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Rezension: Das Strategiebuch- Prof. Dr. Rainer Zimmermann

Der Autor dieses Buches ist Prof. Dr. phil. Rainer Zimmermann. Er lehrt Strategie, Design und Kommunikation an der FH Düsseldorf. In seinem überaus erhellenden Buch erörtert er 72 strategische Handlungsmuster, deren Nutzen darin liegt, einen Mehrwert gegenüber dem üblichen Nutzen zu schaffen. Dabei ist strategischer Nutzen auch stets Differenzierungsnutzen, weil er niemals allein zählt, sondern nur im Verhältnis zur Nutzungsausbeute der anderen. Der Autor konstatiert, dass strategischer Nutzen die Zeit zur Erreichung eines Ziels verkürzt, den Aufwand und das Risiko minimiert und die Ausbeute erhöht, (vgl.: S.6).

Sobald eine Strategie von vielen angewandt wird, verliert sie ihren Differenzierungsnutzen und Mehrwert gegenüber anderen, (vgl.: S.7). Prof. Dr. Zimmermann merkt gleich zu Beginn an, dass der Begriff Strategie seit etlichen Jahren schon inflationär genutzt wird, letztlich weil man mit dem Begriff blenden kann, da strategisches Wissen allgemein als Herrschaftswissen gilt, (vgl.: S. 8). In der Wirtschaft ist strategisches Denken deshalb so attraktiv, weil man sich von ihr systematische Stabilisierung, Maximierung oder Rückgewinnung von Erfolg unter den Bedingungen von Zwängen und Zielen, einzusetzenden Mitteln und Erfolgsfaktoren der Umwelt erhofft, (vgl.: S. 10).

Wie man in der Folge erfährt, stellte der Soziologe Jürgen Habermas diesem strategischen Handeln als Modell der Erfolgsmaximierung das verständnisorientierte kommunikative Handeln als Idee einer besseren Welt entgegen und förderte damit eine "gewisse Strategievergessenheit" (O-Ton Prof. Dr. Zimmermann) primär in der Sozialwissenschaft, (vgl.: S.10).

Der Autor lässt den Leser nicht im Ungewissen, dass viele Strategien nur funktionieren, wenn sie verdeckt angewendet werden und insofern von den Prozessbeteiligten nicht durchschaut werden, (vgl.: 11). Hat eigentlich eine Offenlegung bereits vorhandener strategischer Möglichkeiten wie hier im Buch im Grunde nicht zur Folge, dass jetzt ein Mehr an Kreativität bei den Alphatieren unserer Gesellschaft gefragt ist und man mit den genannten Strategien nur noch bauernschlau über die Dörfer ziehen kann? :-))

Spaß beiseite, wenn man sich in die einzelnen Strategien vertieft, wird man sehen, wie wichtig es ist, diese ganz genau zu kennen, denn nur so ist es möglich, die strategischen Finessen seiner Konkurrenten zu durchschauen und kreativ zu reagieren. Eine Theorie der Strategie ist im Rahmen der Ökonomie lt. dem Autor noch nicht vorhanden, von daher kann nach wie vor nicht beantwortet werden, wie viele Strategien es gibt und auch nicht, ob zwischen großen und kleinen Strategien unterschieden werden kann. Unklar bleibt, ob unterschiedliche Strategien für das Berufsleben und das Privatleben und für Individuen sowie für andere Organisationen existieren, ob es strategische Möglichkeiten gibt, die von allen und in allen Bereichen angewandt werden können und wie sich der einzelne Mensch strategisch bilden kann, (vgl.: S.12)

Für Prof. Dr. Zimmermann steht aufgrund seiner Studien und seiner Eigenerfahrung fest, dass der allgemeine Anwendungsnutzen eines vorhandenen strategischen Repertoires nicht als willkürliche Selektion und Empfehlung eines Ratgebers, sondern durch eigene Auseinandersetzung mit und Adaption objektivierbarer strategischer Praxis entsteht, (vgl.: S.16).

Folgende Strategien werden im Buch ausführlich erörtert: Abschreckung, Allianz, Anthropomorphisierung, Appeasement, Askese, Assimilation, Auf den Busch klopfen, Aussitzen, Aussparen, Benchmarking, Bluff, Boyott, Brot und Spiele, Dachmarke, Produktmarke, Defensive, Offensive, Dekonstruktion, Diversifikation, Doppelstrategie, Durchstechen, Entspannung, Eskalation, Deeskalation, Faust in der Tasche, First Mover, Fokus, Fördern und Fordern, Form Follows Function, Furcht und Mitleid, Guerilla, Häutung, Institutionalisierung, Integration, Kleine Schritte, Konfusion, Lizenzierung, Make Buy, Marginalisierung, Metamorphose, Mystifikation, Nachahmung, Nebenkriegsschauplatz, Newsvalue, Nische, Partizipation, Personalisierung, Positionierung, Prophezeiung, Provokation, Push Pull, Redundanz, Reform, Revolution, Schock, Segmentierung, Selbstähnlichkeit, Selbstfesselung, Separation, Steter Tropfen, Stigmatisierung, Stretch Goal, Subsidiarität, Symbolische Handlung, Tabubruch, Teile und herrsche, Tit for tat, U-Boot, Ultimatum, Umarmung, Unschärfe, Verfremdung, Verknappung und zwei Fronten.

Der Autor ordnet die strategischen Handlungsmuster verschiedenen Wissens- Anwendungsbereichen zu. Er differenziert zwischen:

Positionen- sichern-entwickeln-vermitteln

Potential-sichern-entwickeln-vermitteln

Bei seinem Modell geht er von nachstehenden Annahmen aus:

"- Strategien werden eingesetzt, um die Erfolgswahrscheinlichkeit und Erfolgsausbeute einer Zielreichung zu erhöhen oder die Zeit zu Erreichung dieses Ziels zu verkürzen

- Ziele beziehen sich entweder auf Positionen oder auf Besitzstände oder auf Potenziale und Wachstum

- Positionen und Potenzial sollen mit Hilfe von Strategien gesichert, entwickelt oder gegenüber anderen vermittelt werden."( Zitat S. 17)

Das Modell klassifiziert demnach 6 verschiedene Strategietypen und 72 Handlungsmuster. Die strategische Relevanz der Handlungsmuster kommt immer in mindestens drei von fünf Anwendungsgebieten zum Tragen. Es handelt hierbei um: Politik, Ökonomie, Natur, Alltag und Vermittlung.

Viele der Strategien sind im Grunde ein alte Hut, aber dennoch nach Jahrhunderten noch erstaunlich wirksam, wie der Autor an seinen Beispielen deutlich macht. Man denke nur an die "Appeasementstrategie" Heinrichs IV. bei seinem Gang nach Canossa, die "Abschreckungsstrategie", die in der "Chinesischen Mauer" sichtbar wird und all die "Entspannungsstrategien", die schon bei den alten Griechen Anwendung fanden. Sehr effektiv finde ich in der Wirtschaft "Nischenstrategien", die natürlich viel kreatives Engagement voraussetzen, um immer wieder neue Nischen zu finden. Aber die strategische Leistung des Handlungsmusters überzeugt mich, weil sie zur Reduktion von Wettbewerbsdruck führt, (vgl.: S.108).

Dass Provokation ein strategisches Ziel ist, um den Gegner zu unüberlegtem Handeln zu verleiten, ist auch ein alter Hut, der leider immer noch sehr erfolgversprechend ist, wenn an emotionalen Schwachstellen gekitzelt wird und dass "Tabubrüche" und "Bluffs" strategisch sehr wirksam sein können, weiß jeder, der sich kritisch mit Werbung befasst.

Meine Lieblingsstrategie im Buch ist "Deeskalation", weil diese höhere Konfliktstufen verhindert und Konflikte im Idealfall sogar löst. Alle aggressiven, strategischen Handlungsmuster, wie etwa "Teile und herrsche" führen langfristig zu verbrannter Erde und einem frustrierten, aufgebrachten Umfeld, insbesondere wenn das strategische Mittel der Intrige eingesetzt wird. "Divide et impera" ist meines Erachtens eine Strategie der Ewig- Gestrigen, die nicht vermitteln und entwickeln, sondern nur drauf hocken wollen.

Ein sehr gutes Buch, das ich gerne empfehle. "Häutungsstrategien" halte ich übrigens für sehr interessant, weil sie für mich der Ausdruck von Selbstkritik, Erkenntnisfähigkeit und Kreativität sind, auch wenn der Nutzen zu wünschen übrig lässt.

Empfehlenswert.

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