Dieses Blog durchsuchen

Rezension: Staatsfeind WikiLeaks: Wie eine Gruppe von Netzaktivisten die mächtigsten Nationen der Welt herausfordert - Ein SPIEGEL-Buch (Broschiert)

In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 1 .Mai konnte man im Wirtschaftsteil einen bemerkenswerten einseitigen Artikel mit dem Titel "Geschäftsmodell Hacker" lesen. Anlass war der Datenklau bei Sony, der derzeit durch die Presse geht. Preise auf dem Hackermarkt für E-Mail-Adresse, das Stehlen von Passwörtern, das Erstellen von Programmen für Angriffe von Firmenwebsites und Erstellen von Schadstoffsoftware werden genannt. Das Eindringen in fremde Computer sei kein Sport mehr für übermütige Teenager, sondern sei ein Geschäft geworden. Rund um Hacker und Cracker habe sich ein eine Branche gebildet, die genau so professionell wie skrupellos vorgeht. Das Geschäft sei profitabel. Wer Computer manipulieren könne, könne sehr rasch Geld verdienen. Große Datenmengen wie bei Sony seien eine Menge wert, sofern man sie gestückelt verkaufe. Computerkriminelle sind heute professionell organisiert, las ich weiter in dem Artikel. Offenbar ist keine Internetfirma vor diesen Kriminellen geschützt. Die Zeit von idealistischen motivierten Hackern wie Julian Assange gehört offenbar weitgehend der Vergangenheit an, so meine Wahrnehmung. Wirtschaftskriminelle Hacker dominieren das Feld und bedrohen unser Staatsgefüge auf eine Weise, wie man dies kaum für möglich hält.

Gestern, also am 7. Mai 2011, las ich im Wirtschaftsteil der FAZ erneut einen Artikel zum Thema, diesmal mit dem Titel "Die dritte Säule der IT Branche". Hier las ich u.a., dass das IT-Unternehmen IBM täglich 13 Milliarden digitale Angriffe und unser Bundesinnenministerium für Deutschland alleine Angriffe im Sekundentakt zähle. Gefordert wird nun von der IT-Branche eine dritte Säule, die es möglich macht, sich gegen die Angriffe erfolgreich zur Wehr zu setzen.

Im Netz tummeln sich, jeder weiß es, Kriminelle aller Art, die schwer greifbar sind und deshalb dort fröhliche Urstände feiern. Der weltwirtschaftliche Schaden beträgt lt. der FAZ von gestern mittlerweile 100 Milliarden Dollar im Jahr.


Die Spiegel-Autoren Marcel Rosenbach und Holger Stark beschreiben im vorliegenden Buch die idealistisch motivierte Hackeraktivitäten der Netzaktivisten der Organisation WikiLeaks, die seitens der amerikanischen Regierung zum Staatsfeind erklärt worden ist.

Sehr ausführlich wird die Vita des hochintelligenten Gründers dieser Organisation Julian Assange dargestellt, der seit Jahren gegen den Staat als Sammelbecken einer vermeintlich korrupten Elite zu Feld zieht. Er folge einer Konzeption, die Medien, Ökonomie und politische Eliten als Teilmengen eines größeren Problems betrachte, korrumpiert von der Macht, eine Verschwörung gegen die Bürger. Seine Weltsicht nehme Anleihen im radikalen Liberalismus eines Milton Friedman wie in einer klassischen anarchistischen Theorie, (vgl.: S. 109).

Im Buch wird nicht nur die biographische Entwicklung von Assange unter psychologisch und soziologisch nicht uninteressanten Kriterien ausgelotet, sondern auch die Anfänge der von WikiLeaks dargestellt. Dieser Organisation geht es darum, mittels Hackern gekaperte brisante Dokumente aus der Wirtschaft, Wissenschaft, Rüstung, den Geheimdiensten ins Netz zu stellen, um Aufklärung zu betreiben.

Auf die Widersprüchlichkeiten von Assange wird im Buch immer wieder hingewiesen, so etwa auch auf sein Verhalten im Hinblick auf die Presse. Rosenbach und Stark versuchen gut nachvollziehbar ein objektives Bild von ihm und der Organisation zu zeichnen also nicht Partei zu nehmen.

Dargestellt werden nicht zuletzt die Enthüllungen geheimer Dokumente aus US-Botschaften sowie über die Kriege in Afghanistan. Mit der Veröffentlichung der diplomatischen Geheimdienstdepeschen habe WikiLeaks aus Sicht der Regierenden eine rote Linie überschritten, weil die Geheimdiplomatie ein wichtiges Werkzeug der amerikanischen Machtpolitik sei. Die Politik von WikiLeaks sei eine Herausforderung für jeden Staat, für repressive Regime mehr noch wie für demokratische, (vgl.: S.287). Die Frage, die sich stellt, ist ob die Veröffentlichungen die Demokratie gefährden oder ob solche Veröffentlichungen nicht der Demokratisierung Vorschub leisten. Wie ist das Tun zu werten? Als kritischer Journalismus oder als Verrat von Staatsgeheimnissen?

Ein hochinteressantes Buch, das nachdenklich stimmt. Die Frage, die sich mir stellt ist, wodurch ein demokratisches Staatsgefüge mehr bedroht wird, durch einen rechtlichen mehr als bedenklichen, investigativen Internetjournalismus, wie Assange ihn auf seine Fahnen geschrieben oder durch wirtschaftskriminelle Handlungen in 100 Milliardenhöhe, von denen die FAZ gestern geschrieben hat? Wenn aufgrund des Internets Daten jedweder Art nicht mehr sicher zu stellen sind, dann geht es in erster Linie darum, dass Veränderungen herbeigeführt werden müssen. Die geforderte dritte Säule im IT-Bereich ist eine davon, ethisches Umdenken eine weitere.

Empfehlenswert.
Bitte klicken Sie auf den Button, dann gelange Sie zu Amazon und können das Buch bestellen



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen