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Rezension: Die Aufklärung- Johann Saltzwedel (HG.)- Das Drama der Vernunft vom 18. Jahrhundert bis heute- DVA

Herausgeber dieses Buches ist der SPIEGEL-Redakteur Johann Saltzwedel. Er lässt im hier vorliegenden Werk eine Vielzahl von Spiegelautoren und Historiker zu Wort kommen, die die Epoche der Aufklärung in ihrer ganzen Vielfalt und Vielstimmigkeit darstellen. 

Untergliedert sind die Texte in vier Kapitel 

1. Vom Glauben zur Erkenntnis 
2. Vernunft für eine bessere Welt 
3. Neugierde und Sensibilität 
4. Das Erbe der Epoche 

Den vier Kapiteln vorangestellt sind das Vorwort und die Einleitung des Herausgebers. 

Für die Aufbruchstimmung der Epoche der Aufklärung war kritisch- unbefangenes Fragen entscheidend. Einigkeit bestand seitens der europäischen Intellektuellen in den Zielen: religiöse Toleranz, Bildung möglichst vieler Menschen, freie öffentliche Diskussion um die besten Argumente und Methoden, bürgerliche Solidarität anstelle von Fürstenwillkür und Untertanengeist, Vernunft und Selbstdisziplin zum Wohle nicht nur eines Landes, sondern vielmehr globaler Humanität, so Saltzwedel. Umstritten blieb, wie sich die Ideale realisieren ließen und wo der Schwerpunkt zu lokalisieren war. Die Grundfragen nach Vernunft und Humanität, Menschlichkeit und Natürlichkeit, um die damals gerungen wurde, sind leider noch immer unbeantwortet.Von daher bedeute Aufklärung zu studieren und sie stets aufs Neue zu betreiben.

Unmöglich hier die vielen Beiträge zu benennen. Nicht unerwähnt lassen möchte ich aber  das Interview, das Johannes Saltzwedel mit dem Historiker Prof. Dr. Martin Muslow führte, der den Untergrund radikaler Aufklärer erforscht, die für ihre Überzeugung ihre Existenz riskierten. Erwähnen auch möchte ich natürlich die "Encyclopédie", in der das gesamte Menschheitswissen versammelt werden sollte. Saltzwedel nennt es das wirkungsvollste intellektuelle Unternehmen der Aufklärung und sieht darin den Vorboten zur Revolution. 

Man liest von Denis Diderot, der gemeinsam mit 140 Dichtern, Denkern, Mathematikern, Ärzten und Philosophen an der "Encyclopédie" arbeitete. Die Obrigkeit und die Zensurbehörden reagierten mit Verboten und Schikanen, doch sie vermochten das Kompendium der Aufklärung nicht zu verhindern und so wurde es zum Vorboten der Revolution. Denis Diderot verfasste selbst rund 5000 Artikel. Er starb übrigens 5 Jahre vor dem Sturm auf die Bastille. 

Auch Rousseau ist ein Thema im Buch. Wie kaum ein anderer hat er die Zivilisation kritisiert. Der "Visionär reiner Menschlichkeit" wie Romain Leick ihn nennt, war unter den Aufklärern ein Außenseiter. Man liest über Rousseaus Erziehungsroman "Émile", ein Buch, das in Paris veröffentlicht und in Genf verbrannt wurde und erfährt, dass der Außenseiter zugleich modern wie antimodern war, ein Utopist und ein Kulturpessimist, vor allem jedoch der träumende Verkünder der natürlichen Güte der Menschen- und der Entdecker des Kindes.

Lessing soll ein Musterfall eines Aufklärers gewesen sein. Für ihn war Aufklärung Suche. Er dachte sie radikal als Prozess, schreibt C-F Berghahn. Man liest u.a. über Lessings aufklärerische Ästhetik und natürlich über sein letztes Stück "Nathan der Weise"- Hier hat er die großen Themen seines Lebens gebündelt und unter dem Leitmotiv der Toleranz zusammengeführt. 

Freiherr von Knigge übrigens soll ein umtriebiger Weltverbesserer gewesen sein. Über ihn informiert Angela Gatterburg. Sie hat zudem auch über die Freimauer geschrieben, deren Ursprünge im Mittelalter liegen. Lessing, Goethe und auch Mozart gehörten diesem Geheimbund an, der offenbar auch aufklärerische Elemente besaß. 

Der Göttinger Experimentalphysiker Georg Christoph Lichtenberg war wohl einer der größten Geister der Spätaufklärung und bekannt für seine Aphorismen. Seine Vorlesungen sollen stets überlaufen gewesen und es sollen Gelehrte aus halb Europa zu ihm nach Göttingen gepilgert sein. Ganz ähnlich wie zum wichtigsten Anreger der bürgerlichen Aufklärung in Deutschland, dem Philosophen Immanuel Kant, über den Alexander Kosenina schreibt.

Das wunderbare Buch hilft dabei zu begreifen, weshalb Aufklärung ein Prozess ist, der vermutlich niemals aufhört, solange es Menschen gibt. 

Johann Gottfried Herder sagt nicht grundlos: "Alle Aufklärung ist nie Zweck, sondern immer Mittel; wird sie jenes, so ist's Zeichen, dass sie aufgehört hat, dieses zu sein."

Zweck kann im Grunde nur die Humanität sein, ein Ziel das noch sehr viel Aufklärung nötig hat, wie wir alle wissen.

Empfehlenswert 

Helga König

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Die Aufklärung: Das Drama der Vernunft vom 18. Jahrhundert bis heute - Ein SPIEGEL-Buch

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