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Rezension:Die Formel der Macht (Gebundene Ausgabe)

Dr. Harald Katzmaier und Dr. Harald Mahrer befassen sich im vorliegenden Buch mit den Facetten der Macht. Auf Seite 62 las ich den entscheidenden Satz: "Die Deutungshoheit über unsere Wirklichkeit ist wahrscheinlich eine der wichtigsten Quellen von Macht überhaupt."Wie nun erlangt man diese Deutungshoheit und was versteht man eigentlich unter Macht? Hat sich der Machtbegriff im Laufe der Jahrhunderte verändert? Welche Machtmodelle gibt es? Das sind einige der Fragen, die im Buch sehr gut beantwortet werden. Nicht allen werden die Überlegungen der Autoren schmecken, die in Sätzen zum Ausdruck kommen, wie etwa: "Die liberale Amerikanische Revolution beförderte eine Machtkultur, die Macht und insbesondere ökonomische Macht auf der Ebene der Geschichten (der "Stories") und Mythen egalisiert hat".(...)"Das Primat der Ökonomie hat in den vergangenen Jahrzehnten die globalen Machtstrukturen weiter verändert. Die weltweite Finanzindustrie wurde zum zentralen Schlüssel-Spieler und stolperte jüngst gemeinsam mit der Politik- wie wir zwischenzeitlich wissen, über eine intransparente, nicht mehr beherrschbare Systemkomplexität. Und die Finanzindustrie stolperte über eine Kasino-Mentalität, in der an Ressourcen und Netzwerken Mächtige immer weniger in den Aufbau realen Sach- und Humankapitals investieren wollten, sondern in immer fabelhaftere Finanzprodukte. Es wurde mehr gewettet als investiert."(...) "Was für eine eigenartige Änderung des Bildes der Macht, weg vom "heroischen" Unternehmer hin zum Spieler(der, der "Riecher" hat), der - wie sich zuletzt herausstellte- vor allem auf Kosten anderer Geld macht. Auf Kosten getäuschter Anleger, auf Kosten der haftenden öffentlichen Hand und damit auf Kosten der Gesellschaft."(Zitat: S. 63-64). Ich teile diese Überlegungen der Autoren und habe das Buch, nachdem ich beim ersten Durchblättern diesen zitierten Text las, neugierig in seiner Gesamtheit gelesen und als sehr informativ empfunden.

Gleich zu Beginn erfährt man, dass derjenige, der spezifische Ressourcen (nicht nur Geld!) mit spezifischen Beziehungen in Verbindung bringen kann, Macht besitze. Diese Machtformel erläutern die Autoren im Buch gut nachvollziehbar, zeigen auch, dass ökonomische Ressourcen wie Geld und Wissenskapital nur ein Teil der relevanten Machtressourcen sind und ein anderer Teil in Werten, Haltungen, Visionen und Ideen besteht. Symbolische Ressourcen spielen seit Jahrtausenden bereits in der Politik und in der Gesellschaft eine Rolle. Dort, wo Ideen und Persönlichkeiten sich glaubwürdig vereinen, entstehen besondere Machtpotentiale, (vgl.: S.23). Macht in der Gegenwart habe derjenige, der Deutungsmacht über die Zukunft gewinne. Dazu ist es allerdings notwendig, seine Netzwerke im Griff zu haben und sie immerfort auszubauen. Am Beispiel unserer Kanzlerin kann man sehr gut nachvollziehen, wie ihr Netzwerk brüchig wird. Dass dies Folgen für die nächste Wahl haben wird, ist m.E. vorauszusehen. Was könnte sie tun, um das Ruder noch herumzureißen?

Es stimmt, man benötigt eine große Machtperipherie, um Macht im Zentrum konzentrieren zu können und es stimmt auch, dass diejenigen, die die eigene Peripherie nicht am Wachstum des Wohlstands, der im Netzwerk erwirtschaftet wird, teilhaben lassen, die Quellen des eigenen Ressourcenreichtums zerstören. Anhänger des Neokapitalismus wollen diesen Punkt nicht begreifen, obschon die Folgen doch absehbar sind. Ludwig Erhard hat dieses Problem sehr gut erkannt und in seinem Konzept der Sozialen Marktwirtschaft überaus erfolgreich und klug umgesetzt.

Es stimmt, keiner ist in der Lage absolute Macht zu erringen, "Macht bildet Ranking und Reihen, sie vergibt Plätze"(...)Die Sieger leben vom Vergleich mit den Verlierern- jeder kluge Sieger weiß, dass man nicht aus sich heraus man mächtig ist, sondern man den anderen dazu benötigt, (siehe S. 38). Das vergessen selbstverliebte Machtinhaber allzu oft und werden dann Opfer ihrer Hybris, so meine Beobachtung.

Es stimmt weiter, wenn die Autoren konstatieren, dass derjenige, der keine Handlungsmacht besitzt, den Widrigkeiten der Zukunft schutzlos ausgeliefert ist. Deshalb auch ist die oberste Maxime der militärischen Führung für strategische Entscheidungen am Erhalt der Handlungsfreiheit orientiert. Machtorientierte Personen versuchen alles zu unternehmen, um die Handlungsfreiheit ihrer Gegner zu zerschlagen und dazu ist ihnen in der Regel jede Intrige recht. Soweit ich mich erinnere, hat Machiavelli sich dazu bereits dezidiert geäußert.

Die Autoren verdeutlichen, weshalb Macht ein solides Fundament, auch weshalb sie Resilienz benötigen. Resilienz- das Zauberwort der Stunde-, war meines Erachtens in allen Zeiten notwendig, um bei allen Widrigkeiten der Zeitläufte seine Macht zu erhalten. Auf Unvorhergesehenes machtvoll zu reagieren, bedarf eines mathematischen Verstandes und auch sehr guter intuitiver Fähigkeiten, an denen reine Machtechnokraten in der Regel scheitern.

Gut sind die Fragen der Autoren, wie etwa: "Was macht uns resilienter und entwicklungsfähiger?", "Was fördert unser Vermögen, auf Unvorhergesehenes zu reagieren?", "Wie halten wir uns neue Optionen offen?", "Wie bleiben wir inmitten eines Sturms handlungsfähig?" (Zitat:. S. 60). Meines Erachtens haben diese Fragen schon immer die Macht der Zukunft geprägt und wurden stets nur von sehr intelligenten Machthabern sinnvoll beantwortet. Mir fallen dazu die historischen Beispiele, wie der Stauferkaiser Friedrich II. und Jakob Fugger ein. Zwei absolute Ausnahmemenschen.

Eine These der Autoren lautet, dass die Macht der Zukunft noch mehr denn je durch die Software-Industrie definiert wird. Wer dort die neuen Wirklichkeitsräume zur Verfügung stellt, sie kontrolliert, steuert und weiterentwickelt, hat die Macht, sofern er in der Lage ist Machtmythen zu durchschauen und Deutungshoheit sowie Ressourcen gut zu managen,(vgl.: S. 83- 84). Stimmt.

Die Autoren befassen sich intensiv mit Netzwerken und lassen den Leser wissen, dass starke Netzwerke über einen starken Kern an geteilten Wahrnehmungen, Interessen und Perspektiven verfügen. Man sei sich einig darüber, wie die Welt sei und noch mehr einig darüber, wie die Welt sein sollte, (vgl.: S.87). Wer die Macht eines Mächtigen untergraben möchte, muss demnach Zwietracht im Netzwerk säen, so meine Analyse. Dies ist das tägliche Brot der Intriganten in Wirtschaft und Politik. Jeder weiß das.

Wann ist ein Netzwerk machtvoll und wann ist es machtlos? Welchen Sinn haben soziale Netzwerke, wenn überhaupt? Die Autoren schreiben nicht zu Unrecht, dass soziale Netzwerke nicht dazu in der Lage sind, Macht zu verdichten, weil dies nämlich Repräsentation und entsprechende Strukturen erfordere, (vgl.: S. 99).

Aufgezeigt wird, woran man Netzwerkmacht erkennen kann und auch welches Machtmodell in welcher Weise funktioniert und ferner, welche Chance man hat, in Netzwerken aufzusteigen, d.h. , was man tun muss, damit dieses geschieht. Man sollte wissen, dass man, je tiefer man in Machträume vordringt, je näher man also dem Machtkern kommt und je höher man in der Netzwerkhierarchie aufsteigt, um so mehr kommt man in den Genuss von Informationen, die die eigenen Ressourcen vergrößern. Es trifft nach meinen Beobachtungen zu, dass, wie die Autoren schreiben, je höher man aufsteigt, desto wichtiger nicht nur Taten, sondern die Worte oder andere Artikulations- und Darstellungsformen, sowie die Bedeutung von Symbolik und nonverbale Kommunikation werden. Dies wird einem sehr schnell klar, wenn man sich aufmerksam die Nachrichten im Fernsehen ansieht und hin und wieder den Ton abstellt. Sehr bemerkenswert finde ich in diesem Zusammenhang die Selbstinszenierungen Joschka Fischers, einem Meister auf diesem Gebiet.

Wichtig zu wissen: "Mächtige Netzwerke fordern, bevor sie fördern", (Zitat. S.137) Von daher ist es notwendig einem Netzwerk zu zeigen, was man zu bieten hat, aber man sollte sich auch darüber klar werden, was einem das jeweilige Netzwerk tatsächlich bringen kann. Soziale Netzwerke in der digitalen Welt haben nach Meinung der Autoren für Machtnetzwerke keine Zukunft, weil sie kein qualitatives Wachstum besitzen. Thesen wie diese werden den Betreibern von Facebook etc. gewiss nicht gefallen, weil ihr Marktwert dadurch bestimmt langfristig nicht steigt. Was können uns Netzwerke lehren? Wie "man Visionen und Ideen bündelt, wie man dafür Anhängerschaft mobilisiert, wie man Ziele formuliert und wie man sie gemeinsam erreichen kann."(Zitat: S. 158).

"Macht =Ressourcen x Netzwerk". Da sich Ziele ohne Macht nicht durchsetzen lassen, sollte sich jeder, der wirtschaftliche oder politische oder andere Ziele umsetzen möchte, mit den Grundvoraussetzungen von Macht auseinandersetzen. Dieses Buch ist ein Einstieg dazu.
Empfehlenswert.

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