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Rezension: Mainz: Menschen - Bauten - Ereignisse. Eine Stadtgeschichte

"Frost klirre Glas! Eisblumen blühen. Rauhreif im welken Gras sprüht feurig Grün. (Carl Zuckmayer),
Mit großen Interesse lese ich immer wieder einzelne Kapitel dieses Buches, denn ich habe u.a. in Mainz studiert und dort auch noch nach meinem Examen einige Jahre gelebt. Da ich mich schon immer für Geschichte interessiert habe, besuchte ich natürlich dort auch die entsprechenden Museen, um mich ein wenig mit der Stadthistorie zu befassen. Nach dem Lesen des vorliegenden Buches ist mir allerdings klar geworden, dass ich über die Geschichte der Stadt, in der ich einst lebte, geradezu peinlich wenig wusste.

Mainz war einst das Basislager der römischen Soldaten und wurde zu Beginn der Okkupationsphase gegründet. Der Ort war damals eine aufstrebende Garnisonsstadt, die sich nach der neu bewerteten römischen Germanienpolitik unter Augustus architektonisch zu verändern begann. Die Siedlung sollte ein urbanes Antlitz erhalten durch die Verbesserung der Infrastruktur, den Straßen-und Brückenbau, die Errichtung von Großbauten, wie dem Theater und der Großen Therme, (vgl.: S.34). Man liest von den römischen Gefällwasserleitungen, deren Ausgangspunkt die Quellgebiete bei Finthen waren, vom römischen Theater, das mit dem nur 340 m entfernten Drususstein zur Monumentalenkulturbauausstattung von Mogontiacum Mainz zählt. Interessant finde ich die Fotos im Zusammenhang mit dieser entwicklungsgeschichtlichen Phase der Stadt und hier im Besonderen den Blick auf das Römische Theater. Eine gelungene Perspektive.

Zwischen 450 und 650 n. Chr. wurde es ruhig um Mainz, bis die Stadt dann Ende des 5. Jahrhunderts als fränkisch galt. Die Merowingerherrscher besuchten die Stadt sehr selten und die karolingischen Herrscher residierten während ihrer Aufenthalte im Albanskloster. Die zentrale Figur im fränkischen Mainz war der Bischof. Der hl. Martin und Bonifatius wurden zu Gründergestalten von Mainz und seiner Kirche. Bonifatius, der ab 744 kommissarisch die Leitung des Bistums übernommen hatte, wurde 754 bei einem Raubüberfall erschlagen. Obschon seine sterblichen Überreste in Fulda Ruhe fanden, gilt er noch heute den künftigen Mainzer Erzbischöfen als Vorbild.

Ernst Dieter Hehl wartet mit einer Kurzbiographie von Bonifatius (672/675-754) auf, auch über Hrabanus Maurus (780/784-856) wird man informiert. Der bleibende Ruhm dieses Erzbischofs und seine europäische Bedeutung hat er als Wissenschaftler und Lehrer gewonnen. Berichtet wird auch von Eberhard Windecke (um 1380-140), der weit in Europa herumgekommen war. Er ist der Autor des Werkes "Keiser-Sigesmundes-Buch". Es handelt sich um eine Lebensbeschreibung des römisch-deutschen Königs und Kaisers Sigismund (1410-1437).

Der Buchdrucker Johannes Gutenberg gilt als der berühmteste Sohn der Stadt. Ihm widmet Christoph Reske ein ganzes Kapitel. Der berühmteste Druck in der neuen Technik ist bekanntermaßen die Gutenberg-Bibel. Produziert wurde sie mit großer Wahrscheinlichkeit im Hof zu Humbrecht in der Schusterstraße unweit vom Franziskanerkloster.

Dass es in Mainz eine Zwingburg, die Martinsburg gab, war mir bislang unbekannt. Erbaut wurde diese, weil der Erzbischhof seinen Machtanspruch und seinen Willen Mainz zur Residenz auszubauen festigen wollte. Man liest von der Reformationszeit und den Bauernkriegen, sowie der Niederschlagung des Aufstandes der Mainzer Bürger und vom Bauboom in der Stadt selbst während des 30 jährigen Krieges.

Sehr gut beschrieben ist das Kapitel "Barock und Aufklärung, 1648-1792" von Gernot Frankhäuser. Hier las ich mit besonderem Interesse die Informationen zu dem Architekten Maximilian von Welsch, der das "Neue Zeughaus" konzipiert hat. Neugierig gemacht hat mich auch das Wirken der einzelnen Kurfürsten während jener Tage und das Leben der Maria Barbara Schultheiß, die im 17. Jahrhundert in Mainz eine Schule für Mädchen gründete, zunächst für 30 Mägdelein aller Stände.

Thematisiert werden auch die Persönlichkeiten Georg Forster und Samuel Thomas Semmering, deren Name auf immer mit Mainz verbunden bleiben wird.

Mayence, das französische Mainz (1792-1814) wird ausgiebig thematisiert. Hier entstand 1792 ein Jakobinerclub, die erste und einzige Bewegung dieser Art in Deutschand. Die "Klubisten" versuchten durch Reden, Zeitungen, Flugschriften und mittels Theaterstücken die Mainzer zu einer (gewaltlosen) Revolution zu bewegen. Der bekannteste Mainzer Jakobiner war der Naturforscher und Weltumsegler Georg Forster. Professoren und Studenten, sogar kurfürstliche Beamte verbreiteten in Stadt und Land ihr demokratisches Gedankengut, (vgl.: S.118). Was sich in der Folge ereignete, liest sich ganz ungemein spannend. Die 16 Jahre "Franzosenzeit und neun Monate Mainzer Republik hatte die Stadt verändert. Aus der beinahe geschossenen katholischen, vom Adel geprägten geistlichen Residenzstadt war eine mehrkonfessionelle, verweltlichte und früh politisierte Bürgerstadt geworden, (vgl.: S. 129).

Franz Dumont schreibt über die Demokratische Festkultur im französischen Mainz und die Bedeutung der Freiheitsbäume im Umfeld. Diese wurden fast immer während der Kerb gepflanzt. Insofern war das Volksfest und die politische Sektion oft nicht voneinander zu trennen.

Im Rahmen der Skizzen der Stadt Mainz im 19. Jahrhundert lernt man auch den Musiker Peter Cornelius (1824-1874) näher kennen, liest von der Revolution von 1848 und verschiedenen Persönlichkeiten in jenen Tagen, die in der Stadt eine herausragende Bedeutung haben.
Mainz in der Weimarer Republik und während des "Dritten Reichs" waren keine Sternestunden für die Stadt. Gerne gelesen habe ich deshalb in diesem Zusammenhang von der Schriftstellerin Anna Seghers (1900-1983), die in Mainz als Tochter eines Antiquitätenhändlers zur Welt kam und von dem Nackenheimer Schriftsteller Karl Zuckmayer, die beide ihr klares Nein zur Nationalsozialismus in ihren Texten zum Ausdruck gebracht haben.

Mainz nach 1945 ist textlich sehr gut abgehandelt worden und es werden im Kapitel "Längsschnitt" viele Besonderheiten der Stadt sehr gut aufgezeigt. Dazu gehören u.a., eine kleine Mainzer Wirtschaftsgeschichte, Musik, Theater und Museen, der Mainzer Karneval, die Alte Universität u.a.m.

Den Beitrag über das jüdische Mainz hat mich sehr traurig gemacht, denn in Mainz wurden bereits zu Ende des 11. Jahrhunderts von christlichen Fanatikern 550 Frauen, Männer und Kinder, d.h. die gesamte jüdische Gemeinde vernichtet und während der NAZI-Zeit wurden rund 1100 Juden aus Mainz ermordet.

Bleibt zu hoffen, dass man aus den vergangenen Zeit gelernt hat und man sich in Mainz und anderenorts friedliebender und toleranter Andersgläubigen gegenüber zeigt.

Ein sehr gutes, hoch informatives Buch, das von Franz Dumont und Ferdinand Scherf herausgegeben worden ist.

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