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Rezension: #Nagasaki - #Klaus_Scherer- Hanser Berlin


Heute, am 9. August vor 70 Jahren wurde seitens der USA auf die japanische Stadt Nagasaki eine Atombombe geworfen. Die erste Atomwaffe fiel 3 Tage zuvor bereits auf Hiroshima. 

Die Atombombenexplosionen töteten insgesamt ungefähr 92.000 Menschen sofort – fast ausschließlich Zivilisten und von der japanischen Armee verschleppte Zwangsarbeiter. An Folgeschäden starben bis Jahresende 1945 weitere 130.000 Menschen. In den weiteren Jahren kamen etliche Todesfälle hinzu, (vgl. hierzu Wikipedia). 

Der Autor des Buches, Klaus Scherer, arbeitete lange als ARD-Korrespondent in Japan und in den USA und ist heute Sonderreporter beim NDR in Hamburg. Ausgezeichnet wurde er u.a. mit dem Adolf-Grimme-Preis. 

Scherer belegt in seinem Buch, dass es der USA darum ging die Bomben zu testen und nicht darum, Japan einen endgültigen Schlag zu versetzen, um sich zu ergeben und auf diese Weise das Kriegsleid zu stoppen. Seine Recherche zeigt: Japan war zu diesem Zeitpunkt bereits militärisch am Ende. 

Untergliedert ist das Werk, das den Untertitel "Der Mythos der entscheidenden Bombe" trägt, in fünf Abschnitte, denen Scherer eine dreizehn Seiten umfassende Einleitung vorangestellt hat. Wie der Autor konstatiert, fragte kaum einer danach, weshalb die zweite Bombe drei Tage nach der Verheerung Hiroshimas auf Nakasaki geworfen wurde. 

Der Autor befragte amerikanische und japanische Historiker, auch letzte Zeitzeugen und hier ehemalige Kinder, die die Hölle miterlebten sowie den Radarspezialisten der US-Bombermission, der den Atompilz vom Bordfenster aus ablichtete. 

Scherer schreibt über die Stadt Los Alamos in den USA, wo Physiker und Militärs die Bombe bauten und wo selbst heute auf Bildern in der dortigen Gedenkstätte keine Bombenopfer gezeigt werden. Mehrfach befragte der Autor den Pulitzer-Preisträger Martin Sherwin, der in Washington an der Georg Mason Universität lehrt und der nach 50 Jahren Forschung über die Hintergründe der Bombenabwürfe zum Ergebnis gelangt, dass diese unnötig waren. Japan lag zu Kriegsende am Boden, hatte Signale nach Moskau gesandt, dass Stalin als unbeteiligter Dritter in Sachen Frieden vermittelte. Weder Stalin noch Truman nutzten Tokios Ausstiegsofferten. Offenbar verzichtete Truman sogar bewusst auf den diplomatischen Weg, weil Japan Testfeld für die Bomben werden sollte. 

Nagasaki galt als eine besonders weltoffene Stadt. Die Perversion des Bombenabwurfs zeigt sich auch darin, dass das Hypozentrum über der Kathedrale lag. Die Bombencrew hatte die Explosion vorausberechnet und zwar in der Weise, dass sie so weit über dem Boden explodierte, dass der Vernichtungskegel unter ihr einen größtmöglichen Radius erreichte. 

Man erfährt von Zeitzeugen, was damals nach dem Abwurf geschah, liest von dem heftigen Windstoß und dem Albtraum danach: "Plötzlich kamen Menschen in den Raum gekrochen, die halb verkohlt waren und denen die Eingeweide aus offenen Wunden hingen." (S.117)" Die Toten sahen aus wie aufgepumpt, wie mit Wasser gefüllt." (S. 118)" Aber es kamen noch mehr Menschen von draußen. Sie flehten um Wasser."(S.118)   "Bitte! Wasser! Bitte! Hörte ich sie jammern. Aber ich hatte kein Wasser." (S.118) "Wenn Du verbrennst und dein Innerstes zerfetzt ist, rufst Du nicht mehr um Hilfe, sondern nur noch nach Wasser."(S. 121) 

Sich klar zu machen, dass all dieses fürchterliche Leid wegen Testzwecken billigend in Kauf genommen wurde, macht sprachlos. Ebenso sprachlos macht die Tatsache, dass diese mörderische Wunderwaffe nicht nur technisch beeindruckend, strategisch zwingend, moralisch geboten, sondern zudem auch noch ästhetisch makellos in Erinnerung bleiben sollte. Wie pervers ist das denn?

Ich möchte Professor Akira Kimura zitieren, der an der Nakasakis Friedensforschungsinstitut lehrt: "Ich glaube, dass beide Bomben ungerechtfertigt waren. Schon die Fragestellung, ob sie militärstrategisch sinnvoll waren oder nicht ist falsch. Mein Standpunkt ist, dass sich die Atombombe an sich aus ethischen Gründen verbietet". (S. 192) Diesem Standpunkt schließe ich mich an. 

Liest man von den Höllenszenen, von denen hier Überlebende berichten, sind selbst Begriffe wie Massaker an Zivilisten, Verstoß gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen geradezu verharmlosend. 

Selbst der Strahlentod in den Monaten und Jahren danach, der Millionen von Menschen ein qualvolles Ende bereitete,  hat Politiker und Militärs nicht aufgerüttelt. 

Der Mensch hat sein Wissen wie man die Erde auslöschen kann perfektioniert. Das sollte uns alle mit Scham erfüllen, denn wir haben nicht begriffen, welches Geschenk uns mit dem blauen Planeten gemacht wurde und welche Aufgabe damit wirklich verbunden ist.

Sehr empfehlenswert. 

Helga König

Bitte klicken Sie auf den Link, dann gelangen Sie zum Hanser-Verlag und können das Buch dort direkt bestellen.http://www.hanser-literaturverlage.de/buch/nagasaki/978-3-446-24947-9/. Sie können es aber auch bei Ihren Buchhändler um die Ecke ordern.

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