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Rezension: Das Leben auf der Burg.

Dr. Manfred Reitz beleuchtet in diesem aufschlussreichen Buch nicht nur das Leben auf der Burg und in deren Umfeld zu Zeiten des Mittelalters, sondern geht auch der Frage nach, was es bedeutete, ein Ritter zu sein und was man unter einem Turnier unter Ritterfahrten und Kriegszügen der Ritter verstand. Das Buch ist reich bebildert und lässt den Leser dadurch auch visuell in längst vergangene Zeiten eintauchen.


Der Begriff "Burg" wird in Deutschland mit "Berg" und "bergen" in Verbindung gebracht. In der altindischen Gelehrtensprache Sanskrit wird Burg als "pura" bezeichnet. Das erklärt, weshalb nicht wenige indische Städtenamen mit "-pur" enden. Burgen waren in feudalen Systemen Herrensitze sowie Herrschaftszeichen und zwar auch im Orient, in Indien, in China und in Japan. In Mitteleuropa fing die Geschichte der Burgen mit Wehrbauten zum Schutz von Menschen, Vieh und Sachwerten in Kriegszeiten an. Schon in der Bronzezeit gab es so genannte Fluchtburgen. Mittelalterliche Städte wurden mit einer Burg gegründet, dabei gingen wirtschaftliche und kulturelle Entwicklungen von besagten Burgen aus, die die Grundlage für eine Stadt legten, (vgl: S.13).


Wie man liest, erlernten die germanischen Völker die Techniken der römischen Baukunst mit Steinen erst allmählich und entwickelten sie dann aber weiter. So glichen die Pfalzen der Karolinger lange Zeit eher römischen Landgütern als massiven Burgen. In Klosterbibliotheken konnte man sich über die "Zehn Büchern über Architektur" des römischen Baufachmannes Vitruv kundig machen, (vgl.: S.15), wenn man ein Burgprojekt plante. Man erfährt in der Folge, wie sich die typisch deutsche Burg entwickelte und auch, dass die große Zeit des Burgbaus in die Zeit der Staufer fiel. Die Zeit des große Burgbaus endete im 15. Jahrhundert. Ursache war die Erfindung des Schießpulvers, das der Artillerie entscheidende Impulse gab. Dadurch waren die Burgen vor Angriffen nicht mehr sicher und man musste aufwendige Festungen mit gewaltigen Wallanlagen errichten, (vgl.: S.16).


Der Autor informiert ausgiebig über die Aufgaben der Burgen und verdeutlicht, dass Burgen auch stets Zeichen der Macht waren. In diesem Zusammenhang wird man u.a. auch über die Burg Krak- des- Chevaliers in Syrien aufgeklärt, die im frühen 13.Jahrhundert etwa 2000 Mann Besatzung gehabt haben soll.

Sehr gut belehrt wird man über die Bevölkerungsstrukturen im Mittelalter, die Landwirtschaft und Technik und über die Machtverhältnisse während dieser Epoche. Beleuchtet werden die drei mächtigen Parteien: Kaiser, Fürsten und Papst, deren Bedeutung immer wieder wechselte. Fokussiert wird auch die Stellung der Kirche im Mittelalter. Hierzu sollte man wissen, dass das gesamte Mittelalter eine überaus religiöse Zeit war und die Menschen damals ihren Blick besonders stark auf das Jenseits gerichtet hatten.

Thematisiert wird die Stellung der Fürsten, Ritter, Bauern und Leibeigenen im mittelalterlichen Gesellschaftssystem und es werden die germanischen Wurzeln in der damaligen Gesellschaftordnung aufgezeigt. Des Weiteren kommt das Verhältnis zwischen Lehensherren und Vasallen zur Sprache. Hier auch liest man von bestimmten Ritualen, z.B. jenen bei der Verleihung eines Lehens, (vgl.: S. 37).

Die mittelalterliche Feudalgesellschaft entwickelte sich aus dem Lehenswesen. Sie war streng nach Schichten aufgeteilt und für den einzelnen nicht durchlässig, (vg.: S.38). Der Feudalstaat, der im Buch sehr gut erläutert wird, bildete die Vorstufe des späteren Ständestaates mit dessen Aristokratie, den bürgerlichen Schichten als auch den Arbeitern, (vgl.: S. 39).

Äußert interessant ist das Kapitel, in welchem man über das Alltagsleben der mittelalterlichen Bevölkerung unterrichtet wird. Zur Sprache kommen Bauern und andere Berufe, der Alltag der leibeigenen Bauern, der Tagesablauf und die Kleidung der Bauern (sie trugen übrigens zumeist Holzschuhe), das Verhältnis Bauer zu Ritter, die Ernährung der Bauern, (sie ernährten sich fast immer von Getreidebreien und Brot) und die Kinder der Bauern, (Näheres dazu: S. 40-49).

Der Handel und die Städte werden beleuchtet, zu denen Ritter ein gespaltenes Verhältnis hatten und auch die Kirchen und Klöster im Mittelalter und zwar deshalb, weil viele Ritter Vermögenswerte für "ihr" Kloster zur Verfügung stellten und in der Verwandtschaft eines jeden Ritters sich stets auch geistliche Herren, Nonnen und Mönche befanden.

Ausgelotet wird in einem Kapitel des Buches, was man eigentlich unter einem Ritter zu verstehen hat. Das Kapitel beginnt mit dem Satz: "Ritter waren Berufskrieger, die gleichzeitig so vermögend sein mussten, dass sie ihre gesamte Ausrüstung finanzieren konnten." (Zitat. S.54) Aufgeklärt wird man in diesem Zusammenhang über die Basis des Rittertums. In Verbindung mit den Kreuzzügen wurde das Rittertum immer stärker christlich gedeutet. Hinzu kam, dass längst verschüttete antike Fundamente nun hervortraten, aufgrund dessen sich der Begriff der Ritterehre und Ritterlichkeit herausbildete. Die Rittertugenden machten erforderlich, dass man bis zum Äußersten kämpfte. Dr. Reitz erinnert diesbezüglich an die extreme Kampfmoral der Tempelritter. Man wird über die Rituale der "Schwertleite" und des "Ritterschlages" bestens in Kenntnis gesetzt und liest auch von den Idealen der Ritter, für den Ehre, Treue, Maß und Zucht absolut prägend waren. Die Aufgaben der Ritters werden breitgefächert erörtert und man wird in Kenntnis gesetzt, was es mit dem Wappen, der Vititenkarte eines Ritters, auf sich hatte. Die Ausrüstung des Ritters, darunter das Schwert,der Helm und das Schild, lernt man näher kennen und wird über Ritterpferde, sprich Schlachtrösser, informiert.

Anschließend widmet sich der Autor der Architektur der Burgen. In diesem Zusammenhang lernt man den Inhalt der Fachbegriffe Abtrittserker, Bergfried, Donjon, Gußerker, Halsgraben, Rittersaal, Palas, Schießscharte, Schildmauer, Vorburg, Wasserburg und Wehrgang kennen. Aufgeklärt wird man über die Beschaffenheit der Kemenaten, der Badestuben, der Burgkapelle, der Küche etc. und man liest, was man unter so genannten "Bauhütten" zu verstehen hat, die bei großen Burgen mit dem Bau beauftragt wurden, auch wird man gut über Burgbautechniken informiert.

Burgherr war übrigens stets der Ritter. Über dessen Bedienstete und Kriegsknechte erfährt man Wissenswertes, auch über das Hauspersonal, über die Knappen und Pagen, die unter den Bediensteten eine Sonderstellung inne hatten und schließlich liest man auch etwas über die Familie des Burgherren. Thematisiert werden hier Verlobung, Hochzeit und Scheidung. Nicht unerwähnt lässt der Autor, dass beim Standesdenken der Ritter eine Ehefrau noch zwingend Jungfrau sein musste, wenn sie heiratete, (vgl.: S.107). Wenn dies nicht der Fall war, wusste man Abhilfe. Wie diese aussah, können Sie auf Seite 107 nachlesen.


Geburt, Taufe und Kindheit werden beleuchtet, auch die Erziehung und Kampfesübungen. Die höfische Bildung soll aus diversen Fächern bestanden haben. Von Bedeutung waren gutes Benehmen, Grundkenntnisse in der Musik, eventuell in der Literatur, auch sollte man ein Musikinstrument zumindest in Ansätzen spielen können. Lesen und Schreiben hielt man nicht für so wichtig wie eine Fremdsprache zu beherrschen, (vgl.: S. 116).

Das Kampftraining kommt auch zur Sprache und die Medizin und Krankenversorgung. Chirugenschulen gab es damals zwar in Italien und Frankreich, jedoch nicht in Deutschland. Die mittelalterliche Medizin war nicht besonders wissenschaftlich orientiert, sondern wohl eher eine Volksmedizin. Gemischt wurden Mystik und tatsächliche Erfahrungen. Neben den Behandlungen gab es immer auch Zauberformeln, (vgl.: S. 121).

Spannend zu lesen ist das Kapitel "Alltagsleben auf der Burg". Hier wird man über die Reinlichkeit (Dampfbäder waren überaus beliebt), die Haartracht, die Schönheitspflege, über Kochen und Mahlzeiten (zum Dessert gab es Honigkuchen, Gewürzkuchen und sogar gefüllte Torten), (vgl.: S. 130), über Tischgeschirr und Tischsitten (bei einem guten Festmahl wurden bis zu acht Gänge auf den Tisch gebracht und bei einem Festmahl zu Ehren des deutschen Kaisers im Jahre 1473 sogar 33 Gänge (vgl.: S.135), breitgefächert informiert.

Mode, Tracht und Bekleidung werden fokussiert. Auf Bildern erhält man hierzu auch einen guten visuellen Eindruck. Auf Hüte und Schuhe wurde großen Wert gelegt. Um ungestört über schmutzige Straßen gehen zu können, schnallte man sich unter die langen Schnabelschuhe Holzsandalen.

Die Jagd ist ein Thema. Sie war die Lieblingsbeschäftigung des Adels. Man erfährt Näheres zu Jagdrechten, zum Jagdmeister, zur Parforcejagd, zur Pirschjagd und auch zur Falkenjagd. Dies war die edelste aller Jagdformen. In diesem Zusammenhang bleibt Friedrich II. und dessen Falkenbuch nicht unerwähnt.

Im Rahmen der Betrachtungen des kulturellen Lebens auf der Burg kann man sich ausführlich und sehr gut mit der Minne, den Minnesängern und dem Minnegesang auseinandersetzen. Der Gesang der Troubadoure trat übrigens von Südfrankreich aus seines Siegeszug im Abendland an. Ritter sollen durch ihr Ethos freien Frauen gegenüber stets sehr galant gewesen sein und sie waren auch immer von deren Schönheit begeistert. Differenziert wird zwischen hoher und niederer Minne. Was dies im einzelnen bedeutet, erfährt man im Buch ab S. 149ff. Erläutert werden in der Folge die Stufen der Minne, man liest auch über eifersüchtige Ritter und den Keuschheitsgürtel als Dokument für krankhafter Eifersucht.

Des Weiteren wird man über Gaukler und das fahrende Volk informiert und auch über Sport und Freizeitvergnügungen, wie etwa Ballspiele, Tanzen, Brett- und Würfelspiele. Schach hieß einst übrigens "Schachzabel", kam ursprünglich aus Indien und ist in Mitteleuropa seit dem 10. Jahrhundert bekannt.

Das große Turnier auf dem Mainzer Hoffest kommt zur Sprache. Darüber wurde in einem Heft der Geo-Epoche auch schon sehr gut berichtet. Man erfährt Wissenswertes über die Zugangsbedingungen zur Teilnahme am Turnier, über den Tag des Turniers und über Sieger und Besiegte. Das letzte Turnier der Weltgeschichte wurde zu Ehren von Königin Viktoria im Jahre 1839 vom Earl of Eglington veranstaltet, (vgl.: S. 172).

Ganz zum Schluss des Buches werden die Ritterfahrten und Kreuzzüge abgehandelt. Hier auch wird der Begriff der Fehde thematisiert, über so nannte Femegerichte wird man in Kenntnis gesetzt, auch über Zweikämpfe und über die Schlachten. Hier erhält man einen Eindruck über die Burg im Krieg und bei Belagerungen und kann sich eine Vorstellung von den Ängsten und Nöten der Burgbewohner in solchen Zeiten machen.
Das Ende der Burgen setze mit den Feueraffen ein. Vom 15. Jahrhundert an gab es keine uneinnehmbaren Burgen mehr. Der Autor lässt sein hoch informatives Buch mit dem Satz enden: "Wer heute eine Burg besucht, findet dort Spuren der Ritterzeit ebenso der Träume der Romantik und der Mittelalterbegeisterung unserer eigenen Zeit- die Burg bleibt ein beeindruckendes Zeugnis der Vergangenheit."(Zitat. S. 207)

Dieser Meinung schließe ich mich nach der Lektüre dieses sehr guten Buches ohne Einwände an.

Sehr empfehlenswert.



1 Kommentar:

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