Die mexikanische Journalistin und Menschenrechtsaktivistin Lydia Cacho deckte in ihrem ersten Buch einen Pädophilen-Ring in Mexiko auf, wurde daraufhin verhaftet und gefoltert und lebt seither unter permanenter Bedrohung in Mexiko.
Im vorliegenden Buch, das Jürgen Neubauer aus dem Spanischen übersetzt hat, beleuchtet Cacho das Milliardengeschäft des weltweiten Menschenhandels mit Frauen und Kindern und reiste aus diesem Grunde in die Türkei, nach Israel, Palästina, Japan, Kambodscha, Birma und Argentinien, um überall den Sexismus zu analysieren und um schließlich aufzuzeigen, welche neuen Formen der Ausbeutung durch das Internet entstanden sind. Dass die Journalistin bei ihren Reisen viele Gefahren auf sich nahm, dürfte jedem klar sein. Ihre berichtigte Angst zwang sie zur Vorsicht und veranlasste sie, ihre Informanten sorgfältig auszuwählen. Die Gefahren, in die sich die Opfer begaben, die ihre Geschichten erzählten, erinnerten die Journalistin daran, wie gefährlich es ist, als Frau in einer vollkommen von Männern beherrschten Gesellschaft zu leben.
Mafiosi, Politiker, Militärs, Unternehmer, Industrielle, religiöse Führer, Bankiers, Polizeibeamte, Richter, Auftragsmörder und ganz gewöhnliche Menschen bilden das gewaltige Netzwerk des internationalen Verbrechens und der Kitt dieses Netzwerkes ist die sexuelle Befriedigung, über die alle Beteiligten an den Ergebnissen der Zwangsprostitution teilhaben, so die Menschenrechtlerin. Cacho bringt auf den Punkt, wenn sie schreibt: "Die einen schaffen den Sklavenmarkt, andere beschützen ihn und wieder andere fragen die menschliche Ware nach,"(Zitat: S. 19)
Zu Recht schreibt die Mexikanerin, dass der Menschenhandel, der in 175 Ländern der Erde dokumentiert ist, aufzeigt, inwieweit sich die menschliche Grausamkeit mittlerweile in der Kultur festgesetzt hat. Realität ist, dass rund 1,4 Millionen Menschen, primär Frauen, in die Sexsklaverei gezwungen werden. Was man darunter zu verstehen hat, macht Cacho im Buch umfassend deutlich. Die Journalistin bringt es auch hier auf den Punkt, wenn sie unverblümt formuliert: "Sie werden gekauft, verkauft und weiterverkauft wie Rohstoffe der Industrie, wie Trophäen, wie Opfergaben oder wie gesellschaftlicher Müll,"(Zitat S.20).
Die Autorin zeichnet eine Landkarte der modernen Sexsklaverei und gibt Antworten auf die Grundfragen des modernen Journalismus: Durch, wen, wie, wann, wo und warum im 21.Jahrhundert der Handel mit Sklaven, Waffen und Drogen immer weiter zunimmt," (Zitat: S.26).
Eine Untersuchung unter thailändischen Studierenden, Soldaten und Arbeitern brachte zum Ausdruck, dass die Soldaten mit Abstand die besten Kunden der Prostitution sind. Untersuchungen zum Handel mit Frauen und Mädchen ergeben, dass es in erster Linie die vermeintlichen Ordnungshüter, also Angehörige der Polizei und Armee sind, welche Menschenhändler schützen und in Bordellen mindestens ebenso gute Kunden sind wie Touristen, (vgl.: S.211).
Cacho fragt, was sich hinter sexueller Gewalt verbirgt und macht klar, dass die Angst der Frauen vor Vergewaltigung kein Produkt der Phantasie, sondern ein Erfahrungswert darstellt. Kunden der Prostitution weisen lt. der Menschenrechtlerin eine Gemeinsamkeit auf: sie setzen ihre Sexualität dazu ein, ihre Macht zu bestärken, Anerkennung unter Gleichgesinnten zu finden und sich als "echte Männer" zu beweisen, (vgl.: S. 217). Nach Ansicht der Journalistin existiert dieser Machismo in aller Welt, nicht nur in den Schwellenländern und gründet sich in erster Linie auf Macht, Neid, Selbstverherrlichung und Sexualität. Weder Fernsehen, Kino noch Universitäten würden letztlich patriarchalische Wertvorstellungen hinterfragen, mit denen sie die vorherrschenden geschlechterspezifischen Rollen und Verhaltensmuster zementieren, (vgl.: S.218). Die Autorin zitiert die Sozialwissenschaftlerin Kathryn Farr, die bekundet, dass die Sexsklaverei und die Vergewaltigung durch Soldaten zumindest indirekt durch ein patriarchalisches System ermöglicht werden.
Cacho schreibt im Zusammenhang mit Menschenhandel auch von der Geldwäsche und wie diese abläuft. Dabei gibt es vier Grundregeln, die bis heute noch Gültigkeit haben, (siehe S. 229). Wie sich das Handwerk der Zuhälter gestaltet, kann man ab Seite 241 nachlesen und ist im Grunde einfach nur angewidert, über das, was Menschen anderen Menschen antun. Es stimmt, es ist erschütternd, inwieweit selbst die unmenschlichste Gewalt gegen Frauen vielfach als etwas Normales wahrgenommen wird. Es gäbe nur wenige Männer, die sich im Kampf gegen Menschenhandel und die Gewalt gegen Frauen engagieren, oder die für eine menschlichere, weniger verdinglichte und verdinglichende Männlichkeit eintreten. Demgegenüber steigt die Zahl der Kunden der Kinderpornographie und der Zwangsprostitution von Minderjährigen. Weshalb das so ist, versucht Cacho vielschichtig zu beantworten. Die Journalistin hat gelernt, dass aus Opfern nur dann Überlebende werden, sofern sie die Freiheit dazu haben. Nur auf diese Weise vermögen sie die Entscheidung treffen, den Schmerz hinter sich lassen, meint Cacho. Wir müssen und da stimme ich der Mexikanerin, wie in allen anderen Punkten des Buches zu, die Selbstbestimmung der Opfer respektieren, deren Feinde die Kunden des Sklavenmarktes sind und deren Verbündete wir sein könnten, wenn wir bereit sind, die Sklaverei ohne Wenn und Aber abzulehnen.
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