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Rezensionen:Die bessere Hälfte: Warum nur Frauen die Wirtschaft nach vorn bringen (Gebundene Ausgabe)

Ob die beiden Autorinnen von männlichen Führungskräften aus der Wirtschaft im deutschsprachigen Raum gelesen werden, möchte ich bezweifeln. Eher vermute ich, dass diese, sofern ihnen das Buch von Zauberhand auf den Schreibtisch gelegt wird, es ungelesen mit einer zynischen Bemerkung auf den Lippen von ihrer Sekretärin entsorgen lassen. Schade eigentlich, denn das Buch von Sally Helgesen (Expertin für weibliche Führung und Lehrbeauftragte an verschiedenen Universitäten) und Julie Johnson (Top-Coach für weibliche Führungskräfte) beinhaltet viele kluge Erkenntnisse.

Den provokativen Untertitel allerdings "Warum nur Frauen die Wirtschaft nach vorn bringen" hätte ich nicht gewählt, denn er bewirkt außer Leserenitenz und zynischen Bemerkungen bei unseren Alphamännchen gar nichts. Gut, es mag die eine oder andere Ausnahme geben, aber machen wir uns nichts vor...

Nicht selten finden sich Frauen in der altehrwürdigen Rolle der Cassandra wieder, die Katastrophen vorhersagte und nicht abwenden konnte. Wie die Autorinnen unterstreichen, ist es kein Zufall, das Cassandra, die mythische Verkörperung fruchtloser frühzeitiger Warnung, eine Frau war. In der griechischen Mythologie war Cassandra die Tochter des Königs von Troja. Nachdem sich der Gott Apollon in sie verliebt hatte, schenkte er ihr die Gabe der Prophetin. Diese vermochte er ihr zwar zu geben, aber er konnte sie ihr nicht mehr nehmen. Als Cassandra Apoll nicht mehr wiederzulieben vermochte, bestrafte er sie dadurch, dass keiner ihren Weissagungen mehr Glauben schenkte. Dies hatte zur Folge, dass Cassandras Prophezeiung von der Zerstörung Trojas keiner ernst nahm und sie deshalb niemand in ihrer Heimat vor der Tragödie bewahren konnte. Ihr Schicksal verdeutlicht, was geschieht, wenn weibliche Visionen machtlos bleiben. Doch ihre Gaben- der Blick der Außenseiterin, ihr Gefühl für die richtige Perspektive, ihre Fähigkeit zwischen den Zeilen zu lesen und Zusammenhänge herzustellen, überlebten bis heute als das, was man allgemein unter "weiblicher Intuition" versteht, (vgl.: S.67).

Ein entscheidender charakteristischer Unterschied zwischen Mann und Frau sei die Art der Aufmerksamkeit, die Geschlechter ihrer Umwelt schenken und die ihrerseits nun wieder bestimme, was wir wahrnehmen. Leider wissen viele männliche Führungskräfte den Wert weiblicher Sichtweisen nicht zu schätzen und verstehen nicht, wie sie die Einsichten ihrer weiblichen Mitarbeiter zu ihrem Vorteil nutzen können. Wenn die authentischen Beobachtungen von Frauen keine Beachtung finden, gibt es zwei Möglichkeiten, entweder sie resignieren und behalten die besten Beiträge für sich oder sie entscheidet sich, ihre Talente und Einsichten an anderer Stelle einzusetzen. Beide Möglichkeiten tragen zu einer Einschränkung ihrer Führungspersönlichkeit bei. Gestalt kann unsere Vision immer nur dann annehmen, sofern wir auf der Basis unserer Wahrnehmung handeln. Erhalten wir keine Gelegenheit auf der Grundlage unserer Sichtweise zu handeln, vermag sich unserer wahres Potential nicht entfalten. Die Kraft verwandelt sich in eine Quelle der Frustration. Zudem leidet auch die Kreativität, weil sich diese nur entfalten kann, wenn man mit ganzem Herzen bei einer Sache ist, (vgl. S.30ff).

Das Buch macht nicht nur den Wert der weiblichen Vision begreifbar, sondern auch deren Bestandteile und den Nutzen. Dabei überprüfen die beiden Damen ihre Annahmen immer wieder in der konkreten Wirtschaftsrealität der USA. Nach ihren Schlussfolgerungen, die sie stets auch begründen, demonstrierte die Bankenkrise die Grenzen der männlichen analytischen Herangehensweise und liefert ein gutes Beispiel für das, was geschieht, wenn der menschliche Faktor im Geschäftsleben ignoriert wird, (vgl.: S.87)

Männer und Frauen unterscheiden sich nicht nur in der Art der Wahrnehmung, sondern bewerten ihre Beobachtungen auch verschieden. Dabei setzt die weibliche Beimessung vom Wert die Dinge, die sie beobachten in einen übergeordneten Zusammenhang. Sie legt fest, in welche Aufgaben sie Zeit, Energie und Talent investieren möchten und bestimmt auch, worauf sie ihre Aufmerksamkeit richten möchten, (vgl.: S.93)

Die Autorinnen fanden in einer Studie heraus, dass es signifikante Unterschiede in der Art und Weise gibt, wie Männer und Frauen Zufriedenheit wahrnahmen und ihrer Arbeit Wert beimaßen. Diese zeigen sich u.a. darin, dass Männer mehr Wert auf Vergütung und Bonuszahlung legen, (vgl.: S.96). Männer neigen dieser Studie gemäß dazu, sich mit anderen zu vergleichen und ziehen ihre Befriedigung daraus, Konkurrenten auszustechen. Die Aussage "Ich spiele, um zu gewinnen" bejahen Männer völlig, (vgl.: S.96).

Frauen haben einen anderen Zufriedenheitsmaßstab, der leider im Gegensatz zu den meisten Unternehmenskulturen steht, vor allem zu denen in der Privatwirtschaft, (vgl.: S.100).

Frauen entfalten ihre Fähigkeiten besonders gut, sofern sie starke Beziehungen haben. Diese tragen dazu bei, dass sie Stress besser ertragen und bieten ihnen den Kontext, in dem sie Ideen verarbeiten und entwickeln können. Beziehungen allerdings sind nicht nur für die Frauen gut, sondern auch für die Firmen, weil sie für langfristige personelle Stabilität sorgen, (vgl.: S.164ff.)

Die Methoden, die im Buch erläutert werden, sind sehr nützlich, um die weiblichen Talente in Unternehmen besser und strategischer nutzen zu können und zudem auch hilfreich für Firmen, sich dem ökonomischen, technologischen und demokratischen Wandel anzupassen.

Empfehlenswert.

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