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Rezension:Die geprügelte Generation: Kochlöffel, Rohrstock und die Folgen (Gebundene Ausgabe)

Die Journalistin und Autorin Ingrid Müller-Münch thematisiert in ihrem aufschlussreichen Buch ein Stück beschämender Realität aus den 1950er und 1960er Jahren. Damals nämlich wurden Kinder mit Kochlöffeln, mit dem Rohrstock, sprich durch Prügel seitens Eltern und Lehrer gezüchtigt. Wie man einer Auflistung juristischer Fakten entnehmen kann, stärkte die Justiz ihnen bei ihrem Tun auch noch den Rücken.

Müller-Münch hat mit vielen Personen, die in jener Zeit ihre Kindheit verbrachten, Interviews gemacht und dabei festgestellt, dass die Prügel bis in deren Seelen vorgedrungen sind. Durch die Misshandlungen wurden Gefühle ausgelöst, die sich zusammenfassend in den Worten ausdrücken lassen, "keiner sieht mich, keiner mag mich, ich bin böse, ich bin ein Nichts!"


Folgeschäden einer ganzen Generation sind Unsicherheit, Vertrauensschwund, mangelndes Selbstbewusstsein, Depression und Verlustängste, wie die Autorin festhält.

In jenen Jahrzehnten war gewaltlose Erziehung eher die Ausnahme. Die Ursachen hierfür sind nicht zuletzt in der schwarzen Pädagogik der Nazi-Zeit zu suchen. Diese werden von der Autorin sehr gut dargestellt. Bevor sich Müller-Münch mit der Hauptvertreterin dieser Pädagogikrichtung, Johanna Haarer, auseinandersetzt, widmet sie sich den Vorläufern, darunter Martin Luther, der sich als Vordenker und Autoritätsperson für Zucht und Ordnung, Gehorsam und Unterwerfung stark machte und dies in erster Linie im Kinderzimmer, (vgl.: S. 62).

Die Autorin erwähnt bei ihrem Rückblick in vormalige Erziehungsmethoden auch Rousseau und sein Buch "Emile". Dieses Buch mit reformpädagischen Ansätzen wurde allerdings schnell wieder vergessen. Man wollte nichts vom behutsamen Aufwachsen von Kindern wissen, auch nichts von dem Genuss der Freiheit, in die Kinder gelangen sollten.

Die Erziehungsmethoden Johanna Haarers, genauer deren Kampfansage gegen Neugeborene, "Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind", wurden in der ersten Auflage 700 000 Mal verkauft. Über dieses Buch schreibt Müller-Münch sehr Aufschlussreiches. Der als Erziehung getarnte Sadismus, der in dem Haarer-Text Die Mutter und ihr erstes Kind gepredigt wird, ist bis zu Beginn der 1980er Jahre 1 Million Exemplare verkauft worden. Wie man feststellen kann, ist er immer noch auf dem Buchmarkt erhältlich. Das lässt tief blicken.

Ingrid Müllers Buch musste ich immer wieder zu Seite legen, weil mich ihre Recherchen sehr berührt haben, nicht zuletzt auch, weil sie mich an Berichte einiger, meiner Jugendfreunde erinnern, die auf ähnliche Weise gedemütigt wurden. Meine Erfahrung, die ich mit Menschen immer wieder gemacht habe, die als Kinder geprügelt wurden, ist die, dass sie im späteren Leben dazu neigen, sehr rasch Notlügen zu erfinden. Offensichtlich ist das eine Folge des Prügel-Traumas. Ich vermute dies zumindest.

Ein Buch, das besonders junge Menschen lesen sollten, um aus den Verblendungen ihrer Großeltern und Urgroßeltern zu lernen.

Empfehlenswert.

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