Autor dieses Buches ist der Jurist und Rechtwissenschaftler Wolfgang Schild. Er hat seit 1977 an der Universität Bielefeld den Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Rechtsgeschichte und Rechtsphilosophie inne. In diesem reich bebilderten Buch stellt Schild die Rechtsprechung im Mittelalter vor.
Wie man dem Klappentext bereits entnehmen kann, möchte das Buch die alte Gerichtsbarkeit in all ihren Facetten begreiflich machen, die sich aus dem Weltbild jener Zeit erklären lässt. Nicht der Mensch, so liest man dort, war das Maß aller Dinge, sondern stattdessen drehte sich alles um Gott. Weil das so war befasst der Autor sich auch zunächst mit dem christlich-religiösen Rechtsverständnis. Schild thematisiert zunächst den rechtlichen und den richtenden Gott, fokussiert alsdann die von Gott verliehene Rechtsmacht, um schließlich den so genannten Gottesfrieden, die Gottesurteile und den Teufel als Rechtssubjekt zur Sprache zu bringen.
Gottesurteile hat es in allen Kulturen gegeben, allerdings nicht immer in Berufung auf eine Gottheit, sondern in der Frühzeit nicht selten als Zwingszauber gegenüber den Elementen Erde, Wasser Feuer. Diesen Elementen wurden reinigende Funktionen zugesprochen. Der juristische Begriff "Gottesurteil" ist erst in der Aufklärung geprägt worden und sollte alle Formen der "irrationalen" Verfahrensschritte erfassen (vgl.S.:28). Auf Bildern werden zahlreiche Gottesurteile dargestellt, so etwa das sogenannte "Hexenbad", das Gottesurteil des glühende Eisens, die Bahrprobe etc..
1215 verbot Papst Innozens III. die Mitwirkung von Geistlichen beim Vollzug von Gottesurteilen und Thomas von Aquin (um 1225-1274) begriff die Ordalen als verbotende Wahrsagerei. In Verfahren vor geistlichen Gerichten wurde das Gottesurteil übrigens seit 1215 nicht mehr zugelassen (vgl.S.: 35). Auch Friedrich II. verbot bereits 1231 für Sizilien Gottesurteile als vernunftwidrig. Allerdings stützte man sich im Zauber-und Hexereiverfahren anfangs auf Gottesurteile. Im 16. und 17. Jahrhundert kam das "Hexenbad" erneut ins Gespräch, wurde aber vor Gericht zumeist nicht anerkannt.
Im 2. Kapitel des Buches befasst sich der Jurist mit der der Regelung des sozialen Lebens aufgrund von lebenspraktischem Recht. Die Menschen erfuhren was verboten und erlaubt war durch öffentlich und insofern sinnlich erfahrbar vollzogene Rechtsakte und durch die Predigten in der Kirche. Die sichtbare Geordnetheit vermochte den Rechtsinstanzen die notwendige Legimitation vermitteln. Dies kam der Ausbildung der gesellschaftlich-staatlichen Macht zugute. Schild zieht das Fazit, das je stärker der Staat und je theoretischer sein Recht wurde, desto mehr verlor das Recht seine Fundierung in der religiös-sozialen Praxis der Menschen (vgl. S. 39).
In der Folge liest man von der Öffentlichkeit des Rechtslebens, der Rechtsstellung des Einzelnen und seiner Ehre. Gemeint ist nicht die innere Würde, sondern das soziale Ansehen, der Ruf, der Leumund. Die Mitglieder kleiner, überschaubarer Gemeinschaften brachten ihre Anerkennung und Missbilligung in den kommunikativen Ehrdiskurs ein. Der Sachsenspiegel von Eike von Repkow nimmt darauf Bezug. Thematisiert werden ausgiebig öffentliche Hinrichtungen, aber auch von Begnadigungen durch Erbitten der Ehepartner, die allerdings sehr selten Wirklichkeit wurden (vgl: S. 48).
Zur Sprache kommen ferner u.a. die Öffentlichkeit des Verfahrens und das Öffentlichmachen der sogenannten Missetat. Es führt zu weit dies an dieser Stelle alles ausführlich zu erläutern, so viel nur: alles liest sich so spannend wie ein Krimi. So erfährt man u.a. von einem Zweikampf (der Sachsenspiegel regelte den Zweikampf alles Mittel der Konfliktentscheidung und nicht als Gottesurteil) zwischen Ruprecht von Freising und einer Frau, die ihm Notzucht vorwarf: Der mit einem Kampfkolben bewaffnete Mann sollte bis zum Nabel in ein Erdloch einbuddelt werden, die linke Hand auf den Rücken gebunden. Die Frau erhielt einen in ihr Tuch eingewickelten Stein, den sie als Schleuderwaffe nutzen konnte. Siegte die Frau, dann sollte dem Mann der Kopf abgeschlagen werden, siegte der Mann wurde der Frau die Hand abgeschlagen ( vgl.:S. 69).
Kapitel 3 ist dem rechtlichen Verfahren gewidmet. Hier hat mich vor allem das Inquistitionsverfahren und die Folter interessiert. Im Ketzerprozess teilte man dem Verdächtigen nicht mehr die Namen der Belastungszeugen mit und schmälerte hierdurch seine Verteidigungsmöglichkeiten. Später wurde sogar die Folter zugelassen. Dieses ursprünglich im Kirchenrecht ausgeübte Verfahren wurde im Inquisitionsprozess auch Praxis der weltlichen Gerichte. Der erste Gesetzestext, der die Folter erwähnt, kommt aus der Stadt Verona 1228. In der Folge liest man von der "Peinlichen Halsgerichtsordnung Karls V. (Carolina). Dort wird u.a. auch das Überstehen der Folter ohne Geständnis geregelt. In besagtem Fall sprach man von "Purgation" (Reinigung). Die Verwendung von Feuer, z.B. von brennenden Schwefelplätzchen, die man auf die Haut klebte, waren während der Folter schon ein kleiner Vorgeschmack, was dann bei der "Purgation" folgte.
Der Autor thematsiert einen Musterprozess. Dieser fand am so genannten endlichen Rechtstag statt und wurde öffentlich inszeniert und nach alten feierlichen Ritualen vollzogen. Wie das "Theater des Rechts" aufgeführt wurde, kann man dem Salbuch der Stadt Volkach von 1504 nachvollziehen. Schild berichtet darüber und wartet mit Illustrationen aus besagtem Buch auf. Später wird man mit dem Begriff " Missetäter" (heute Straftäter) vertraut gemacht. Man erfährt Näheres über den Rechtsverletzer, den Friedenbrecher, über landschändliche Leute, Verräter, Feinde und Teufelsbündner und freut sich im Hier und Jetzt zu leben. Dr. Faustus war übrigens ein Teufelsbündner nach der damaligen Betrachtung, weil er den Teufel zu beschwören lernte. Im Ergebnis war deshalb Dr. Faustus selbst teuflisch. Die Carolina auch der Sachsenspiegel gingen nicht zimperlich mit Teufelbündnern um. 1589 wurde ein Vater und seine beiden Töchter in Bedburg bei Köln grausam hingerichtet, weil sie unter Folter gestanden hatten, Schwarzmagie zu betreiben (vgl: S. 154).
Im letzten Kapitel dann erfährt man viel über die Strafen im Mittelalter. Bilder veranschaulichen die ganze Brutalität mit der vorgegangen wurde. Ich erspare mir an dieser Stelle auf Einzelheiten einzugehen. Man erfährt auch Näheres über die Person des Scharfrichters und seine Tätigkeit, zudem werden verschiedene Formen der Todesstrafen genannt. Im Zusammenhang mit der Hexerei ist das Verbrennen allseits bekannt. Es gab aber auch Verstümmelungsstrafen, Strafen zu Haut und Haar, Vermögensstrafen und Freiheits- und Arbeitsstrafen. Eine grausame Zeit, die verdeutlicht, wozu der unaufgeklärte Mensch fähig ist.
Ein hochinteressantes Buch.
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