weltbevölkerung und ein Gebiet, das 100x so groß war wie das Mutterland. 

Man erfährt Näheres über den Abenteurer Sir Thomas Stamford Raffles, der von einem malaiischen Sultan das Recht erhielt, ein im Piratennest einen Handelsposten zu gründen. Daraus entstand die Drehscheibe im Gewinn einbringenden Warenverkehr mit den Schätzen des Ostens und damit eine bedeutende Grundlage für den Aufstieg des Empire zum größten Weltreich. 

Äußerst spannend zu lesen ist der Beitrag mit dem Titel "Rebellion auf der Zuckerinsel" von Christina Schneider. Es geht dabei um die Zuckerrohrplantagen Jamaikas, wo Sklaven für den Reichtum britischer Pflanzer schufteten. Viele der Sklaven starben bereits bei Ankunft. 1831 dann erheben sich die Zwangsarbeiter gegen ihre Ausbeuter. Es war nicht zuletzt Jamaika, das das Empire reich machte. 

Es führt zu weit,  alle Beiträge hier zu streifen. Nennen möchte ich den Beitrag von Reymer Klüver, der den Titel trägt "Die Drogenhändler ihrer Majestät". Es geht um britische Kaufleute, die von Indien aus tonnenweise Opium nach China schmuggeln, was zu einer vorteilhaften Handelsbilanz des Vereinigten Königreichs führte. Kaum vorstellbar: 1850 werden mehr als 50 000 Kisten Opium nach China verbracht. Dort hat die Droge allerdings verheerende Folgen für die Menschen. Doch was zählt schon der Mensch, wenn es um Profit geht?

Man liest von  aufregenden Ereignissen auf Borneo und von anderen in Australien, das seitens der Briten seit 1788 als Strafkolonie genutzt wurde.  Auch über die Weltausstellung 1851 in London   wird man unterrichtet. Es war übrigens die erste Ausstellung dieser Art. Eröffnet wurde sie von Queen Victoria und ihrem Gatten Albert. 

Mehr erfährt man u.a. über Cecil Rhodes, dem Diamantenkönig, der in Afrika ein eigenes Reich besaß: Rhodesien. Das Gebiet befand sich nördlich des britischen Kolonialbesitzes und gehörte vormals afrikanischen Stämmen. 

Ausbeutung, Diebstahl und Raub hatte alle überall Methode. Dadurch wurden die Briten reich, aber die Menschen in den ausgebeuteten Ländern konnten sich nicht entwickeln. Die äußerst miesen Methoden schnell reich zu werden, sah in anderen Ländern Europas, die Kolonien besaßen,  nicht wesentlich anders aus. 

Dass heute Flüchtlingsströme aus vormaligen Kolonien  Europa zu überfluten drohen, wundern nicht, sobald dem Beobachter bewusst wird, was sich im Laufe der Geschichte ereignet hat. Ein Blick auf die Karte, wo auch die Kolonien anderer europäischer Länder eingezeichnet sind, verdeutlicht, dass das Gesetz der Resonanz nun zu wirken beginnt. Das ist die Folge der Ausbeutung, die nun ihren Tribut fordert, den man ohne zu Murren entrichten sollte. Der faire Ausgleich gebietet dies.

Empfehlenswert. 

Helga König

Rezension: Gefährliche Bürger- Die neue Rechte greift nach der Mitte- Liane Bednarz- Christoph Giesa- Hanser

Die Autoren dieses Buches sind die Juristin und Publizistin Liane Bednarz und der Publizist und Strategieberater Christoph Giesa. Sie befassen sich mit einer Thematik, die uns vermutlich allen in nächster Zeit noch viel Kopfzerbrechen bereiten wird. Dabei machen sie bereits im Klappentext deutlich, was ihr Hauptanliegen ist:

"Rechte Umtriebe in der Kirche und Medien. Gewalt gegen Minderheiten. Offener Hass gegen Politiker und Journalisten in Leserbriefen. Die Entwicklungen erinnern immer mehr an die 1920er, als rechte Intellektuelle die Weimarer Demokratie attackierten. Menschenfeindliche Agitation ist längst wieder in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Wir dürfen dem empörenden Treiben nicht länger zusehen, sondern müssen ihm entgegentreten!“

Wie wahr!

Das aufklärerische Werk ist in drei große Teile untergliedert. Bereits in der Einleitung lässt das Autorenteam die Leser wissen, was ihnen auf den Nägeln brennt. Es ist nicht zuletzt die Frage: "Ist das, was lange ganz rechts außen gärte, in der Mitte der Gesellschaft angekommen, salonfähig geworden?"

Wer sich im Internet mit wachen Augen durch die sozialen Netzwerke bewegt, wird gewiss schon auf rechtslastige Texte gestoßen sein und sich gewundert haben, dass diese zum Teil von bis dato eher unverdächtigen Menschen aus der Mitte der Gesellschaft verfasst worden sind. Neuerdings muss man sich seine Follower oder FB-Freunde wohl genauer ansehen, wenn man nicht Gefahr laufen möchte, mit rechtslastigen Personen in Verbindung gebracht zu werden. Ich spreche aus eigener Erfahrung und war schon einige Male verblüfft über das Gedankengut, das oberflächliche Internetbekanntschaften plötzlich in öffentlichen Beiträgen offenbarten und mich zum sofortigen Abbruch des Kontakts veranlasst haben.

Wie die Autoren schreiben, sei die AfD nur das sichtbarste Symptom einer nach rechts driftenden, sich radikalisierenden Mitte, die dies noch nicht einmal bemerke. Die beiden Verfasser nennen viele Autoren und Journalisten beim Namen, die sich in jüngster Zeit wenig liberal in ihren Texten geäußert haben.

Aufgeklärt wird man über das Phänomen des Hasses, der der Attitüde der neuen Rechten innewohnt. Offensichtlich ist der anonyme Hass mittlerweile dem offenen Hass gewichen. Angeheizt von bürgerlich wirkenden Ideologen erlebt man nun hierzulande islamphobe Proteste, antisemitische Ausbrüche, Angriffe auf Ausländer und anderes mehr. Feststellbar ist ein Zynismus gegenüber Minderheiten und ein Hass gegen alles, was unsere Gesellschaft lebenswert gestaltet.

Man erfährt mehr über das neurechte Weltbild, über die Ausgrenzung von Fremdem. Diese Menschenfeindlichkeit, die sich einst beispielsweise gegen die Polen richtete, richtet sich heute gegen Muslime, weil die Rechte eine Islamisierung des Abendlandes befürchtet. Indem sich diese neue Rechte im Rahmen ihrer Kommunikation immer noch am Rande des Legalen aufhält, sei sie besonders gefährlich. Das sehe ich auch so.

Man liest über Szenenpublikationen von Pegida und AfD und dubiosen Gruppierungen im Internet, die mehr als nur erschreckend sind und muss sich fragen, ob hier die Meinungsfreiheit im Netz nicht schon lange an ihre Grenzen angelangt ist. 

Ich teile die Ansicht der Autoren im Hinblick auf den zynischen Umgang mit dem Begriff "Gutmensch", der von Rechtslastigen immer öfter diskriminierend benutzt wird. "Mit der Abwertung all jener, die versuchen, diese Welt erträglich und im Sinne eines Miteinanders zu gestalten, versuchen sie gleichzeitig all diejenigen aufzuwerten, die sich nicht daran beteiligen willen. Sich und ihr Milieu wollen sie reinwaschen und die diesem inhärente Rücksichtslosigkeit mit einer weißen Weste umkleiden.“ (S.81) 

Ganz offensichtlich gewinnen Vorurteile, Pauschalisierungen und Verschwörungstheorien wieder Raum in der Mitte der Gesellschaft. Hier findet eine politische Gehirnwäsche statt, "mittels deren Szene-Protagonisten ständig neue Jünger“ herangezüchtet werden. Man liest von Hetzseiten im Internet, die nicht immer sofort als solche erkennbar sind. Formuliert wird dort: Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Islamhass, Verschwörungstheorien und antidemokratische Propaganda. Je radikaler sie sind, umso wahrscheinlicher ist es, dass das Impressum fehlt. 

Aufgeklärt wird man über die so genannte "Reichsbürger-Ideologie" und sensibilisiert wird man dafür, dass man sich die User von Beiträgen, die man im Netz teilt, genauer anschauen muss. Oft nämlich entpuppen sich diese als extrem rechtslastig. Wesensmerkmale der rechten Szene sind: zornige Kritikunfähigkeit und Hybris. 

Die beiden Autoren liefern immer wieder Quellen für ihre Analysen, aber man ist dann doch etwas aufgeschreckt, wenn sie sich wenig freundlich zu renommierten Autoren und Journalisten äußern, die man bislang nicht der rechtslastigen neuen Mitte zugeordnet hat. Ob man da nicht besser erst einmal die in den Fokus geratenen Personen interviewt hätte?  Deren Namen an dieser Stelle zu nennen, scheue ich mich, solange sie nicht selbst Stellung bezogen haben. Dies geschieht keineswegs aufgrund von Autoritätsgläubigkeit...

Teil 3 dokumentiert, dass es sich um ein konstruktives Buch handelt, das ich allen zu lesen empfehle. Dabei teile ich die Meinung: "Solange wir den Hass nicht wirksam eingedämmt, den Umgang mit ihm nicht erfolgreich eingeübt und ihn dorthin gedrängt haben, wo er keinen Schaden anrichtet, bleibt er allerdings eine der größten Stärken der Radikalen. Und das gilt weit über die neuen Rechten hinaus."

Das Buch hat mich sehr traurig gemacht, weil es mir zeigt, dass mangelnde Aufklärung in den letzten Jahrzehnten zu fatalen Ergebnissen geführt hat. Was bleibt zu tun? Nachschulen. Was sonst. Dies ist nun Aufgabe der Medien.

Helga König

Bitte klicken Sie auf den Link, dann gelangen Sie zum Hanser-Verlag und können das Buch dort direkt bestellen. Sie können es aber auch bei Ihrem Buchhändler um die Ecke ordern.http://www.hanser-literaturverlage.de/buch/gefaehrliche-buerger/978-3-446-44461-4/

Rezension Peter J. König: Triumpf und Tragödie Israels. Ari Shavit- C.Bertelsmann

"Mein gelobtes Land" ist im C. Bertelsmann Verlag erschienen. Autor ist der 1957 geborene Israeli Ari Shavit. Er ist Reporter und Kolumnist bei der israelischen Tages-Zeitung Haaretz, obendrein war er Vorsitzender der Bürgerrechts-Organisation Acri. 

Shavit hat sich in seinem Buch sehr ausführlich und sehr informativ mit dem Staat Israel, seinem Heimat-Staat auseinander gesetzt, ganz von den Anfängen bis in die jüngste Zeit. Sein Urgroßvater war der Engländer Herbert Bentwich, der als einer der führenden Zionisten der ersten Generation sich Ende des 19. Jahrhunderts aufgemacht hatte, um in Palästina zu siedeln, um zurück zu kehren in das gelobte Land der Juden, da wo die Wurzeln des jüdischen Volkes sind. Entsprechend sind die Reflektionen die Ari Shavit hier niedergelegt hat nicht nur aus dem Blickwinkel der Geschichte zu sehen, den Chronist verbindet die gesamte Entwicklung des Staates Israel auch unmittelbar aus seiner familiären Perspektive. 

Diese beginnt schon unmittelbar damit, als sein Urgroßvater zum ersten Mal seinen Fuß auf die Erde Palästinas setzte, einem Gebiet, das Jahrhunderte-lang von den Arabern beherrscht war, bis es zu einem englischen Protektorat wurde. Ursprung des jüdischen Volkes ist Jerusalem mit seinem Tempelberg, ein Ort der Sehnsucht, besonders dann wenn die Juden verstreut über die ganze Welt immer wieder von Verfolgung, Unterdrückung, Schmähungen und Pogrome heimgesucht worden sind. Diese Sehnsucht war es auch die den Urgroßvater des Autors bewogen hat, seine etablierte Existenz in England aufzugeben, um mit einigen Gleichgesinnten in das Land der Urväter zurück zu kehren. 

Vom Ende des 19. Jahrhundert bis heute ist es ein langer, mühsamer, entbehrungsreicher aber auch gefährlicher Weg, der mit den ersten zionistischen Siedlern begann, zur Gründung des Staates Israel im Jahre 1948 führte und heute noch eine ständige Bedrohung mit sich bringt. Wie sich dies alles entwickelt hat, dies ist das Thema dieses Buches, wobei der Autor keineswegs die Augen vor der Realität verschlossen hat. 

Realität ist die Tatsache, dass die Palästinenser, die ursprünglichen Bewohner des Landes systematisch vertrieben worden sind. Zunächst friedlich durch Landaufkäufe, später mit militärischer Gewalt. Dies treibt auch Ari Shavit um, der bei seinen Recherchen zu diesem Buch diese Frage nie aus den Augen lässt, war sie doch auch immer wieder der Anlass zu Kriegen und Auseinandersetzungen mit den Nachbarstaaten, oftmals mit ungewissem Ausgang. 

Eine weitere entscheidende Frage ist für den Autor der heutige Zustand des Landes mit der Mentalität seiner Bewohner, die so sehr gespalten ist, von ultra-orthodoxen Juden bis hin zu der neuen Generation von Israelis, die sich eher freiheitlicher westlicher Dekadenz hingeben, als vom starken Willen der Gründergenerationen geprägt zu sein. 

Diese Gründergenerationen haben nicht nur ein starkes wirtschaftliches und militärisches Israel aufgebaut, mit dem nie zugegebenen Besitz von Atombomben, die aber Abschreckungspotential genug waren, damit die umliegenden arabischen Staaten von einem Generalangriff auf das Land absahen und wie Ägypten und Jordanien sogar Friedensabkommen mit Israel abschlossen. Sie haben auch technische Fortschritte entwickelt und damit Israel zu einem der führenden Technologiestaaten in der Welt gemacht. All dieses wird hier thematisiert und doch stellt der Autor immer wieder die Frage, ob dies alles reicht, damit auch seine Kinder in Israel weiterhin gesichert und wohlbehalten zukünftig noch leben können. 

Der große Verdienst dieses Buches von Ari Shavit "Mein gelobtes Land" ist nicht nur die ausführliche, geschichtliche Systematik über den Staat Israel, seiner Zuwanderer und die Gründe, warum es dazu überhaupt gekommen ist, vielmehr ist es der gelungene Versuch,  eine möglichst große Objektivität herzustellen. 

Israel ein Staat der Unterdrückten und Unterdrücker, vor diesem Hintergrund erklärt Ari Shavit die Situation Israels, wobei er viele entscheidende Zeitzeugen befragt, Personen, die in unmittelbarer Verantwortung für das Land sowohl politisch, militärisch als auch technologisch gestanden haben. Bei aller Fülle von Informationen merkt man doch immer auch, dass Ari Shavit Reporter und Journalist ist und dass sein Focus auf den Bürgerrechten liegt. 

Er versteht es glänzend situative Spannung beim Leser zu erzeugen, auch was die jeweils beschriebenen Örtlichkeiten betrifft, im Verhältnis zu den geschichtlichen Ereignissen und seinen heutigen persönlichen Recherchen vor Ort. 

Wer sich einen fundierten Überblick über die Geschichte Israels, seiner Menschen und seiner Situation damals wie heute verschaffen möchte, ist mit Ari Shavits Buch "Mein gelobtes Land" bestens informiert. Deshalb wurde das Werk mit vielen Preisen ausgezeichnet, so mit dem renommierten Natan Book Award, ebenso mit dem bekannten National Jewish Book Award. Wer sich für Israel interessiert, kommt an diesem Buch nicht vorbei. Deshalb das Fazit: 

Sehr empfehlenswert 

Peter J. König

Bitte klicken Sie auf den Link, dann gelangen Sie zum Bertelsmann-Verlag und können das Buch bestellen. Sie können es jedoch auch  direkt bei  Ihrem Buchhändler um die Ecke ordern:http://www.randomhouse.de/Buch/Mein-gelobtes-Land-Triumph-und-Tragoedie-Israels/Ari-Shavit/e464444.rhd

Rezension: Zum Weltfrieden –Ein politischer Entwurf- Michael Wolffsohn- dtv premium

Prof. Dr. Michael Wolffsohn lehrte bis 2012 Neuere Geschichte. In seinem Buch stellt er die These auf, dass nicht nur derzeit Staaten zerfallen, sondern dass in Zukunft noch mehr Staaten zerfallen werden. Diese These versucht er wissenschaftlich zu belegen. 

Der Autor möchte zeigen, dass Konflikte eingedämmt und sogar beendet werden können. Um dies möglich zu machen, ist Selbstbestimmung notwendig. Seine Diagnose lautet: "Sofern Menschen nicht manipuliert, also missbraucht werden, streben sie nach Selbstbestimmung. Sowohl als Individuum wie auch im kollektiv." 

Wolffsohn geht davon aus, dass wir alle unseren Alltag selbst gestalten möchten und zwar in jeder Beziehung, sprich, politisch, wirtschaftlich, sprachlich, religiös und kulturell. Darüber hinaus aber wollen sich auch viele Menschen abgrenzen, sei es ethnisch, sprachlich, kulturell, religiös oder national. Dabei aber muss man wissen, dass Abkapselung – jenseits der Selbstbestimmung- Konflikte und Kriege anheizt. 

Unsere Staatenwelt sei ein Kunstprodukt, so der Autor. "Sie ist eine Kopfgeburt und als Kopfgeburt eine Totgeburt. Deshalb zerbröselt ein Staat nach dem anderen."  Die Ursache sei ein unsinniges Konstruktionsprinzip, ein falsches Denken, dass nicht nur zum Zerfall der Staaten führe, sondern zudem zu konventionellen Kriegen oder Guerilla- Kriegen gegen das feindliche Militär. Das die Zivilbevölkerung zumeist betroffen ist, besteht nicht selten die Gefahr, dass sich daraus globale Folgen ergeben.

Man erfährt mehr über die Faktoren der (In)- Stabilität und begreift sehr schnell, weshalb die Fundamente der meisten Staaten nicht stabil sind. Es kann nur zusammenwachsen, was zusammen gehört. Nur wenn man das akzeptiert, wird es weniger Kriege und Konflikte geben. 

Man erfährt u.a. mehr über innerstaatliche demografisch-geografische Realitäten, auch über zwischenstaatliche Konstellationen und in dieser Beziehung Näheres über territoriale und personale Selbstbestimmung. Der Autor geht auf einzelne Krisensituationen ein, unter diesen auch Syrien, das klassisches Anschauungsmaterial für die Fehlkonstruktion von geografisch-demografisch uneinheitlichen politischen Einheiten im Rahmen der Kolonialbildung und der Entkolonialisierung liefert. 

Wolffsohn analysiert viele Staaten in diesem Buch und befasst sich auch mit der "Universalgeschichte der Niedertracht", gemeint mit der Geschichte Europas. Dabei ist die Geschichte der Juden in der Diaspora seit 3000 Jahren eine Abfolge von Juden-Importen und Vertreibungen. 

Um kriegerische Auseinandersetzungen zu verringern,  rät der Autor zur Föderalisierung. Territoriale und/oder auch personale Selbstbestimmung der jeweiligen Gemeinschaften als Alternative zu erproben, ist gewiss mehr als einen Versuch wert, da  die ansonsten üblichen humanitären Interventionen bekanntermaßen stets nur die Symptome,  nicht aber die Krankheit selbst bekämpfen.

Empfehlenswert.

Helga König

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Rezension: #Nagasaki - #Klaus_Scherer- Hanser Berlin


Heute, am 9. August vor 70 Jahren wurde seitens der USA auf die japanische Stadt Nagasaki eine Atombombe geworfen. Die erste Atomwaffe fiel 3 Tage zuvor bereits auf Hiroshima. 

Die Atombombenexplosionen töteten insgesamt ungefähr 92.000 Menschen sofort – fast ausschließlich Zivilisten und von der japanischen Armee verschleppte Zwangsarbeiter. An Folgeschäden starben bis Jahresende 1945 weitere 130.000 Menschen. In den weiteren Jahren kamen etliche Todesfälle hinzu, (vgl. hierzu Wikipedia). 

Der Autor des Buches, Klaus Scherer, arbeitete lange als ARD-Korrespondent in Japan und in den USA und ist heute Sonderreporter beim NDR in Hamburg. Ausgezeichnet wurde er u.a. mit dem Adolf-Grimme-Preis. 

Scherer belegt in seinem Buch, dass es der USA darum ging die Bomben zu testen und nicht darum, Japan einen endgültigen Schlag zu versetzen, um sich zu ergeben und auf diese Weise das Kriegsleid zu stoppen. Seine Recherche zeigt: Japan war zu diesem Zeitpunkt bereits militärisch am Ende. 

Untergliedert ist das Werk, das den Untertitel "Der Mythos der entscheidenden Bombe" trägt, in fünf Abschnitte, denen Scherer eine dreizehn Seiten umfassende Einleitung vorangestellt hat. Wie der Autor konstatiert, fragte kaum einer danach, weshalb die zweite Bombe drei Tage nach der Verheerung Hiroshimas auf Nakasaki geworfen wurde. 

Der Autor befragte amerikanische und japanische Historiker, auch letzte Zeitzeugen und hier ehemalige Kinder, die die Hölle miterlebten sowie den Radarspezialisten der US-Bombermission, der den Atompilz vom Bordfenster aus ablichtete. 

Scherer schreibt über die Stadt Los Alamos in den USA, wo Physiker und Militärs die Bombe bauten und wo selbst heute auf Bildern in der dortigen Gedenkstätte keine Bombenopfer gezeigt werden. Mehrfach befragte der Autor den Pulitzer-Preisträger Martin Sherwin, der in Washington an der Georg Mason Universität lehrt und der nach 50 Jahren Forschung über die Hintergründe der Bombenabwürfe zum Ergebnis gelangt, dass diese unnötig waren. Japan lag zu Kriegsende am Boden, hatte Signale nach Moskau gesandt, dass Stalin als unbeteiligter Dritter in Sachen Frieden vermittelte. Weder Stalin noch Truman nutzten Tokios Ausstiegsofferten. Offenbar verzichtete Truman sogar bewusst auf den diplomatischen Weg, weil Japan Testfeld für die Bomben werden sollte. 

Nagasaki galt als eine besonders weltoffene Stadt. Die Perversion des Bombenabwurfs zeigt sich auch darin, dass das Hypozentrum über der Kathedrale lag. Die Bombencrew hatte die Explosion vorausberechnet und zwar in der Weise, dass sie so weit über dem Boden explodierte, dass der Vernichtungskegel unter ihr einen größtmöglichen Radius erreichte. 

Man erfährt von Zeitzeugen, was damals nach dem Abwurf geschah, liest von dem heftigen Windstoß und dem Albtraum danach: "Plötzlich kamen Menschen in den Raum gekrochen, die halb verkohlt waren und denen die Eingeweide aus offenen Wunden hingen." (S.117)" Die Toten sahen aus wie aufgepumpt, wie mit Wasser gefüllt." (S. 118)" Aber es kamen noch mehr Menschen von draußen. Sie flehten um Wasser."(S.118)   "Bitte! Wasser! Bitte! Hörte ich sie jammern. Aber ich hatte kein Wasser." (S.118) "Wenn Du verbrennst und dein Innerstes zerfetzt ist, rufst Du nicht mehr um Hilfe, sondern nur noch nach Wasser."(S. 121) 

Sich klar zu machen, dass all dieses fürchterliche Leid wegen Testzwecken billigend in Kauf genommen wurde, macht sprachlos. Ebenso sprachlos macht die Tatsache, dass diese mörderische Wunderwaffe nicht nur technisch beeindruckend, strategisch zwingend, moralisch geboten, sondern zudem auch noch ästhetisch makellos in Erinnerung bleiben sollte. Wie pervers ist das denn?

Ich möchte Professor Akira Kimura zitieren, der an der Nakasakis Friedensforschungsinstitut lehrt: "Ich glaube, dass beide Bomben ungerechtfertigt waren. Schon die Fragestellung, ob sie militärstrategisch sinnvoll waren oder nicht ist falsch. Mein Standpunkt ist, dass sich die Atombombe an sich aus ethischen Gründen verbietet". (S. 192) Diesem Standpunkt schließe ich mich an. 

Liest man von den Höllenszenen, von denen hier Überlebende berichten, sind selbst Begriffe wie Massaker an Zivilisten, Verstoß gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen geradezu verharmlosend. 

Selbst der Strahlentod in den Monaten und Jahren danach, der Millionen von Menschen ein qualvolles Ende bereitete,  hat Politiker und Militärs nicht aufgerüttelt. 

Der Mensch hat sein Wissen wie man die Erde auslöschen kann perfektioniert. Das sollte uns alle mit Scham erfüllen, denn wir haben nicht begriffen, welches Geschenk uns mit dem blauen Planeten gemacht wurde und welche Aufgabe damit wirklich verbunden ist.

Sehr empfehlenswert. 

Helga König

Bitte klicken Sie auf den Link, dann gelangen Sie zum Hanser-Verlag und können das Buch dort direkt bestellen.http://www.hanser-literaturverlage.de/buch/nagasaki/978-3-446-24947-9/. Sie können es aber auch bei Ihren Buchhändler um die Ecke ordern.