"Aber zwischen den Feinden der Menschen gibt es Menschen mit großem Herzen und einer Seele voller Liebe und Empathie."
(Fauzia Azimi, Schulleiterin, Peschwar, S. 74)
Das neue Buch von Roger Willemsen enthält eine Fülle von bunten Kinderzeichnungen, die ich zunächst einmal aufmerksam studierte, bevor ich mich mit dem Text befasst habe. Gemalt wurden diese Bilder von afghanischen Kindern.
Auf Seite 246 kann man das letzte dieser Kinderbilder bestaunen, das ich inhaltlich übrigens wie viele andere dieser Zeichnungen als sehr aussagekräftig betrachte. Vielleicht müssen die Kinder überhaupt nicht den Fluss schwimmend durchqueren, um an das rettende westliche Ufer zu gelangen, wenn das Buch von Roger Willemsen ein Bestseller wird, kommt mir spontan beim Betrachten besagten letzten Bildes in den Sinn und zwar deshalb, weil ich Willemsens Danksagung auf Seite 249 schon gelesen hatte.
Dort findet man den Satz: "Der Erlös aus dem Verkauf dieses Buchs wird vom Verlag und Autor an den afghanischen Frauenverein e.V. weitergegeben. Das Geld" soll den Kindern Afghanistans zugutekommen."
Worum geht es in diesem Buch?
Roger Willemsen sagt es in fünf Worten in seinem Untertitel. Es geht um: "Afghanische Kinder und ihre Welt". Das Buch ist, wenn man so will eine Sozialreportage, die afghanische Mädchen und Frauen im Fokus hat.
Der vielbeschäftigte Autor ist u.a. als Botschafter für Amnesty International tätig, auch für Terre des Femmes und CARE International und setzt sich als Schirmherr des Afghanischen Frauenvereins in erster Linie für den Bau von Brunnen, Schulen sowie medizinischen Zentren ein.
Roger Willemsen hat in dieses Buch Kinderzeichnungen, Aufsätze und Briefe, sowie Gespräche mit afghanischen Menschen eingearbeitet, die dem Leser die Nöte und Hoffnungen der Bevölkerung, speziell der Kinder sehr nahe bringen.
Der Autor reiste im Herbst 2012 von Kabul bis ins Panschir-Tal im Hindukusch und besuchte dort Kinder und auch Schulen wie man dem Klappentext bereits entnehmen kann.
Millionen afghanischer Flüchtlinge leben heute in Peschawar in Pakistan. Willemsen nennt die Lebensbedingungen trostlos und die Umstände geradezu rechtlos. Der Autor hat hier Stimmen von Frauen gesammelt, um zu zeigen, wie diese ihre Situation sehen. Man erfährt Wissenswertes über die vielen Enttäuschungen, die Frauen in der Vergangenheit hinnehmen mussten. Offenbar verhielt es sich in Afghanistan so, dass jeder politische Rückschritt auch zugleich einer bei der Entwicklung der Gleichstellung war, (vgl.: S 63).
Interessanterweise scheint es so zu sein, dass in Afghanistan der Begriff "Demokratie" für eine sowjetische Hinterlassenschaft gehalten wird und Fragen der Frauenemanzipation als russisches Erbe gelten, das man aufgrund dessen per se ablehnt. (vgl.: S.67).
Eine Schulleiterin aus Peschawar schreibt einen erhellenden und sehr berührenden Brief an Willemsen und lässt ihn und seine Leser wissen, dass die afghanischen Flüchtlinge von der pakistanischen Polizei nicht selten erpresst und mit vielen Repressalien belegt werden. Die erwachsenen Flüchtlinge halten den Druck um ihrer Kinder willen aus, denn in Afghanistan sind die Wohnungen durch den Krieg zerstört und es gibt kein sauberes Trinkwasser.
In Kabul spricht Willemsen mit der feministischen Schriftstellerin Homeira Quaderi, die von sich sagt, dass sie ihre schönste Zeit unter der Burka verbringen musste und schließlich irgendwann meint, dass der Islam in Afghanistan durchaus zu reformieren und zu liberalisieren sei, die Kultur hingegen festgefügt und unwandelbar ist. Eine niederschmetternde Analyse.
Afghanistan verzeichnet den höchsten Analphabetismus weltweit (vgl. S.112), dennoch oder gerade deshalb ist der Bildungshunger hoch. Wie Willemsen schreibt, sprenge der Ansturm an den Schulen und Universitäten nicht selten die Kapazitäten. Wissen muss man, dass etwa 75% aller Schulen zur Kriegszeit zerstört wurden. Hier warten Aufgaben auf die Gemeinschaft aller, die sich dem Humanismus verpflichtet fühlen.
Sieht man sich aufmerksam die Kinderzeichnungen an, auch die noch so bunten, dann begreift man viel von der Psyche der kleinen Künstler und auch von ihren Sehnsüchten und Wünschen. Erlebtes und Alltag werden abgebildet, aber auch Wünsche nach Frieden und Neubeginn, zu dem jeder Mensch ein Recht haben sollte.
Auf Seite 148 habe ich mir eine Textpassage angestrichen, die ich zitieren möchte: "Ich habe Kinder gesehen, die fast nackt durch die herbstliche Landschaft irrten, solche, die unverständlich oder stumpfsinnig geworden waren und solche, die ein zweites Zuhause am Fluss geschaffen hatten, wo sie zu Tieren der freien Natur ein zärtliches Verhältnis pflegten, wie sie es außerhalb dieses Rückzugortes vielleicht nicht kannten. In den Gesichtern hatte sich manchmal die Erfahrung von Greisen eingegraben. Mit ihren igelartig hochstehenden Frisuren, ihrer vom Schlafen im Freien gegerbten Haut, mit ihrem staubfinstersten Teint, den Tränensäcken, die hingen wie bei Alten und diesem Lebenshunger, der ihren Gesichtern Vitalität und grenzenlose Neugierde gab, waren sie schiefgewachsene Menschen, solche, die wenig Nutzloses getan hatten im Leben, aber viel von dem sehen und erleiden mussten, was in der westlichen Welt ganzen Generationen erspart geblieben ist." (Zitat: S.151).
Genau deshalb ist es unsere Pflicht, diesen Kindern zu helfen. Roger Willemsen rüttelt mit seinen die Realität beschreibenden Worten wach. Dafür sei ihm gedankt.
Der Autor gibt allen Lesern die Chance, mittels dieses Buches mit den vielen Kinderzeichnungen Mitgefühl zu entwickeln, wenn es nicht ohnehin schon vorhanden ist und jene zu unterstützen, die es bitter nötig haben.
Sehr empfehlenswert.
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