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Rezension: Heimat.Volk.Vaterland-Eine Kampfansage an Rechts- #Peter_Zudeick- Westend

Peter Zudeick, der Autor des vorliegenden Buches, arbeitet als freier Journalist und Korrespondent für nahezu alle ARD-Rundfunkanstalten.

Der promovierte Philosoph reflektiert in seinem Buch bestimmte Begriffe, die sich das rechte Lager schon im letzten Jahrhundert angeeignet hat, um mit ihnen in ideologische Schlachten zu ziehen. Diese Begriffe aber waren vormals völlig wertfrei und könnten es auch wieder werden, wenn man sich darum ernsthaft bemüht. Peter Zudeick tut dies bereits. Er meint, im Sinne des Philosophen Ernst Bloch, dass es "Kategorien des Irrationalen" gäbe, die vor dem Zugriff der Rechten gerettet werden können. Allerdings klammert Zudeick Begriffe aus, die von den Nazis so sehr beschmutzt wurden, dass sie nicht mehr wiederverwendbar sind. Einer dieser Begriffe ist beispielsweise "Blut und Boden".

Peter Zudeick hat mit "Heimat.Volk.Vaterland" ein Buch vorgelegt, bei dessen Erarbeitung er bemerkenswert wissenschaftlich vorgegangen ist, wie das Literaturverzeichnis und die Anmerkungen deutlich machen. Trotz dieser Tatsache liest sich sein eloquenter Text flüssig, auch spannend, motiviert zum Nachdenken und ist dazu noch lehrreich. 

"Heimat" ist die erste Begrifflichkeit, die der Autor in seinem Werk näher in Augenschein nimmt. Den diesbezüglichen Überlegungen stellt er eine Heimatdefinition der Brüder Grimm voran und erinnert später daran, dass Heimat neuerdings wieder Konjunktur habe. Ein Zeichen dafür sei die Einrichtung von Heimatministerien. 

Den Begriff "heimuot" kannte man schon im 11. Jahrhundert, die moderne Form "Heimat" ist seit dem 15. Jahrhundert bekannt. Bedeutete der Begriff ursprünglich "Haus", "Hof", "Stammsitz", wurde er nun zu einem klar definierten Rechtsverhältnis. Dieses vom Autor näher ausgeführte Rechtsverhältnis wandelte sich im 19. Jahrhundert. Nun war Heimat nicht mehr nur Geburtstort. Nun entstanden Heimatlieder und die sogenannte Heimatbewegung. Nun wurden hierzulande Heimatvereine, Heimatbünde, Trachtenvereine, Geschichtsvereine, Volkskunstvereine und Heimatmuseen gegründet und das Schulfach Heimatkunde eingeführt.

Zu Ende des 19. Jahrhunderts dann gewann die Heimatbewegung immer größeren Einfluss, zugleich seien die nationalistischen und völkischen Töne stärker geworden. Wie es dazu kam, wird auch aufgezeigt und es bleibt nicht unerwähnt, dass die sogenannte  Blut- und Boden-Ideologie der Nazis  genau hier ihre Wurzeln hat. 

Hitler übernahm also später, was schon dagewesen. Nun allerdings wurde Heimat in der Nazi-Ideologie zu etwas, was  gegen "rassenfremde Kräfte" (darin sah man Urheber der Heimatzerstörung) und gegen den äußeren Feind, der angeblich die Heimat rauben wollte, verteidigt werden musste. Der Heimatbegriff wurde aggressiv aufgeladen, wie beispielsweise das Wort "Heimatfront" dokumentiert. 

Nach dem 2. Weltkrieg wurde der Begriff im wissenschaftlichen Diskurs nicht mehr verwendet. Heimatfilme und Heimatlieder standen in den 1950er Jahren aber hoch im Kurs und der Begriff Heimat blieb auch später ein ungebrochener Teil der Kulturindustrie. In intellektuellen Kreisen allerdings war er lange tabuisiert. 

Für den Philosophen  und Linksintellektuellen Ernst Bloch - und das ist sehr interessant- war Heimat ein "philosophischer Begriff" gegen die Entfremdung. Ihm geht es um den Umbau der Welt zur Heimat. 

Auch der Schriftsteller Bernhard Schlink begreift Heimat als Gegenentwurf zur Entfremdung. Peter Zudeick zitiert aus dessen Werk "Heimat als Utopie", wo für Schlink in der Uniformierung und Anonymisierung der Lebenswelt  die Entfremdung konkret vor Ort erfahrbar ist.

Dass nun auch die Grünen mit dem Begriff "Heimat" auf Tuchfühlung gehen und ihn neu definieren, zeigt, dass dieser Begriff sich allmählich wieder wertfrei im Raum bewegt, auch wenn die Rechten ihn gerne noch immer als ihr Eigentum betrachten möchten. 

"Vaterland" ist ein weiterer Begriff, den Peter Zudeick unter die Lupe nimmt. Auch hier zeigt er die historische Entwicklung und auch hier sieht man, dass der Begriff Ende des 19. Jahrhunderts kippte und nun Elemente feindseliger Ausgrenzung enthielt. Wie er dann im Nazi-Regime geradezu krankhafte Formen annahm und welche Rolle der Stolz dabei hatte, bleibt in den Betrachtungen auch nicht ausgespart, bevor es um die Begriffe "Volk" und "völkisch" geht. 

Es führt zu weit, all die Zwischenüberlegungen des Philosophen hier zu erwähnen. Was dem Linksintellektuellen geglückt ist, betrachte ich weniger als eine Kampfansage an Rechts, vielmehr  als gelungenen Versuch für eine differenziertere Sprache zu sensibilisieren und dafür zu werben, den Mut aufzubringen - jenseits ideologischer oder emotionaler Überfrachtung - Worte entspannt zu verwenden, die in der Lage sind, Gemeinschaft im positiven Sinne zu bestärken  und so ein friedliches Miteinander zu leben, in einer Heimat, die die gesamte Erde und alle Völker mit einbezieht. Die Völker einer solchen Heimat  beseitigen Fluchtursachen wie Krieg, Armut und Hunger überall, weil  ihr Solidaritätsdenken nichts anderes zulässt.

Leben auf der ganzen Welt lebenswert zu machen, heißt Heimat nicht zur bloßen Worthülse verkommen zu lassen und sie im Irgendwo sehnsüchtig  suchen zu müssen. Das sollte allen bewusst werden.

Sehr empfehlenswert. 

Helga König

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Heimat. Volk. Vaterland: Eine Kampfansage an Rechts

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