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Rezension: Den Frieden gewinnen- Die Gewalt verlernen- Heribert Prantl- Heyne


Prof. Dr. jur. Heribert Prantl ist Autor und Kolumnist der Süddeutschen Zeitung. Er wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter der Geschwister-Scholl-Preis und den Erich-Fromm-Preis.

Mit dem hier vorliegenden Buch versucht der Autor, einen Weg zu finden, wie man den Gezeiten der Gewalt ein Ende setzen kann. 

Das Werk ist nach einem mehrseitigen Vorwort in sieben Kapitel untergliedert. Dabei reflektiert Prantl den Begriff "Zeitenwende", die für ihn eine echte wäre, sofern die Gezeiten der Gewalt ein Ende hätten. Sie ist es allerdings momentan nicht, weil die derzeitige Begriffsbestimmung antiutopisch sei. 

Junge Menschen sind verunsichert. Die Hälfte von zehntausend Befragten glaubt, dass die Menschheit dem Untergang geweiht sei. Es breite sich das Gefühl aus, das Leonhard Cohen in nachstehendem Satz zusammenfasst: "There´s a crack in everything." Allerdings, so gibt Prantl zu bedenken, seien die Risse im Gehäuse der Geschichte nicht allein destabilisierend und destruktiv, nicht allein Anlass der Hoffnung aufzugeben. Die Risse im Gebäude der Geschichte seien es, wodurch Licht reinkomme. Der Riss sei die Stelle, wo Veränderungen ansetzen müssen. Hier und jetzt, genau da, wo der Riss sei. 

Menschen, die den Riss erkennen und den Mut besitzen, zu handeln, gab es zu allen Zeiten, so etwa Gustav Stresemann, Martin Luther King oder Willy Brandt. Auch die Arche Noah besaß einen Spalt durch den das Licht kam. "Spaltsuchtage" wie etwa der "Weltfriedenstag" der Katholiken, der "Antikriegstag der Deutschen" am 1. September und der "Internationale Tag des Friedens" hebt Prantl hervor. Die Welt benötige Hoffnung, damit der Hass nicht das letzte Wort habe. 

Der Autor sieht im Hass die furchtbarste Kraft, die es gibt, weil Hass entmenschliche. Er sei ein niedriger Beweggrund, der sich mit Geltungssucht selbst erhöhe. Hass sei eine Verführungskraft, die das Morden für eine tapfere Tat halte. Prantl schafft Bewusstsein für die Dynamik des Hasses und verdeutlicht, dass diese Dynamik zu stoppen, die Voraussetzung für Frieden sei.

Der Autor kritisiert zu recht den Begriff der "Kriegstüchtigkeit" von Pistorius, weil er alte Denk- und Verhaltensmuster aktiviere, er führe zu einem positiven Bild vom Krieg, breche der ständigen Aufrüstung Bahn und behaupte, dies sei tüchtig. Das Friedensgebot des Grundgesetzes weise den richtigen Weg. Es sei dies der Weg vom Recht des Stärkeren zur Stärke des Rechts. 

Prantl erinnert an Kants Schrift "Zum ewigen Frieden", auch an Bertha von Suttners Roman "Die Waffen nieder" und nicht zuletzt Erich Maria Remarques Roman "Im Westen nichts Neues". Erwähnt werden Manifeste gegen das Kriegshandwerk, unterzeichnet von Menschen wie Albert Einstein, Stefan Zweig und auch Thomas Mann. 

Zudem erinnert  Prantl an Max Weber und dessen Vortrag, in dem dieser die Begrifflichkeiten prägt, die seither in ethischen und politischen Debatten zum Tragen kommen: gemeint die Unterscheidung zwischen Gesinnungsethik und Verantwortungsethik. 

Unglaublich viel weiß und schreibt Prantl zum Thema Pazifismus und weiß, dass der, der Frieden will nicht zum Krieg rüsten, sondern den Frieden suchen solle. Er solle den Frieden vorbereiten und pflegen- nicht erst im Krieg, sondern lange vorher, bevor er zu köcheln und zu kochen begänne. Das sei Pazifismus. Diesem Gedanken schließe ich mich an. 

Prantl erwähnt u.a. den Geschwister-Scholl-Preisträger Arno Grün, der sich sein ganzes Leben über für die seelischen Ursprünge von Gewalt interessiert hat. Er strebte eine Welt ohne Kriege an. Dessen Frage "Warum stellen sich Menschen gegen das, was sie miteinander verbindet, gegen das, was sie gemeinsam haben- ihr Menschsein?"sollte jeder für sich beantworten sollte, bevor er weiterliest. 

Wer ist böse und was ist das Böse? Für Prantl ist das Böse der aggressive Bruch von Recht, von Grund- und Menschenrecht. Bösartig sei es, solchen Rechtsbruch zu verherrlichen. Das sehe auch ich so. 

Prantl hält nichts von Vermonsterung, sondern macht begreifbar, dass Kriegsverbrecher erst zu solchen gemacht werden durch Propaganda. Die Kriegsverbrecher glauben für eine gerechte Sache zu handeln. Das ist das Problem. 

Aus den einzelnen Taten einzelner Menschen entstehe im Krieg eine Tötungsmaschine und die Gewalt, die sie produziere, sei weit größer als die Addition der einzelnen Taten. 

Prantl schreibt auch darüber, dass zur Globalisierung die Migration gehöre. Es geht ihm um die Begrenzung des Grenzenwahns und um die Zähmung der Gewalt, kurzum, es geht ihm um Entfeindung und um Waffenstillstand. Es geht um die Sicherheit aller. Diese werde steigen, wenn sich die Gegner die Brille des anderen aufsetzten würden, so beginne das Frieden-Lernen. 

Kann dies geschehen, wenn die Aktie des Rüstungskonzern Rheinmetall 2023 um 54,2 Prozent zulegt und damit an der Spitze der 40 größten und liquidesten Unternehmen des deutschen Aktienmarktes steht? 

Die neuen Gedanken sollen vermutlich von Aufrüstung handeln und die neue Kriegstüchtigkeit vermutlich zum Band werden, dass Staat und Gesellschaft zusammenhalte, so Prantl, der nicht vergisst von Streumunition zu schreiben, die die Amerikaner in die Ukraine liefern und der Tatsache, dass Bundespräsident Steinmeier entgegen seiner Unterschrift des Osloer Übereinkommens gegen Cluster-Munition 5 Jahre danach seine Verpflichtung verleugnet, indem er zu diesem Tun der Amerikaner schweigt.

Prantl wünscht sich heute Diplomaten wie den "weltweisen Venezianer" Alvise Contarini, der mit mühseligen Verhandlungen des Dreißigjährigen Krieg beendete. Der Westfälische Frieden sei sein Werk. Schade, dass Frau Baerbock nicht dessen Format hat. 

Frieden durch Vernichtung- oder Frieden durch Vertrag? Fragt Prantl und nennt Karthago als Urbeispiel der Vernichtung. 

Wer sich wünsche, dass das Kriegshandwerk aussterbe, sei ein pazifistischer Mensch. Prantl schreibt, weiter, dass es gut wäre, wenn dieser Wunsch wieder eine parteipolitische Heimat hätte. Dem stimme ich zu und finde es bedauerlich, dass man das BSW noch immer diffamiert. 

Friedenserziehung sei nicht Konfliktvermeidung, sondern Unterricht darin, Konflikte zu erkennen, zu benennen, zu verhandeln und zu lösen- und die lösbaren auszuhalten. Friedenserziehung sei Bildung in der Kunst des Kompromisses. Sie sei die Schule der Neugier, die dem anderen begegnet, ohne gleich zu werten. 

Und auch das: Der Weg zum Frieden gehe nicht über die Bekämpfung von Religion, sondern man müsse das Gewalt- und auch Friedenspotential der Religion verstehen,  ersteres zähmen und letzteres realisieren. 

Der Inhalt des Buches umfasst vieles mehr, unmöglich alles in dieser Rezension zu streifen. 

Wer den Frieden gewinnen und die Gewalt verlernen möchte, sollte dieses Buch unbedingt lesen.

Maximal empfehlenswert 

Helga König

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