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Rezension: Nach uns die Sintflut- Höfisches Leben im absolutistischen Zeitalter- Hans-Dieter Otto

Hans-Dieter Otto hat ein sehr spannend geschriebenes, faktenreiches Sachbuch verfasst, in dem das höfische Leben im absolutistischen Zeitalter an unterschiedlichen adeligen Hofgesellschaften veranschaulicht wird.
Nach einem erhellenden Vorwort des Autor untergliedert dieser sein Buch in:
-Die Ausstrahlung des Versailler Hofs

-Mode und Manieren, Vergnügen und Vorlieben

-Der Sonnenkönig und seine Mätressen

-Preußen im Profil: Von Pracht und Prunk zur Sparsamkeit

-Im Liebesreigen des Rokoko: Ludwig XV.

-Feste, Feiern, Tafelfreuden und andere höfische Lustbarkeiten

-Sächsische Pikantarien

-Am Hofe Augusts des Starken

-Von Rheinsberg nach Sancsouci

-Höfische Extravaganz: Alchemisten, Abenteurer, Hochstapler und andere Glückritter.

Wie man dem Inhaltverzeichnis entnehmen kann, werden viele Facetten des absolutistischen Zeitalters, welches das Barock und das Rokoko umfasst, thematisiert. Das Buch ist illustriert, so dass man einige Hauptakteure aus jenen Tagen auch visuell näher kennenlernt. Gerade gestern habe ich ein Geo-Magazin über Ludwig XIV. rezensiert und finde bei Herrn Otto bestätigt, was ich dort in diversen Beiträgen auch schon las. Allein für den Bau von Versailles, den Park, die Ausstattung und den Unterhalt wandte Ludwig 300 Millionen Livres auf, 60 Millionen davon für das Mobiliar. Zur gleichen Zeit erhielten Familien als Hinterbliebene eines bei einem Unfall zu Tode gekommenen Arbeiters so wenig Rente, dass sie kaum davon leben konnten.

Man wird über die Mode in jenen Tagen aufgeklärt und in diesem Zusammenhang auch über Perücken. Die französische Mode wurde zu Zeiten Ludwig XIV. seitens seines Finanzministers Colbert industrialisiert. Er gründete die Manufakturen, konkret die Fabriken für Wandteppiche, Leinen, Spitzen und gemusterte Stoffe, Produktionsstätten für Glas, Schmuck Seife und Parfum,(vgl:: S. 40), die an andere Höfe in Europa exportiert wurden.

In Zeiten Ludwigs XIV. gaben sich viele Herren der höfischen Gesellschaft- auch Fürsten und Könige- Vergnügungen und Genüssen, in erster Linie dem Trinken hin. Otto schreibt, dass derjenige, der viel vertrug, ein hohes Ansehen hatte. Am Zarenhof sollen die gemischten Saufgelage zu Bacchanalien ausgeartet sein. Peter der Große schätzte es besonders, wenn sich die Frauen während des Trinkens entkleideten. Sofern die Frauen erst mal nackt waren, kannte die Freizügigkeit keine Grenzen mehr, (vgl.: 42).

Man liest von den opulenten Speisen, vom ersten Champagner, den Dom Pérignon, der Kellermeister der Benediktiner-Abtei Hautvillers in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts herzustellen begann, liest von Schokolade aus Mexiko und chinesischem Tee, der zunächst sehr teuer war.

Zwerge als Hofnarren sind ein weiteres Thema. Sie waren die Kontrastfiguren für des Regenten Gottesgnadentums. Entgegen allen höfischen Bräuchen und Sitten musste der Hofnarr überbunte Kleidung tragen, die dazu noch mit Flecken, den so genannten "Schandflecken" besetzt waren. Seine Aufgabe bestand darin, Schäden an der körperlichen und seelischen Gesundheit versinnbildlichen. Einige berühmte Hofnarren gelangen im Buch in den Fokus. Unter ihnen ist Joseph Fröhlich, der am Hofe August des Starken fast bei allen Hoffesten und Hofreisen mit von der Partie war. Bekannt wurde er aufgrund seiner offenen Kritik an der Verschwendung am sächsischen Hofe, die er primär gegenüber dem sächsischen Premierminister Heinrich Graf von Brühl äußerte, (vgl:: S.49).

Bemerkenswertes auch erfährt man über das "Lever", d.h. die Gepflogenheiten am französischen Hofe bei morgendlichen Aufstehen und sich Erheben des Königs und seiner Gemahlin. Das war ein Teil der Etikette, die der König als Instrument zur Beherrschung seiner Untertanen einsetzte, (vgl.:S.58).

Über die Mätressen unterschiedlicher Monarchen wird man auch sehr gut in Kenntnis gesetzt. Eine der offiziellen Mätressen Ludwigs XIV. war die Marquise de Montespan, die in den Pariser Giftskandal verwickelt war und offenbar dem König obskure Liebespulver und andere Aphrodisiaka ins Essen gemengt hatte, um sich seine Liebe zu erhalten, (vgl.: S.69). Nicht sie war es, die heimliche Königin von Frankreich wurde, nachdem Ludwig verwitwet war, sondern ihre Nachfolgerin Francoise Scarron, die der König 1675 zur Marquise de Maintenon erhob. Dass eine offizielle Maitresse vom König schließlich geheiratet wurde, war sehr ungewöhnlich.

Sehr lesenswert sind die Beschreibungen zu der Kleidung der Damen und Herren des Rokoko. Die Damen sollen auf engen, dazu noch spitzen Schuhen balanciert sein. Über diesem Schuhwerk wölbte sich ein Drahtgestell von riesigen Dimensionen, welches von einem mit Falten, Röschen und bunten Schleifchen geschmückten Krinolinenrock überzogen war. Ein Fischbein-Korsett sorgte für eine schmale Taille. Die Hände waren unter langen, dünnen Handschuhen verborgen und der weiße Haarberg auf dem Kopf war mit Edelsteinen, Federn und Schleifen geschmückt, (vgl.: S.98). Die Kleidung war ein äußeres Zeichen dafür, dass der Adel nicht zu arbeiten bereit war. Dass 1789 viele Adelige den Kopf verloren haben, wundert nach den Pomp-Provokationen der Jahrzehnte zuvor nicht.

Ausgefallene erotische Spiele und Perversionen waren im Rokoko an der Tagesordnung. Eine Frau ohne Liebhaber galt nicht etwa als tugendhaft, sondern eher als reizlos. Ein Mann ohne Mätresse galt als impotent und ruiniert, (vgl.: S. 100). In diesem Zusammenhang kommen die Mätressen Ludwig XV. zu Sprache. Madame Dubarry, seine letzte Mätresse, soll eine erfahrene Liebeskünstlerin gewesen sein. Sie landete während der französischen Revolution übrigens auf dem Schafott, (vgl.: S. 116).

Interessanter allerdings ist Madame Pompadour, die vom König prächtige Schlösser und Paläste geschenkt bekam und den Stil "Louis Quinze" prägte. Diese Mätresse war nicht nur schön und kunstinteressiert, sondern auch intellektuell sehr begabt. Sie stand mit den wichtigsten Denkern der Aufklärung Voltaire, Diderot und Montesquieu im Briefwechsel und galt als fortschrittlich denkende und freimütige Frau. Ihr Einfluss war riesig. Nach dem Muster einer Königin zelebrierte sie in ihrem Boudoir ein eigenes "Lever", streng nach der Etikette, (vgl.: S. 112). Die freundschaftliche Beziehung zum König hielt bis zu ihrem Tode an, obschon die sexuelle Beziehung zu diesem Zeitpunkt kein Thema mehr war.

Spannend zu lesen sind auch die Gepflogenheiten am Hofe Augusts des Starken und hier dessen Mätressenwirtschaft. Vielleicht war Maria Aurora Gräfin von Königsmark die gebildetste von allen, allerdings konnte sie weder durch Schönheit, Intelligenz und Bildung den sächsischen König langfristig für sich begeistern. Das konnte keine seiner vielen Mätressen, auch Gräfin Cosel nicht. Die Sitten an diesem Hofe unterscheiden sich von jenen in Rheinsberg und Sanssouci, wie man den entsprechenden Kapiteln entnehmen kann. Am Rheinberger Hof gab es keine Zeremonien und kaum eine Etikette, (vgl.: S.177). Es wurden Komödien gespielt und Konzerte gegeben. Voltaire war zu Gast, man trank Champagner. Die Tafelrunde in Sanssouci ist legendär. Nicht unerwähnt bleibt, dass auch Bach dort weilte und eine große dreistimmige Fuge improvisierte, (vgl.: S. 184). Doch so blieb es nicht immer...

Gefallen hat mir, dass man auch über Johann Friedrich Böttger informiert wird, dem es in Sachsen gelang Hartporzellan herzustellen, aber auch zu Casanova und Cagliostro Näheres erfährt. Zu den beiden zuletzt genannten Personen habe ich bereits Rezensionen verfasst.

Ein Buch, das historisch Interessierte gewiss gerne lesen, zumal der Autor versteht, viele Anekdoten in seinen hochinformativen Text geschickt einzubauen und ihn auf diese Weise sehr kurzweilig zu gestalten.

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